Armutskonferenz: 81.334 Kinder in der Mindestsicherung

Wien (OTS) – „81.334 Kinder leben in Familien mit Mindestsicherung, das sind 35% aller Bezieher“, zitiert die Armutskonferenz die heute veröffentlichten Daten aus 2017 der Statistik Austria. Die starke Benachteiligung der Kinder wird deutlich sichtbar mit allen negativen Auswirkungen auf Zukunftschancen, Bildung und Gesundheit. „Uns Ziel muss sein, Existenz und Chancen zu sichern, nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben“, so das Netzwerk aus allen Sozialeinrichtungen, Selbsthilfegruppen und Hilfsorganisationen Österreichs.

Link: Kinder in der Mindestsicherung:
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Insgesamt muss man sehen, dass die Beziehenzahlen nicht erst seit 2015 und auch nicht erst seit Einführung der Mindestsicherung im Jahr 2010 angestiegen sind. Bereits in der alten Sozialhilfe seit Mitte der 2000er Jahre haben sich die Betroffenenzahlen stark erhöht (1999:
71000, 2007: 152000, 2011: 193000, 2014: 256000). Gründe dafür sind prekäre Jobs, nicht-existenzsichernde Notstandshilfeleistungen, Arbeitslosigkeit, psychische Erkrankungen und hohe Lebenshaltungskosten beim Wohnen. Prekäre Jobs mit daraus folgendem nicht existenzsichernden Arbeitslosengeld nehmen zu. Die neuen „working poor“ erhalten von der Mindestsicherung „Richtsatzergänzungen“, um zu überleben. Weiters haben Personen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen am Arbeitsmarkt schlechte Chancen. Besonders nehmen depressive Erschöpfungszustände zu. Und die steigenden Lebenshaltungskosten beim Wohnen wirken sich bei geringem Einkommen überproportional stark aus.

Aufgrund der guten Konjunktur ist die Tendenz rückläufig:
Burgenland (-2,0%), Niederösterreich (-5,8%), Salzburg (-5,4%) und Steiermark (-3,2%) verzeichneten Rückgange, Kärnten (+5,0%), Oberösterreich (+0,2%), Tirol (+5,7%), Vorarlberg (+4,2%) und Wien (+1,2%) Zuwächse. Für 2018 ist ein weiterer Rückgang zu erwarten.

Soziale Risken in Städte „exportiert“

Ein Großteil der BezieherInnen befindet sich in Städten. Die sozialen Risiken werden in die Städte exportiert. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn man die Verteilung der Mindestsicherungsbezieher betrachtet. Die Inanspruchnahme von bedarfsgeprüften Sozialleistungen ist in Großstädten in ganz Europa um ein vielfaches höher: Weil eine große Zahl Einkommensarmer aus Scham vom Land in die anonymere Stadt zieht, weil der Anteil der BesitzerInnen eines Eigenheims unter den Einkommensarmen in Städten deutlich niedriger ist als am Land, weil Informations- und Hilfsstellen dichter vorhanden sind und weil manche Sozialämter einen besonders schikanösen und bürgerunfreundlichen Vollzug aufweisen. Dass in den Städten die Inanspruchnahme höher ist, ist also nicht überraschend.

71% erhielten Ergänzung oder Aufstockung

Bei den Personen mit Einkünften waren jene mit Arbeitslosenleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) die größte Gruppe (43%), Einkommen aus Erwerbs-tätigkeit bezogen 16%. Diese Gruppe hat also Arbeit, die Entlohnung ist aber so gering, dass damit das Auskommen der Person bzw der Familie nicht gesichert werden kann. Bedarfsgemeinschaften, in denen keine Person ein anrechenbares Einkommen hatte und die daher im Vollbezug einer Mindestsicherungsleistung standen, waren im Jahresdurchschnitt 2017 insgesamt deutlich in der Minderzahl (29%); der Großteil (71%) erhielt eine Ergänzung bzw. Aufstockung (Teilbezug) zu vorhandenem Einkommen.

Durchschnittliche Leistung 606 Euro

Die monatliche Leistungshöhe pro Bedarfsgemeinschaft lag im Jahresdurchschnitt 2017 bei 606 Euro. In Vorarlberg (838 Euro) und Tirol (715 Euro) war die Unterstützung für Lebensunterhalt und Wohnen am höchsten.

Chancentod, desolate Wohnungen und Krankheit

Die Studie der Statistik Austria basierend auf EU SILC, die bereits im Juni 2018 veröffentlicht wurde, gibt zusammen mit den heute veröffentlichten Daten ein realistisches Bild über die Lebensbedingungen von Menschen in Mindestsicherung. Sehr hohe Raten zeigen sich bei gesundheitlichen Einschränkungen, chronischer Krankheit und Behinderung. Doppelt so viele in Mindestsicherung sind chronisch krank, viermal so hoch die Zahl der Behinderten, dreimal so hoch Menschen mit Pflegegeldbezug. Starke negative Effekte werden bei der Wohnsituation sichtbar. Viele können ihre Wohnung nicht im Winter heizen, müssen unter desolaten Wohnbedingungen leben (doppelt so oft von feuchter Wohnung betroffen, fünfmal öfter Überbelag, dreimal öfter dunkle Räume). Massiv sind die Auswirkungen auf Gesundheit, Chancen und Teilhabe bei Kindern. Die Gefahr des sozialen Ausschlusses bei Kinder zeigt sich in den geringeren Möglichkeiten Freunde einzuladen (10mal weniger als andere Kinder), Feste zu feiern und an kostenpflichtigen Schulaktivitäten teilzunehmen (20mal weniger).

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