Wien (OTS) – Ameisen und Menschen weisen auf der Ebene der Gene und Proteine große Gemeinsamkeiten auf: Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass auch Ameisen die genetischen Grundlagen eines Hormonsystems besitzen, basierend auf den Neuropeptiden Oxytocin und Vasopressin, die beim Menschen vor allem für den Aufbau sozialer Bindungen und zur Regulierung des Wasserhaushalts beitragen. Nun konnte ein österreichisches Forscherteam unter der Leitung von Christian Gruber vom Institut für Pharmakologie der MedUni Wien erstmals die Funktion dieses Signalsystems in Ameisen aufklären und zeigen, dass das Oxytocin-Vasopressin-Hormonsystem bei Ameisen die Futtersuche, die Bewegungsaktivität und den Metabolismus reguliert.
Das zentrale Ergebnis der Studie, die nun im renommierten FASEB Journal publiziert wurde: Wenn die ForscherInnen die Ausschüttung des Oxytocin-ähnlichen Neuropeptids Inotocin und dessen Signalübertragung „ausschalteten“, wurden die Ameisen aktiver, zeigten eine höhere Laufaktivität und gingen vermehrt auf Futtersuche. Gleichzeitig wurden bestimmte Gene im Stoffwechsel-Prozess beeinflusst. Im Umkehrschluss könnte man folgern, dass bei einer erhöhten Oxytocin-Zufuhr, die Aktivität und Futtersuche der Ameisen abnimmt. „Diese Annahme hat sich bei Versuchen mit Säugetieren bestätigt:
Mäuse und Ratten, welche einen Oxytocin-Wirkstoff erhielten, zeigten langfristig einen Gewichtsverlust“, berichtet Gruber. „Dass Oxytocin als ‚Kalorienzügler‘ auch beim Menschen wirkt, wurde vor kurzem bekannt – aber jetzt kennen wir womöglich auch die evolutive Funktion dieses Hormonsystems und können den genauen Mechanismus dahinter entschlüsseln.“
600 Millionen Jahre Evolution nutzbar machen
Und das Faszinierende: Es basiert auf einem Hormonsystem und dessen Oxytocin-Vasopressin-Signalsystems, das sich seit etwa 600 Millionen Jahren nicht verändert hat. Die Vorteile dieser evolutionären Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Insekten – Oxytocin- und Vasopressin-ähnliche Neuropeptide und ihre verwandten Rezeptoren sind unter den vielen tausenden Insekten-Arten weit verbreitet – könnten nun biomedizinisch genutzt werden. „Wir konnten in der langen Evolutionsgeschichte damit zum ersten Mal im Detail die Biochemie eines Oxytocin-Vasopressin-ähnlichen Hormonsystems in Ameisen entschlüsseln. Es ist ein kleiner Durchbruch für die Biologie, und obgleich es im ersten Moment nicht so scheint, kann man aus diesen Erkenntnissen der Grundlagenforschung womöglich in Zukunft einiges für die biomedizinische Forschung lernen“, erklärt Gruber.
Das könnte in diesem Fall zur Entwicklung neuartiger Wirkstoffe gegen Übergewicht führen. Bekannt ist jedenfalls, dass Oxytocin bei Männern durch seine Wirkung auf den Hypothalamus die Nahrungspräferenz beeinflusst und gleichzeitig den Fettverbrauch ankurbelt. Eine optimale Anwendung gibt es aber derzeit noch nicht. Zudem muss geklärt werden ob diese Wirkung geschlechterspezifisch ist, und ob sich Oxytocin generell zur langfristigen Gewichtsreduktion eigne.
Die Studie wurde in Zusammenarbeit von MedUni Wien, IST (Institute of Science and Technology Austria), Universität Wien und Ludwig-Boltzmann Institut für Krebsforschung durchgeführt und wird im Rahmen des Projekts LS13-017 des WWTF (Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds), geleitet von Christian Gruber (MedUni Wien) und Co-PI Sylvia Cremer (IST Austria), gefördert.
Service: FASEB Journal
Oxytocin-like signaling in ants influences metabolic gene expression and locomotor activity.“ Zita Liutkevičiūtė, Esther Gil-Mansilla, Thomas Eder, Barbara Casillas-Pérez, Maria Giulia Di Giglio, Edin Muratspahic, Florian Grebien, Thomas Rattei, Markus Muttenthaler, Sylvia Cremer and Christian W. Gruber. doi:
10.1096/fj.201800443.
Link: [https://www.fasebj.org/doi/10.1096/fj.201800443]
(https://www.fasebj.org/doi/10.1096/fj.201800443).
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