Bereit für die OP? Präoperative Patientendekontamination reduziert das Risiko postoperativer Wundinfektionen

Wien (OTS) – Wundinfektionen nach Operationen sind trotz aller Fortschritte in der modernen Chirurgie immer noch gefürchtete Komplikationen und zählen zu den häufigsten im Krankenhaus erworbenen Infektionen. Gerade durch die zunehmende Resistenz der Erreger gegenüber Antibiotika können bisher als harmlos gesehene Infektionen mit herkömmlichen Medikamenten teilweise nicht mehr bekämpft werden. Anlässlich des Europäischen Antibiotikatags wurden im Rahmen einer Pressekonferenz mit Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH), DGKP HFK Gerlinde Angerler, BA, Leiterin des Teams Krankenhaushygiene im Orthopädischen Spital Speising und Vorstandsmitglied der ÖGKH und Univ.-Prof. Dr. Albert Tuchmann, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie (OEGCH), die Ergebnisse einer österreichweiten Umfrage unter Chirurginnen und Chirurgen zu deren Wissen, Einschätzungen und praktischen Erfahrungen zur präoperativen Patientendekontamination präsentiert.

Schätzungen zufolge sterben in Österreich pro Jahr rund 2.400 Menschen an sogenannten „Krankenhauskeimen“ – das sind gut fünf Mal so viele Tote wie im Straßenverkehr. Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH) und Studienautor Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian betonte die Tatsache, dass „postoperative Wundinfektionen zu den Top 3 Infektionen in österreichischen Gesundheitseinrichtungen gehören. Ein großer Anteil davon wird durch das Bakterium Staphylococcus aureus verursacht, welches viele Patienten symptomlos als Bestandteil der Hautflora auf sich tragen können. Durch die sogenannte Patientendekontamination eines solchen Trägers vor einer Operation kann das Risiko einer späteren Wundinfektion deutlich gesenkt werden.“

Ungeachtet der Tatsache, dass der Hygienestandard in Österreichs Krankenhäusern sehr hoch ist, können Patientinnen und Patienten zusätzlich zu den im Krankenhaus getroffenen Hygienevorkehrungen einen Beitrag leisten, um ihr persönliches Risiko einer postoperativen Wundinfektion nochmal zu senken. Im Orthopädischen Spital Speising habe man mit der präoperativen Patientendekontamination mittlerweile beinahe zehn Jahre Erfahrung gesammelt, unterstrich Gerlinde Angerler, BA, Leiterin des Teams Krankenhaushygiene im Orthopädischen Spital Speising und Studienautorin. „Wir beobachten, dass die Patientinnen und Patienten gerne ihren Beitrag zur Vermeidung von postoperativen Infektionen leisten und somit mithelfen.“ Gerlinde Angerler, BA, welche auch Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene ist, hob hervor, dass „eine österreichweite Umsetzung aus meiner Sicht jedoch nur erfolgen kann, wenn die Kosten dafür von der öffentlichen Hand getragen werden“.

Univ.-Prof. Dr. Albert Tuchmann, Chirurg und Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie wies darauf hin, dass „Infektionen beziehungsweise postoperative Wundinfektionen für Chirurgen nicht unbedingt `erstes Thema´ sind. Trotzdem sind sie von Relevanz, denn sie führen nicht nur zu Schmerzen und verlängertem Krankenhausaufenthalt, sondern auch zu Invalidität, Funktionseinschränkung und sogar zum Tod, andererseits zur finanziellen Belastung des Gesundheitssystems.“ Aus Sicht des Chirurgen können eine atraumatische Operationstechnik, die Verringerung des Zugangstraumas durch minimal-invasive Operationen sowie präoperative Antibiotikaprophylaxe zur Vermeidung von Wundinfektionen beitragen. „Die präoperative Hygiene, also Dekontamination von `natürlichen´ Keimen der patienteneigenen Hautflora ist ein neuer Aspekt, der die Ergebnisse hinsichtlich Wundinfektion noch weiter optimieren wird. Neben der medizinischen Seite spielt dabei die finanzielle eine gewichtige Rolle“, betonte Univ.-Prof. Tuchmann.

