Wien (PK) – Die politische Lage in Nicaragua bereitet auch dem Menschenrechtsausschuss des Nationalrats Sorge. Im Zuge von Protesten gegen Änderungen im Sozialversicherungssystem sollen bereits 500 Personen getötet und zahllose Menschen verletzt worden sein. Zudem machen die Abgeordneten auf kolportierte Verhaftungen ohne Haftbefehl, Folter und Zensur der Medien aufmerksam. Diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletztungen sind ihrer Meinung nach nicht tolerierbar. Sie appellieren daher einhellig an die Regierung, aktiv zu werden und sich für eine Weiterführung des nationalen Friedensdialogs in Nicaragua stark zu machen. Darüber hinaus wendet sich der Menschenrechtsausschuss ausdrücklich gegen die Todesstrafe und die Hinrichtung vor allem von minderjährigen StraftäterInnen und ersucht die Regierung, sich stärker gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten, insbesondere Christen, einzusetzen.
Thema im Ausschuss waren außerdem Menschenrechtsverletzungen in Ägypten, Foltervorwürfe gegen die Türkei und die Rechte von Kindern in Österreich. Die Beratungen über entsprechende Anträge der Opposition wurden jedoch vertagt. Der Evaluierungsbericht einer unabhängigen Expertengruppe (GREVIO) über in Österreich gesetzte Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt gemäß der „Istanbul-Konvention“ soll im Gl eichbehandlungsausschuss beraten werden.
Fünf-Parteien-Antrag gegen Menschenrechtsverstöße in Nicaragua
Einig waren sich die Menschenrechts-Ausschussmitglieder betreffend die Menschenrechtsverstöße in Nicaragua. Alle fünf Parteien stimmten einem Antrag ( 401/A(E) ) zu, wonach die Bundesregierung ersucht werden soll, auf EU- und bilateraler Ebene gegen Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua aufzutreten und darauf hinzuwirken, dass der nationale Friedensdialog weitergeführt werde. Im Frühjahr beschloss die Regierung in Nicaragua, die Sozialbeiträge zu verteuern und die Pensionen zu verringern. „Das hat zu Demonstrationen geführt, gegen die die Regierung hart vorgegangen ist, und zwar über viele Wochen hindurch“, berichtete ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler im Ausschuss. Das Europäische Parlament habe „das Vorgehen der Polizei in Nicaragua und der gewalttätigen regierungstreuen Gruppen“ am 31. Mai 2018 verurteilt. Auch die Europäische Kommission habe am 2. Oktober 2018 ein klares Statement abgegeben. Kugler wies darauf hin, dass aus der Befreiungsbewegung der 1970er-Jahre eine Führerfamilie um Präsidenten Daniel Ortega und seine Frau, die Vizepräsidentin, hervorgegangen sei, die autoritär regiere und Posten für sich vereinnahme. Es müsse alles daran gesetzt werden, den Friedensdialog wiederherzustellen.
Hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua und deren Schwere herrschte Einhelligkeit im Ausschuss. Allerdings entzündete sich eine Diskussion daran, dass die Tagesordnungspunkte betreffend eine verlangte Prüfung einer Staatenbeschwerde gegen die Türkei und eine Aufforderung an die Bundesregierung, entschlossener gegen Menschenrechtsverletzungen in Ägypten vorzugehen, vertagt werden sollten. SPÖ-Abgeordneter Harald Troch hielt vor allem der ÖVP „selektive Wahrnehmung und Argumentation“ vor. Sein Fraktionskollege Robert Laimer betonte: Wenn polizeiliche und militärische Handlungen nicht zum Schutz der Menschen gesetzt werden, sondern sich gegen sie richten, dann müssen wir dagegen auftreten. Das muss aber für alle gelten.“ Josef Muchitsch (SPÖ) hielt den ÖVP-KollegInnen vor, sich in ihrer Argumentation „linienlos“ zu verhalten. ÖVP-Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner trat dem entgegen und wies darauf hin, dass es im Falle von Nicaragua vor allem darum gehe, den Friedensdialog weiterzuführen, und Kugler unterstrich, dass man Nicaragua nicht mit Ägypten in einen Topf werfen dürfe. Trotz der kontroversen Diskussion wurde der Antrag einstimmig angenommen.
