Wien (PK) – Die Verbesserung der Lebensrealitäten von Frauen ganz nach oben auf die politische Tagesordnung zu stellen ist eine der grundsätzlichen Forderungen des Frauenvolksbegehrens . Tatsächlich fand die Initiative, die österreichweit 481.959 Unterschriften erreichte, im Rahmen einer ersten Lesung nach der Aktuellen Stunde in der heutigen Nationalratssitzung als Tagesordnungspunkt eins Eingang in die Debatte. Einig waren sich die Abgeordneten über die Wichtigkeit und Bedeutung, die Anliegen des Volksbegehrens zu diskutieren. In den einzelnen Punkten gab es jedoch zwischen Koalition und Opposition deutliche Meinungsverschiedenheiten.
Die InitiatorInnen und UnterstützerInnen wollen mit der Initiative eine „echte soziale und ökonomische Gleichstellung der Geschlechter mit verfassungsgesetzlichen Regelungen“ erreichen. Der Stillstand der letzten Jahre hinsichtlich Gewaltschutz, sexueller Selbstbestimmung, sozialer Sicherheit, Kinderbetreuung sowie wirtschaftlicher und politischer Teilhabe solle beendet und Wahlfreiheit und Chancengleichheit für Frauen und Männer erreicht werden. Im Anschluss an die Diskussion wurde das Volksbegehren zur weiteren Beratung dem Gleichbehandlungsausschuss zugewiesen.
ÖVP und FPÖ nicht mit allen Forderungen einverstanden
Es gebe noch viel zu tun für Frauen – das Frauenvolksbegehren werde ausführlich in den Fachausschüssen diskutiert werden, stellte ÖVP-Frauensprecherin Barbara Krenn in Aussicht und zeigte sich hinsichtlich der Forderungen mit „vielem, aber leider nicht mit allem“ einverstanden. Dem schloss sich Christoph Stark (ÖVP) an. Er sei froh, dass es dieses Volksbegehren gibt. Kritische Punkte sind aus seiner Sicht aber etwa die 30-Stunden-Woche oder ein „Zwang“ zur Quote, wie er es bezeichnete. So wichtig auch das Verringern der Lohnschere sei, warnte er davor, mit einem Rechtsanspruch auf kostenlose Kinderbetreuung bis zum 14. Lebensjahr das System zu überlasten. Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) geht es um eine differenzierte Diskussion, etwa die reproduktiven Rechte der Frauen anzuerkennen, zugleich aber auch die Rechte der Kinder zu vertreten.
FPÖ-Gleichbehandlungssprecherin Carmen Schimanek sieht im Volksbegehren inhaltlich Bereiche verpackt, die vielleicht nicht von allen UnterstützerInnen verstanden worden seien, wie sie sagte. So sei aus ihrer Sicht in der Forderung nach geschlechtersensibler Ausbildung aller PädagogInnen das Thema „queere“ Pädagogik enthalten. Solche Theorien haben Schimanek zufolge aber weder in Schulen, Kindergärten noch in einem Frauenvolksbegehren etwas verloren. Auch einem Recht auf einen kostenlosen Kinderbetreuungsplatz bis zum 14. Lebensjahr kann sie nichts abgewinnen. Dieses Recht bestehe in Österreich bereits und nenne sich Mutter und Vater, so die FPÖ-Abgeordnete. Umstritten seien außerdem Gratisverhütungsmittel. Auch wenn viele gute Punkte im Volksbegehren enthalten seien: Wenn etwa Gewaltschutz als wichtiges Thema in einem Atemzug mit Abtreibung auf Krankenschein genannt würde, könne sie es nicht unterstützen. Als „Wünsch-dir-was-Programm“ bezeichnete Jessi Lintl (FPÖ) das Volksbegehren, das aus ihrer Sicht wirtschaftliche Anliegen für Erfolgreiche in den Mittelpunkt stellt. Die geforderte Frauenquote, Mindestlöhne, 30-Stunden-Woche und der genannte Kinderbetreuungs-Rechtsanspruch sind für sie „Rosinenpickerei“, wie sie sagte, und würden keine adäquaten Mittel zur Verbesserung des Sozialstaats darstellen. Letzteres würde aus Sicht von Edith Mühlberghuber (FPÖ) im Klartext gar bedeuten, dass Kinder „verstaatlich“ würden, egal was es koste. Hinsichtlich Quotenregelung nannte sie es absurd, 50% Frauenanteil mit Zwang durchsetzen zu wollen. Das Thema Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein mache sie fassungslos. Sandra Wassermann (FPÖ) ortet ebenso wie ihre Fraktionskollegin viel Willkürliches in dem Thesenpapier. Es würden aber durch das Regierungsprogramm bereits einige Verbesserungen umgesetzt, wie etwa Stärkung der Frauengesundheit und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Klare Unterstützung für Frauenvolksbegehren von SPÖ und JETZT
SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek und Jörg Leichtfried (SPÖ) sprachen sich nicht zuletzt für vollste Unterstützung etwa der vielen teilzeitarbeitenden Frauen im Handel im Hinblick auf die Kollektivvertragsverhandlungen aus. Ein „riesiges Danke“ richtete Heinisch-Hosek an die AktivistInnen des Frauenvolksbegehrens. Es sei eines der größten Bürgerbeteiligungsprojekte, die im Frauenbereich stattgefunden haben, appellierte sie an alle Parteien, die Forderungen ernst zu nehmen und entsprechend ausführlich zu behandeln. Es gelte für diejenigen, die es bitter nötig haben, Verbesserungen vorzunehmen, so auch für AlleinerzieherInnen. Aber auch gerechte Einkommen, die Hälfte der Plätze an Entscheidungstischen, Respekt und Wertschätzung, die gerechte Verteilung von Arbeit, sowie über den eigenen Körper bestimmen zu können nannte die SPÖ-Frauensprecherin als wesentliche Anliegen. Durch die enorme Beteiligung wurde ein starkes frauenpolitisches Zeichen für 100 Prozent Gleichstellung gesetzt, schloss sich Jörg Leichtfried dem an. Wichtig sind aus seiner Sicht zudem volle Lohntransparenz, eine Unterhaltsgarantie für AlleinerzieherInnen und echte Wahlfreiheit mittels Kinderbetreuungs-Rechtsanspruch. Nurten Yılmaz (SPÖ) appellierte vor allem an die FPÖ, das Begehren ernst zu nehmen und Schritt für Schritt umzusetzen. Mit 60% der Einkommen und zwei Drittel des Vermögens liege in Österreich immer noch der Großteil davon bei Männern, warf sie hinsichtlich Gleichstellung auf. In Richtung ÖVP und FPÖ kritisierte Selma Yildirim (SPÖ), ihr Frauenbild sei im vorigen Jahrhundert hängen geblieben und stelle eine überholte Ideologie dar. Allein schon an der Alters-Armutsgefährdung von Frauen zeige sich, dass dieses Rollenbild nicht mehr funktioniere. Geschlechtergleichberechtigung sei keine Schönwetterpolitik und schon gar keine „Rosinenpickerei“, entgegnete Petra Bayr (SPÖ) in Richtung FPÖ-Abgeordneter Lintl, sondern grundlegende Politik von Fairness und Menschenrechten. Außerdem sei die Fristenlösung in Österreich geltendes Recht, und auch wenn Verhütung und sexuelle Bildung die besseren Möglichkeiten darstellen, müssten Frauen selbstbestimmt über ihre Schwangerschaft entscheiden können.
Stigmatisierung sei das größte Problem beim Thema Schwangerschaftsabbruch, sagte dazu NEOS-Frauensprecherin Claudia Gamon (NEOS). Auch wenn jeder Abbruch einer zu viel und ein niederschwelliger Zugang zu Verhütungsmitteln besser sei, gehe es um sexuelle Selbstbestimmung und darum, endlich darüber zu reden. Gamon sprach sich auch für Gleichbehandlung und Wahlfreiheit hinsichtlich Arbeitsmarkt aus. Allein in dieser Hinsicht seien Kinderbetreuungsplätze von essentieller Bedeutung. Betreffend das Thema „queere“ Pädagogik gehe es grundsätzlich um einen Kulturwandel, was Stereotype aus der patriarchalen Kultur anbelangt. Auch wenn sie nicht alle Forderungen des Volksbegehrens unterstützen könne, sei die Intention und darüber zu diskutieren wichtig, so Gamon.
Auch JETZT-Frauensprecherin Stephanie Cox erachtet die geschlechtersensible Ausbildung von PädagogInnen als wichtige Forderung, etwa hinsichtlich Digitalisierung und Stärkung der Frauen in Männerdomänen. Sie und Alma Zadić (JETZT) sprachen sich klar dafür aus, die Forderungen des Frauenvolksbegehrens ernst zu nehmen.
Im Hinblick auf den Wandel der Arbeit durch die Digitalisierung, aber auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist für Martha Bißmann (o.F.) das bedingungslose Grundeinkommen die zwangsläufige Konsequenz, was auch viel mit Frauenpolitik zu tun habe. Auf dem Weg dorthin gehe es um eine Arbeitszeitverkürzung und um die 30-Stunden-Woche, wovon alle – nicht nur Frauen – profitieren würden.
Frauenvolksbegehren mit umfassendem Maßnahmenkatalog
Trotz gesetzlicher Verbesserungen sind Frauen in Österreich Männern nach wie vor real nicht gleichgestellt, wirft das Frauenvolksbegehren auf. Im Gegenteil falle Österreich diesbezüglich im internationalen Vergleich sogar zurück. Dementsprechend umfassen die Forderungen einen ausführlichen Maßnahmenkatalog. So gehe es darum, etwa auf Wahllisten sowie in politischen und leitenden Gremien die Hälfte mit Frauen zu besetzen. Zudem soll es Sanktionen bei Nichterreichen der Quoten geben. Darüber hinaus umfassen die Forderungen die Beseitigung der Einkommensunterschiede sowie Armutsbekämpfung besonders im Hinblick auf Alleinerziehende. Frauen würden außerdem zwei Drittel aller unbezahlten Haus- und Sorgearbeit stemmen und daher oft in zeitlich befristete und niedrig entlohnte Teilzeitarbeit gedrängt. Nicht zuletzt soll daher die Arbeit verteilt und bei variablem Lohn-und Personalausgleich schrittweise auf 30 Stunden pro Woche verkürzt werden. Gefordert wird auch die Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung, unter anderem mit einem Rechtsanspruch auf Betreuung für jedes Kind bis zum 14. Lebensjahr. Eine weitere Stoßrichtung zielt auf Maßnahmen gegen klischeehafte oder sogar abwertende Rollenbilder sowie Bildung und Beratung hinsichtlich körperlicher Selbstbestimmung ab. Letzteres müsse auch das Angebot und die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen in allen öffentlichen Krankenanstalten umfassen. Neben Verhinderung von Gewalt geht es den InitiatorInnen und UnterstützerInnen auch um Schutzmaßnahmen für Mädchen, Frauen und LGBTIQ-Personen auf der Flucht. (Fortsetzung Nationalrat) mbu
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