TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 5. September 2018 von Michael Sprenger – Der beschädigte Rechtsstaat

Innsbruck (OTS) – Die Vorkommnisse rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz haben alle Zutaten einer Staatsaffäre. Hier einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, ist notwendig und wichtig, selbst wenn am Ende noch offene Fragen bleiben.

Schon wieder ein Untersuchungsausschuss! Das kennen wir doch zur Genüge aus den vergangenen Jahren. Auch dieser wird ausgehen wie das Hornberger Schießen. Kann schon sein, dass Kritiker dieser Form der parlamentarischen Aufklärungsarbeit im Nachhinein Recht bekommen – und die politische Verantwortung der Vorgänge rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht (oder nicht restlos) aufgeklärt werden kann.
Das muss aber zum jetzigen Zeitpunkt egal sein. Wäre nämlich aufgrund der Vorgänge beim Verfassungsschutz kein Untersuchungsausschuss eingerichtet worden, dann hätten die Parlamentarier die Beschädigung des Rechtsstaates – und damit in Folge der Demokratie – schulterzuckend zur Kenntnis genommen.
Die Causa BVT hat alle Zutaten einer Staatsaffäre und sorgt deshalb für eine schwere Erschütterung des Vertrauens in die so wichtigen Institutionen Justiz und Polizei. Nur zur Erinnerung: Am 28. Februar gab es eine – von der Spitze des mittlerweile FPÖ-geführten Innenministeriums initiierte – Großrazzia beim Staatsschutz. Durchgeführt von einer hierfür nicht zuständigen Polizeieinheit, die aber wohl nicht zufällig unter dem Kommando eines FPÖ-Politikers steht. Höchst sensible Daten wurden beschlagnahmt. Justizminister Josef Moser (ÖVP) war über die Vorgänge nicht informiert, versuchte sie anfangs aber als rechtmäßig darzustellen. Erst Monate später, nachdem das Oberlandesgericht die Hausdurchsuchung als zum Teil rechtswidrig eingestuft hatte, warf er dem Innenministerium vor, auf die Staatsanwaltschaft einen „Ermittlungsdruck“ ausgeübt zu haben. Eine Aussage, die wiederum Innenminister Herbert Kickl als „absurd“ zurückwies, weil er, Kickl, sich schließlich an nichts anderes als an die Strafprozessordnung gehalten habe.
Die Gründe für die Hausdurchsuchungen sind weiterhin nebulös, nähren jedoch den Verdacht der Korruption durch ein von ÖVP-Innenministern geduldetes schwarzes Netzwerk, welches im BVT schalten und walten konnte, wie es wollte.
Die Hausdurchsuchungen ebenso wie die Machenschaften im BVT sind Untersuchungsgegenstand des U-Ausschusses – und schreien geradezu laut nach Aufklärung. Wir wollen glauben, dass die Parlamentarier den U-Ausschuss nicht als Showbühne benützen, nicht dort Nebelgranaten zünden, sondern ihren Beitrag leisten, damit der schon angerichtete Kollateralschaden behoben werden kann.

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