NEOS fordern Prüfung einer EGMR-Staatenbeschwerde gegen die Türkei
Anders verhielt es sich bei einem Antrag, den die NEOS eingebracht hatten. Sie führten Berichte des UN-Sonderberichterstatters über Folter sowie Menschenrechtsorganisationen wie „Human Rights Watch“ über Folter und unmenschliche Behandlung in der Türkei ins Treffen und wollten die Regierung auffordern zu überprüfen, ob eine Staatenbeschwerde gemäß Artikel 33 der Europäischen Menschenrechtskonvention beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen die Türkei ( 180/A(E) ) für sinnvoll erachtet werde. „In der Türkei werden den Berichten zufolge unabhängige Journalisten eingesperrt, Druck wird auf Staatsanwälte und Richter ausgeübt und sogar die Folter wird infrage gestellt“, berichtete NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak. Angesichts dessen sollte die Regierung die Möglichkeit einer Staatenbeschwerde überprüfen. „Das ist ein Schritt, der nicht alltäglich ist, daher verlangen wir nur eine Überprüfung“. Die Türkei habe sich in den letzten Jahren so weit von einer Demokratie europäischer Prägung entfernt, dass es „nicht mehr tragbar“ sei, begründete Scherak sein Anliegen.
Petra Wagner (FPÖ) sagte, sie halte es „nicht zielführend, eines der schärfsten Mittel“ gegen die Türkei einzusetzen. Sie forderte hingegen andere, gelindere Mittel anzuwenden und stellte den Antrag, den Tagesordnungspunkt zu vertagen. Scherak zeigte sich darüber verwundert, wo doch die FPÖ sonst immer für „schärfste Mittel“ eintrete. FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst betonte, die Staatenbeschwerde sollte ausschließlich bei großen Konflikten angewendet werden. Im Fall der Türkei würde sie lediglich die Gesprächsbasis mit diesem Land zerstören. Fürsts Parteikollege Harald Stefan sagte, allein der Beschluss, die Überprüfung der Beschwerde einzuleiten, stelle einen „unfreundlichen Akt“ dar. Er würde die Arbeit der Außenministerin erheblich behindern. ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler warnte vor einem Alleingang Österreichs. „Wenn wir uns zu einem solchen Schritt entschieden, müssten wir zu allererst mehrere Staaten auf unsere Seite holen. Tun wir das nicht, liegt die Beweislast allein bei uns.“ Dem Antrag der Abgeordneten Wagner auf Vertagung wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ stattgegeben.
Menschenrechtssituation in Ägypten
Ebenfalls mit den Stimmen der Regierungsparteien wurde ein Antrag vertagt, auf Basis dessen die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und die Außenministerin, aufgefordert werden sollten, schärfer gegen Menschenrechtsverletzungen in Ägypten aufzutreten und bei Unterredungen mit hochrangigen Politikern Ägyptens Menschenrechtsfragen anzusprechen und auf eine grundlegende Verbesserung der Menschenrechtssituation in diesem Land zu drängen.
„Seit der Machtübernahme durch Abdel Fattah Al-Sisi hat sich in Ägypten die Menschenrechtsituation verschlechtert“, berief sich SPÖ-Abgeordneter Harald Troch auf Informationen der Menschenrechtsorganisation „Ägyptische Kommission für Rechte und Freiheiten“. Menschen würden „einfach verschwinden“, grob missachtet würden Rechte von Frauen und LGTBI-Personen (Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transsexuelle und Transgender-Personen) sowie die Religions-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit ( 390/A(E) ). Sexuelle Handlungen zwischen Gleichgeschlechtlichen werden als „Sexuelle Ausschweifung“ strafrechtlich verfolgt und sind mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht. Für die Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen drohen ebenfalls bis zu fünf Jahren Haft. Mit Stand Mitte März waren in Ägypten 29 JournalistInnen und BloggerInnen in Gefängnissen. Angehörigen der christlichen Minderheit sind Übergriffen ausgesetzt, gegen die die Behörden nicht entsprechend vorgehen.
