Tierärztekammer zu den Verschärfungen im Tierhaltergesetz

Wien (OTS) – „Wir begrüßen die aktuelle Debatte um einen qualitätsvollen Umgang zwischen Mensch und Tier in der Hundehaltung. Die in letzter Zeit gehäuft auftretenden Zwischenfälle mit lebensgefährlichen Bissverletzungen durch Hunde haben uns gezeigt, dass Handlungsbedarf besteht,“ erklärt Mag. Kurt Frühwirth, Präsident der Österreichischen Tierärztekammer und selbst praktizierender Tierarzt, bei einem Pressegespräch am Dienstag.

Erneute Gesetzesverschärfung

Einmal mehr hat der Wiener Landtag das Tierhaltergesetz verschärft. Demnach wurde eine generelle Leinen- und Beißkorbpflicht für Listenhunde eingeführt. Ausnahmen gibt es etwa für Hundeparks mit Einzäunung, in Auslaufzonen ohne Einzäunung gilt keine Leinenpflicht. Auch die bereits öfter genannte, Alkoholgrenze von 0,5 Promille für ListenhundebesitzerInnen gilt in Zukunft. Weiters wird es eine Verschärfung beim Hundeführerschein geben (in gewissen Fällen kann es zu einer Wiederholung der Prüfung und zu zusätzlich vorgeschriebenen Trainingseinheiten kommen).

Verpflichtende Hundekurse

Für alle künftigen HundebesitzerInnen gilt jedenfalls ab 1. Juli 2019 ein verpflichtender Sachkundenachweis für HundehalterInnen, also ein verbindlicher Einführungskurs der absolviert und vorgelegt werden muss. „Wir unterstützen die Anstrengungen eine standardisierte Ausbildung für künftige HundebesitzerInnen umzusetzen, “ so Frühwirth und meint weiter, „wir Tierärzte haben auch festgestellt, dass hier unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Umso mehr, weil es neben verhaltenstypischen auch medizinische Fakten gibt, über die man als HundebesitzerIn informiert sein muss. In diesen Fragen sind wir Tierärzte die richtigen Ansprechpartner. Aus diesem Grund haben wir einen qualifizierten Sachkundekurs, das ÖTK-Hundezertifikat, für TierärztInnen ins Leben gerufen. In weiterer Folge werden unsere TierärztInnen ab Jänner 2019 ihr Wissen in eigens abgehaltenen Kursen an HundebesitzerInnen weitergeben. Die Kursleitung ist ausschließlich diesen speziell ausgebildeten Veterinären im Rahmen des zertifizierten Curriculums vorbehalten.“

Hundewissen schützt vor Bissen

Ganz nach dem Vorbild der Bayerischen Tierärztekammer, die bereits seit mehreren Jahren solche Kurse erfolgreich anbietet, hat somit auch die Österreichische Tierärztekammer dieses Konzept entsprechend adaptiert, übernommen. Bei genannter Überarbeitung war auch die Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz eingebunden – dazu erklärt die Leiterin Dr. Martina Dörflinger: „Als unabhängige Stelle haben wir die Unterlagen zum ÖTK-Hundezertifikat eingehend auf die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis überprüft und im Zuge eines ausführlichen Gutachtens als tierschutzkonform bestätigt. Das ÖTK-Hundezertifikat stellt eine umfassende Ausbildung dar, die den Hundehalterinnen und Hundehaltern sowohl den sicheren Umgang mit dem Hund als auch die essentiellen rechtlichen Regelungen für eine tierschutzkonforme Hundehaltung in Österreich vermittelt“.

Prophylaktischer Ansatz der Initiative

„Uns ist es auch wichtig, dass man sich verpflichtend vor der Anschaffung eines Hundes entsprechende Gedanken macht und sich tierspezifisches Wissen aneignet – dazu gehört auch die Auswahl einer, für die Lebenssituation passende Hunderasse und auch die konsequente Vermeidung von Qualzuchten“, betont Frühwirth.

Dr. Erik Schmid, Fachtierarzt für Tierhaltung und Tierschutz und Mitinitiator des Sachkundenachweises weiß über die gegenseitigen Missverständnisse im Umgang mit Hunden Bescheid: „Der Hund zeigt im Alltag Verhaltensmuster, die man als BesitzerIn richtig einschätzen und deuten lernen muss. Wölfe beispielsweise können mit Augen, Ohren, Stirn und Lefzen etwa 60 verschiedene Stimmungsbilder mit ihrem Gesicht ausdrücken – der Haushund hingegen, vermag nur noch mit einem wesentlich kleineren Stimmungsspektrum zu kommunizieren. Die Zeichen von Aggression, Angst oder offensivem Drohen muss man richtig beurteilen können. Hinzu kommt, dass durch extreme Zuchtmerkmale, wie etwa durch zu kurze Schnauzen, Schlappohren oder enormen Gesichtsfalten die Ausdrucksmöglichkeiten des Hundes leider sehr eingeschränkt sind. Dies schadet der Kommunikation mit den Artgenossen aber auch mit den Besitzern. Wissen über die Bedürfnisse und die Verhaltensmuster von Hunden kann Fehleinschätzungen und das Unfallrisiko minimieren – nur so werden wir Bissverletzungen künftig einschränken können.“

Und zu den landesweit geltenden gesetzlichen Bestimmungen äußert sich Dr. Schmid abschließend: „Die Bestimmungen ähneln einem Fleckerlteppich. Von einer ,Kampfhunde‘-Liste in Vorarlberg bis zum Hundeführschein in Wien schwanken die gesetzlichen Anforderungen an die Sachkunde des Hundehalters von 0 bis 10 Ausbildungsstunden und von freiwillig bis verpflichtend. Die Kriterien und Regelungen der Bundesländer sind dabei so unterschiedlich, dass sie kaum verglichen werden können – eine Vereinheitlichung wäre wünschenswert,“ so Dr. Schmid.

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