Knackpunkt EU-Budget

Wien (PK) – Als größter Profiteur der Europäischen Union sei Deutschland bereit, für ein besseres Europa mehr Geld in das EU-Budget zu investieren. Das erklärte Michael Roth, EU-Staatsminister der deutschen Bundesregierung, heute bei seinem Arbeitsgespräch mit Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und FPÖ. „Die Zukunft Europas“ war das Thema der Unterredung am Tag nach der Vorstellung des Kommissionsvorschlags für den kommenden mehrjährigen Finanzrahmen der Union. Von den österreichischen Regierungsfraktionen kam dabei der Aufruf an Brüssel, anstatt von Mehrbelastungen für die Mitgliedstaaten Einsparungspotentiale im eigenen Verwaltungssystem anzudenken. Die SPÖ wiederum vermisst von der heimischen Regierung konkrete Vorschläge, wie die EU nach dem Ausscheiden Großbritanniens mit weniger Mitteln bestehende und neue Aufgaben finanzieren soll.

Mit dem EU-Finanzrahmen ab 2021 kamen auch drängende Fragen wie der Außengrenzschutz, die laufenden Brexit-Verhandlungen und Auswirkungen verstärkter Subsidiarität in Europa zur Sprache. Einig zeigten sich die österreichischen Abgeordneten und ihr deutscher Gast, Spaltungstendenzen innerhalb der Union gelte es zu überwinden und der Bevölkerung das Vertrauen in die EU zurückzugeben.

Mehrausgaben mit weniger Budget

„Mehrausgaben sind kein Selbstzweck“. Mit diesen Worten umriss Staatsminister Roth die Prioritäten der Europäischen Union. Die Sicherstellung des sozialen Zusammenhalts und eines guten Lebensstandards für die BürgerInnen, der Ausgleich wirtschaftlicher Ungleichheiten, der Außengrenzschutz und die Stabilisierung der EU-Nachbarländer sowie der Klimaschutz müssten finanziert werden. 73% des EU-Haushalts flössen jedoch in die Agrar- bzw. Struktur- und Kohäsionspolitik. Angesichts des Erstarkens vieler ehemals strukturschwacher Regionen in der EU sieht Roth in diesem Bereich Sparpotential. Immerhin habe die EU nach dem Ausscheiden des Nettozahlerlandes Vereinigtes Königreich jährlich 10 bis 13 Mrd. € weniger zur Verfügung.

Deutlich gegen eine Aufstockung des EU-Haushalts durch verbleibende EU-Nettozahler wandte sich Martin Engelberg (ÖVP). Die Europäische Union habe „mit dem Geld auszukommen, das vorhanden ist“. Österreichs Regierung verdanke ihren Wahlerfolg nicht zuletzt dem Versprechen, für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen und Steuern zu senken; von der EU erwarte man dies gleichermaßen, so Engelberg. „Jeder Euro für ein gemeinsames Europa muss sparsam eingesetzt werden“, bekräftigte Markus Tschank (FPÖ). Weniger, aber effizienter solle die EU agieren, nannte er die Stärkung der Subsidiarität als sein präferiertes Modell einer Union des 21. Jahrhunderts. Durch die Rückführung regional besser lösbarer Angelegenheiten in den staatlichen bzw. regionalen Verantwortungsbereich würde die EU auch wieder an Popularität gewinnen. Hinsichtlich Kohäsionspolitik sind für ihn bei einer Konzentration auf weniger entwickelte Regionen Abstriche in strukturell gestärkten Gebieten vorstellbar.

EU muss Vertrauen zurückgewinnen

Obwohl sich auch Jörg Leichtfried (SPÖ) gegen höhere finanzielle Belastungen für Österreich aussprach, kritisierte er, „die Regierung sagt nicht, wo im System EU zu sparen ist“. Der Unionshaushalt sei nicht einfach mit jenem eines Nationalstaats gleichzusetzen, denn falls die Mitgliedstaaten ihre Einzahlungen senken, gebe es weniger EU-Mittel zu verteilen. Dabei würde die EU künftig mehr Ausgaben leisten müssen, etwa für den gemeinsamen Grenzschutz. Von einer vermehrten Subsidiarität erwartet Leichtfried nicht nur Vorteile. Vielfach besteht seiner Meinung nach die Gefahr, dass das System schwerfälliger wird, wenn unterschiedliche Vorgaben im Binnenmarkt bestehen. Zur Vertrauenshebung in der Bevölkerung brauche die Union vielmehr einen funktionierenden Arbeitnehmerschutz, sodass über das EU-Grundrecht der Freizügigkeit nicht länger Lohn-Dumping betrieben werden kann, sagte er. Als Gesprächsleiter begrüßte Leichtfried die Gelegenheit zur Diskussion mit EU-Staatsminister Roth angesichts der aktuellen Lage der EU: „Der Geist dieser Union ist ein anderer geworden, nationale Interessen werden in den Vordergrund gerückt“.

Im Sinne der europäischen Solidarität müssten globale Herausforderungen wie das Flüchtlingsproblem von den EU-Mitgliedern gemeinsam gelöst werden, sprach sich auch Roth für mehr Austausch und Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten aus. Speziell zur Migrationskrise erinnerte er an die politische Willenserklärung, eine faire Lastenverteilung bei der Aufnahme der Geflüchteten in der EU zu erzielen. FPÖ-Abgeordnete Jessi Lintl richtete den Blick über die EU-Grenzen hinaus und propagierte eine engere Zusammenarbeit mit der in den 1980er Jahren gegründeten Zentraleuropäischen Initiative, an der auch Nicht-EU-Mitglieder wie Weißrussland beteiligt sind.

Die politischen Überlegungen zur „Zukunft Europas“ starteten offiziell 2017, auf Grundlage eines Weißbuchs der Europäischen Kommission. Skizziert werden darin fünf verschiedene Entwicklungsszenarien der Europäischen Union, vom Festhalten am Status quo bis hin zu mehr Zusammenarbeit auf europäischer Ebene mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. (Schluss) rei

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