Wien (PK) – Die Österreichische Nationalbibliothek hat heute 2.255 in der NS-Zeit unrechtmäßig erworbene „erblose“ Bücher entsprechend dem Kunstrückgabegesetz an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus restituiert und anschließend für rund 75.000 Euro zurückgekauft.
Im Rahmen einer Gedenkfeier im Oratorium der Österreichischen Nationalbibliothek betonten der Vorsitzende des Kuratoriums des Nationalfonds, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek Johanna Rachinger und die Generalsekretärin des Nationalfonds Hannah Lessing die Bedeutung dieser Form der Restitution. Damit werde ein Weg beschritten, der wegweisend für andere Museen und Bibliotheken sei, da eine öffentliche Versteigerung der „erblosen“ Bücher nicht zielführend wäre.
„Die Restitution der in der NS-Zeit geraubten Bücher ist für die Österreichische Nationalbibliothek nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch ein moralisches Anliegen“, unterstrich Rachinger. „Ich freue mich deshalb sehr, dass wir mit der heutigen Rückgabe und dem gleichzeitigen Rückkauf von 2.255 erblosen Büchern einen weiteren wichtigen Schritt zur lückenlosen Aufarbeitung geschehenen Unrechts setzen können.“
Hannah Lessing erinnerte an die vor 20 Jahren verabschiedeten Washingtoner Prinzipien in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden. Auf der im vergangenen November stattgefundenen internationalen Fachkonferenz in Berlin sei viel von „erblosen“ Büchern gesprochen worden, sagte Lessing. „Ich habe persönlich erlebt, wie viel Freude ein zurückgegebenes Buch bereiten kann, das vor 80 Jahren den Vorfahren geraubt wurde. Die heute an den Nationalfonds übergebenen Bücher aus dem Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek konnten trotz intensiver Nachforschungen nicht an die ErbInnen der ursprünglichen EigentümerInnen übergeben werden, aber es ist schön, dass sie nun in der Bibliothek ein dauerhaftes Zuhause finden.“
„Der Nationalsozialismus und der Anschluss Österreichs im März 1938 haben eines der dunkelsten Kapitel der österreichischen Geschichte eingeläutet. Über Jahrzehnte wurde Österreich im kollektiven Bewusstsein als erstes Opfer der NS-Herrschaft dargestellt und erst viel zu spät auch die Rolle der Täter beleuchtet. Der Nationalfonds der Republik Österreich hat Hervorragendes geleistet, um dieses Unrecht – wenngleich auch spät – wieder gut zu machen“, so Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.
Bei den Büchern handelt es sich zu einem großen Teil um Judaica und Hebraica. Ein Teil der Werke stammt aus Beständen, die für die in der NS-Zeit geplanten, aber nicht realisierten „Zentralbibliothek der Hohen Schule“ und „Führerbibliothek“ in Linz vorgesehen waren, sowie aus Beständen, die in einer Synagoge in Triest gesammelt und gelagert wurden und von dort in die Nationalbibliothek gelangten.
Der Provenienz-Bericht der Österreichischen Nationalbibliothek vom Dezember 2003 listete insgesamt rund 52.000 Objekte als mögliches „NS-Raubgut“ auf, davon wurden nach Angaben der Bibliothek insgesamt rund 49.000 Einzelobjekte an frühere EigentümerInnen, deren ErbInnen bzw. den Nationalfonds zurückgegeben. Bereits 2010 wurde eine erste Tranche von rund 8.300 nicht restituierbaren erblosen Büchern aus dem Bestand der Nationalbibliothek an den Nationalfonds übergegeben und gleichzeitig für die Bibliothek zurückgekauft.
Der Nationalfonds erhielt 1998/99 durch das Kunstrückgabegesetz den Auftrag, „erblose“ Kunstgegenstände aus öffentlichem Besitz zugunsten von NS-Opfern zu verwerten. Bevor die Kunstobjekte zur Verwertung gelangen, sollen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um noch mögliche Rückstellungsberechtigte zu erreichen. Zu diesem Zweck unterstützt der Nationalfonds die Kunstrückgabe-Gremien des Bundes und der Stadt Wien bei der Erbensuche und betreibt eine Kunst-Datenbank (www.kunstdatenbank.at ). Objekte, deren EigentümerInnen nicht mehr festgestellt werden können, werden dem Nationalfonds zum Zweck der Verwertung übereignet. Der Nationalfonds verwendet die aus der Verwertung erlösten Mittel zugunsten von Opfern des Nationalsozialismus.
Provenienzforschung in der Parlamentsbibliothek
Auch die Parlamentsbibliothek hat sich der Aufgabe der Provenienzforschung gestellt. Im Auftrag der Parlamentsdirektion wurden durch externe Experten und Expertinnen des Vereins für wissenschaftliche und kulturelle Dienstleistungen unter der Leitung von Harald Wendelin umfassende Recherchen zur Provenienz der Bücher in der Parlamentsbibliothek durchgeführt. 2013 hat der Kunstrückgabebeirat für 29 Signaturen, das sind 37 Bände, die Rückgabe an vom NS-Regime verfolgte Personen und Institutionen bzw. deren RechtsnachfolgerInnen empfohlen.
Die Suche nach den RechtsnachfolgerInnen der ehemaligen EigentümerInnen sowie die Abwicklung der Restitution erfolgt durch den Nationalfonds der Republik Österreich in enger Kooperation mit der Parlamentsbibliothek. (Schluss) red
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