Hamburg/Berlin (ots) – Eine rein erneuerbare Stromerzeugung kann bei gleicher Versorgungssicherheit günstiger sein als derzeit geplante Atomkraftwerke in mehreren osteuropäischen EU-Staaten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Berliner Analyseinstituts Energy Brainpool im Auftrag des Ökoenergieanbieters Greenpeace Energy. So können die Kosten für flexibel steuerbare Erneuerbaren-Systeme auf bis zu 100 Euro pro Megawattstunde sinken. Aktuelle AKW-Projekte kosten hingegen bis zu 126 Euro pro Megawattstunde. „Der finanzielle Vorsprung der Erneuerbaren wird noch größer, wenn man zusätzliche Kosten für AKW-Störfalle und die noch nicht eingepreiste Lagerung von Atommüll berücksichtigt“, sagt Nils Müller, Vorstand bei Greenpeace Energy.
Polen, Ungarn, die Slowakei und Tschechien planen derzeit den Bau von Atomkraftwerken – Ungarn zum Beispiel mit russischer Reaktortechnik. Sie argumentieren dabei unter anderem mit der Versorgungssicherheit. Die AKW-Projekte in Osteuropa hätten zusammen eine Nettoleistung von 15,6 Gigawatt, was der Leistung aller zwischen 2011 und 2022 abgeschalteten deutschen Atomkraftwerke entspricht. Die neue Studie von Energy Brainpool vergleicht erstmals die Kosten der osteuropäischen AKW-Projekte mit denen eines verlässlich steuerbaren Erneuerbaren-Kraftwerksystems. Dieses besteht aus Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen, deren Stromüberschüsse per Elektrolyse in erneuerbaren Wasserstoff umgewandelt werden. Dieses „Windgas“ dient als Speichermedium und kann bei Bedarf – etwa nachts oder bei längeren Windflauten – in teils eigens gebauten Gaskraftwerken wieder in Strom umgewandelt werden.
Ein solches flexibel einsetzbares Ökoenergie-Kraftwerkssystem kann selbst bei derzeit teuren Finanzierungsbedingungen mit geplanten Atomprojekten in Osteuropa konkurrieren: Die Stromgestehungskosten lägen für Polen bei 112 Euro und in Tschechien bei 119 Euro je Megawattstunde. „Arbeiten die vier Staaten zudem enger zusammen, indem sie das entstehende Elektrolysegas je nach Bedarf über das grenzüberschreitende Gasnetz verteilen und verbessern sie etwa über EU-Bürgschaften die derzeit schwierigen Finanzierungsbedingungen, so sinken die Kosten der Erneuerbaren sogar auf bis zu 100 Euro ab“, sagt Fabian Huneke, Studienautor bei Energy Brainpool.
Die Studie zeigt außerdem, dass die offiziell angenommenen Stromgestehungskosten für AKW-Projekte in Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn von derzeit bis zu 80 Euro je Megawattstunde offenbar zu niedrig angesetzt sind: „Die Planwerte beim Referenzprojekt Flamanville in Frankreich haben sich bisher mehr als verdoppelt, Hinkley Point C in Großbritannien erhält letztlich mit 119 Euro pro Megawattstunde eine staatlich garantierte Förderung deutlich über Marktpreisen“, so Analyst Huneke. „Warum gerade in den osteuropäischen Staaten Reaktorprojekte bei gleichem Sicherheitsstandard günstiger werden sollten als in Frankreich oder Großbritannien, ist nicht ersichtlich.“
Greenpeace Energy appelliert daher direkt an die Regierungen der vier Staaten, ihre Atompläne auf den Prüfstand zu stellen. „Der Jahrestag von Tschernobyl mahnt, dass Atomkraft ehrlich betrachtet nicht nur immense Kosten, sondern auch unbeherrschbare Risiken beinhaltet“, sagt Nils Müller: „Die Erneuerbaren sind nicht nur sicher, sondern bieten auch eine größere Energieunabhängigkeit, weil keine Brennstoffe importiert werden müssen.“ Zudem bleibe bei dezentralen erneuerbaren Systemen ein größerer Teil der Wertschöpfung im eigenen Land.
Die deutsche Bundesregierung steht nach Ansicht von Müller hier in der Pflicht: „Ein Atomunfall in einem der östlichen Nachbarstaaten hätte auch verheerende Auswirkungen bei uns, und seine wirtschaftlichen Folgen wären nur zu einem Bruchteil versichert“, warnt der Greenpeace-Energy-Vorstand. Nun müsse Berlin endlich aktiv gegen entsprechende Atompläne der Nachbarstaaten vorgehen und die dortigen Regierungen von sauberen und sicheren Alternativen überzeugen.
Redaktioneller Hinweis: Die Studie von Energy Brainpool steht in deutscher und englischer Fassung unter www.greenpeace-energy.de/presse.html zum Download bereit. Dort finden Sie auch weiteres Info- und Bildmaterial.
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