In den letzten Jahren sei in Österreich enorm viel zur Verbesserung der Krankenhaushygiene erfolgt, wie etwa ein bundesweiter „Qualitätsstandard zur Organisation und Strategie der Krankenhaushygiene“ empfohlen und eine „Rahmenrichtlinie zur systematischen Erfassung von Krankenhauskeimen“ erlassen worden, so Dr. Gerald Bachinger, Patienten- und Pflegeanwalt Niederösterreichs und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Patientenanwälte Österreichs. „Trotz dieser Verbesserungen wird das Problem der nosokomialen Infektionen aber weiter zunehmen und kann schon bald zum größten Qualitätskiller im Krankenhausalltag werden. Alle ergänzenden, evidenzbasierten Maßnahmen zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen und postoperativen Infektionen, wie etwa die Innovation der Patientendekontamination, sind im Interesse der Patienten und der bestmöglichen Qualität sehr zu begrüßen und die erforderlichen finanziellen Ressourcen sind bereit zu stellen“, hob Dr. Bachinger hervor.

Der Präsident der ÖGKH, Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian, erhob abschließend die Forderung, dass es einen vereinfachten Zugriff auf infektionsepidemiologisch relevante Messdaten des Gesundheitssystems geben müsse. Zudem sei es wichtig, „die Rolle von Hygienefachkräften zu stärken und die Empfehlungen von ProHyg 2.0 – ein Projekt des Gesundheitsministeriums zur Organisation und Strategie der Krankenhaushygiene – strukturell umzusetzen, damit Surveillancedaten erhoben und präventive Maßnahmen gesetzt werden können“. Ausgehend davon, dass durch eine Patientendekontamination vor einer Operation das Risiko einer späteren Wundinfektion deutlich gesenkt werden kann und diese Maßnahme innerhalb des Gesundheitssystems sicherlich kosteneffizient ist, „fordert die Österreichische Gesellschaft für Krankenhaushygiene auch die Übernahme von Kosten für präventive Maßnahmen durch Krankenversicherungen“, so Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian.

Studie „A survey on current knowledge, practice and beliefs related to preoperative antimicrobial decolonization regimens for prevention of surgical site infections among Austrian surgeons“ (publiziert 2018)

Die Umfrage wurde zwischen Jänner und April 2017 mittels eines anonymen quantitativen Fragebogens durchgeführt, bei der alle österreichischen Krankenhäuser mit einer der folgenden chirurgischen Abteilungen teilnehmen konnten: Allgemeinchirurgie, Orthopädie, Herzchirurgie, Plastische Chirurgie bzw. Gynäkologie. 158 Chirurginnen und Chirurgen haben den Online-Fragebogen vollständig ausgefüllt.

Zentrale Ergebnisse:

Zwei Drittel der Teilnehmer (103 von 158 Befragten) gaben an, dass sie zumindest eine Art der präoperativen Dekolonisation in ihrer Abteilung bereits implementieren.

51 Prozent der befragten Chirurginnen und Chirurgen denken, dass sie über Details betreffend präoperative Dekolonisationsregime ausreichend informiert sind.

Auch für Mediziner gilt: Weiterbildung ist wichtig! 78 Prozent der Ärzte, die sich als ausreichend informiert bezeichnen gaben an, dass sie von der präoperativen Dekolonisationsmaßnahme überzeugt sind.

92 Prozent der Befragten, deren Einrichtung die Dekontamination anbietet, gaben an, dass die Kosten dafür vom Spital übernommen werden, bei acht Prozent müssen die Kosten von den Patienten selbst getragen werden.

Die Ergebnisse geben erstmals einen Überblick über den Status quo von präoperativen Dekontaminationsmaßnahmen vor chirurgischen Eingriffen in Österreich. Der volle Text der Studie ist abrufbar unter [https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30031167]
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30031167)

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