„Amnesty International“ und die deutsche „Heinrich-Böll-Stiftung“ zeigten Menschenrechtsverstöße in Ägypten auf. Auch ägyptische Nicht-Regierungsorganisationen prangern Menschenrechtsverletzungen an. Demnach seien im ägyptischen Recht mehr als 100 Delikte, bei deren Begehung mit Todesstrafe gedroht wird. „Laut einem Bericht des ‚ADALAH-Zentrums für Recht und Freiheit‘ sind 2017 in Ägypten 340 Menschen zum Tod verurteilt worden, 71 davon waren Zivilpersonen und sind von Militärgerichten verurteilt worden, mindestens 29 Menschen sind hingerichtet worden“, beklagte Troch. ÖVP-Abgeordnete Claudia Plakolm riet dazu, zwei Termine abzuwarten: den EU-Afrika-Gipfel am 18. Dezember 2018, den Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Präsident von Ruanda, Paul Kagame, angesetzt haben und ein Treffen zwischen VertreterInnen der EU und der Arabischen Liga.
Die SPÖ-Abgeordneten Harald Troch und Josef Muchitsch sprachen sich vehement dagegen aus, abzuwarten. „Wir können nicht abwarten und zuschauen, wir müssen die Regierung auffordern, nicht wegzuschauen“, unterstrich Troch. ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler betonte, die Regierung sei keineswegs untätig und brauche nicht in jedem Fall eine solche Aufforderung zum Handeln. Zudem habe man einen Tagesordnungspunkt zuvor einstimmig beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, gegen die Todesstrafe aufzutreten – „und das gilt für alle Länder dieser Welt“, unterstrich Kugler.
Abgeordnete drängen weiter auf Abschaffung der Todesstrafe
Einhellige Unterstützung im Ausschuss hatte nämlich eine Initiative der Koalitionsparteien ( 248/A(E) ) erhalten, mit der die Regierung ersucht werden soll, auf bi- und multilateraler Ebene weiterhin für die generelle, weltweite Abschaffung der Todesstrafe einzutreten und sich für faire Gerichtsverfahren, die Umwandlung von Todesstrafen in Freiheitsstrafen sowie die Einhaltung des Hinrichtungsverbots von Minderjährigen einzusetzen.
Alarmiert worden waren die Abgeordneten unter anderem durch einen Bericht der Vereinten Nationen über Hinrichtungen von Menschen im Iran, die zum Zeitpunkt ihrer Tat minderjährig waren. Im Jänner 2018 waren demnach im Iran drei Menschen hingerichtet worden, die mit 15 bzw. 16 Jahren einen Mord begangen haben sollen. Darüber hinaus sollen 80 Jugendliche im Iran in Todeszellen sitzen. „Auch im Südsudan sind laut ‚Amnesty International‘ im Jahr 2017 zwei junge Menschen hingerichtet worden, die als Jugendliche straffällig geworden sind“, ergänzte Kira Grünberg (ÖVP). Auch Nikolaus Scherak (NEOS) unterstützte die Forderung, der „Todesstrafe eine klare Absage zu erteilen“. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Mehr Einsatz für verfolgte Christen
Ein weiteres Anliegen des Menschenrechtsausschuss ist der Einsatz der Regierung gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten, insbesondere von Christen. Diesen zuletzt genannten Zusatz befanden jedoch nicht alle Abgeordneten im Ausschuss für gut. Christliche Minderheiten seien auf globaler Ebene besonders von religiöser Verfolgung betroffen, machen die Abgeordneten der ÖVP und FPÖ in der Initiative aufmerksam. Weltweit würden 200 Millionen Christen wegen ihres Glaubens verfolgt. „Das Problem besteht vor allem in islamisch geprägten Ländern im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika generell“, sagte Susanne Fürst (FPÖ). ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler verwies auf die Aussagen des UN-Sonderberichterstatters für Religionsfreiheit, wonach in den letzten Jahren das Problem der Verfolgung von Menschen wegen ihrer Religion insgesamt zunehme und die Verfolgung von Christen insbesondere. Sie erinnerte daran, dass der Ausschuss noch im Juni 2017 das Vorgehen des „Islamischen Staats“ (IS) gegen Christen, Jesiden und Angehörige anderer Religionen als „Völkermord“ verurteilt habe. Alfred Noll (PILZ) erinnerte an die Aussage der Außenministerin zuvor im Ausschuss bei der Aussprache über aktuelle Fragen: „Sie hat gesagt, Menschenrechte dürfen nicht konfessionalisiert werden. Dem kann ich mich nur anschließen.“ Noll stellte einen Antrag auf Vertagung des Themas, um ihn dahingehend zu überprüfen. SPÖ-Abgeordnete Birgit Silvia Sandler sprach sich zwar gegen den Zusatz einer Unterstreichung der Christen als Verfolgte aus, sagte aber, sie werde dennoch dem Antrag ihre Zustimmung erteilen.
Der Antrag Nolls auf Vertagung wurde mit Ausnahme seiner Stimme abgelehnt. Der ÖVP-FPÖ-Entschließungsantrag ( 403/A(E) ), wurde letztlich ebenfalls mehrheitlich angenommen.
Rechte von Kindern gegenüber dem Staat stärken
Vom Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ vertagt wurde eine Initiative der NEOS ( 72/A(E) ), die darauf abzielte, die Rechte von Kindern in Österreich gegenüber dem Staat zu stärken. Konkret ging es Abgeordnetem Nikolaus Scherak um die Ratifizierung eines Fakultativprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention, das bereits 2012 von Österreich unterzeichnet worden ist. Dieses würde Individualbeschwerden bei Verletzungen dieser Konvention ermöglichen. Nach Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs könnten Betroffene entsprechende Verstöße eines Staates bei einem unabhängigen UN-Ausschuss vorbringen. Ohne die Durchsetzbarkeit dieses Rechts sei das Fakultativprotokoll nur halb so viel wert. ÖVP-Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli wies darauf hin, dass bisher nur wenige Fälle von den Möglichkeiten des Fakultativprotokolls umfasst gewesen seien. Erst in letzter Zeit habe es Fälle unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge betroffen. Derzeit werde das aber eingehend evaluiert. Den Evaluierungsbericht sollte man abwarten, meinte Jeitler-Cincelli und stellte einen Antrag auf Vertagung. SPÖ-Abgeordneter Andreas Kollross betonte, es habe lange genug gedauert, bis das Fakultativprotokoll unterschrieben worden sei. Die Ratifizierung sei eine notwendige Weiterentwicklung. Dennoch wurde der Antrag Jeitler-Cincellis auf Vertagung mit Stimmen der ÖVP und der FPÖ angenommen.
Prüfbericht zu „Gewalt gegen Frauen in Österreich“
Einigkeit herrschte im Menschenrechtsausschuss wiederum beim letzten Punkt der Tagesordnung, die Diskussion eines Evaluierungsbericht s der „Istanbul-Konvention“ über Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend. Auf Antrag der ÖVP-Abgeordneten Maria Smodics-Neumann wurde einstimmig beschlossen, den Bericht nicht im Menschenrechtsausschuss endzuerledigen, sondern den Präsidenten des Nationalrats zu ersuchen, diesen dem Gleichbehandlungsausschuss zuzuweisen. (Schluss) gb
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