Bundesrat gegen Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkts

Wien (PK) – Der EU-Ausschuss des Bundesrats sprach sich heute dezidiert gegen die völlige Öffnung des nationalen Marktes im Bereich des grenzüberschreitenden Personenverkehrs aus. Damit kämen die heimischen Verkehrsunternehmer und die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben unter Druck, so die Sorge. Auch die Vorschläge der EU-Kommission zur Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge stieß auf wenig Gegenliebe, obwohl die Ziele zur CO2-Reduktion durchaus unterstützt werden. Die Vorgaben seien jedoch kaum machbar, man müsse den Ländern und Gemeinden einen realistischen Zeitraum und machbare Ziele setzen, sagte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (ÖVP/V). Michael Lindner (SPÖ/O) unterstrich seinerseits die Notwendigkeit, dass die EU bei der CO2-Reduktion eine Vorreiterrolle spielen sollte, seiner Meinung nach sollten aber die Investitionen in die Infrastruktur nicht in die Schulden eingerechnet werden. Der EU-Ausschuss schickte daher einstimmig zwei kritische Mitteilungen an die EU-Institutionen.

Die Vorschläge der EU-Kommission sind Teil eines Legislativpaketes, das auf die Reduktion der CO2-Emissionen abzielt und die Nutzung von elektrischen Straßenfahrzeugen fördern soll. Bereits in der Sitzung vom 4. April 2018 (siehe Meldung der Parlamentskorrespondenz Nr. 347/2018) äußerten die Ausschussmitglieder Bedenken zu den vorliegenden EU-Dokumenten. Auch liegen seitens der Länder gemeinsame kritische Stellungnahmen vor.

Bundesrat befürchtet zu hohe Kosten und hält die Vorgaben für überschießend

Mit der Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (Clean Vehicles Directive) will die EU bei öffentlichen Ausschreibungsverfahren der Nachfrage und der weiteren Verwirklichung sauberer Mobilitätslösungen verstärkt Impulse gegeben. Da die öffentliche Beschaffung als starker Nachfrageanreiz für die Industrie angesehen wird, sollen daher nun auch alle öffentlichen Auftraggeber – also Bund, Länder und Gemeinden – im Bereich der Vergaberichtlinien vom Anwendungsbereich der neuen Richtlinie erfasst werden. Neben dem Kauf wird gemäß dem Entwurf auch die Miete, das Leasing und der Ratenkauf von Straßenfahrzeugen erfasst. Ferner sollen bestimmte Erbringer öffentlicher Dienstleistungen -insbesondere der öffentliche Verkehr, aber etwa auch die Müllabfuhr etc. – den Verpflichtungen der Richtlinie unterliegen. Außerdem wird eine einheitliche Definition des Begriffs „sauberes Straßenfahrzeug“ für bestimmte Fahrzeugklassen vorgeschlagen.

Als Ziele der CO2-Reduktion für die Neubeschaffung nennt die EU-Kommission im Bereich der Pkw und Lkw (bis 3,5 t) 35% bis 2025; für Busse sind 50% bis 2025 und 75% bis 2030 vorgesehen, für schwere Lkw ab 2025 10% und ab 2030 15%.

Die österreichischen Bedenken betreffen nicht nur den Zeitplan und die Kosten, seitens des Infrastrukturministeriums wird auch kritisch festgehalten, dass die Richtlinie im Gegensatz zu anderen EU-Vorschriften nicht technologieneutral, sondern im Hinblick auf die Technologien sehr eng gefasst ist. Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) befürchtet, dass die verschiedenen Energieformen in den Städten dann oft nicht kompatibel sein könnten. Wie Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ/W) erfuhr, ist der Schiffsverkehr vom Entwurf nicht betroffen.

In seiner Mitteilung an die EU-Institutionen nennt der EU-Ausschuss die Ziele des Kommissionsvorschlags als überschießend. Zudem seien vor allem für Busse und schwere Lkw nur vereinzelt elektrische Modelle, bzw. lediglich Prototypen am Markt erhältlich, was die Erreichung der Vorgaben weiter erschweren würde. Außerdem seien die Anschaffungskosten zur Erreichung der vorgeschriebenen Quoten enorm und unverhältnismäßig. Die Bundesrätinnen und Bundesräte halten einen Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Ziele des Mobilitätspakets für unabdinglich. Kritik hagelte es zudem an den von der Kommission geplanten delegierten Rechtsakten, da damit relativ kurzfristige Änderungen der Rahmenbedingungen für die Beschaffungen zu befürchten sind.

Völlige Liberalisierung im Bereich der Kabotage im Linienverkehr wird strikt abgelehnt

Auf breite Ablehnung des Ausschusses stieß der Vorschlag der Kommission zu einer Verordnung über den grenzüberschreitenden Personenkraftverkehr, mit der die Entwicklung von Fernbusverbindungen in ganz Europa und die Eröffnung von Alternativen zur Nutzung privater Pkw gefördert werden soll. Die Kommission hat diesen Schritt in Richtung Liberalisierung vorgelegt, weil sie zu viele Hindernisse auf nationalen Märkten ortet. Der Vorschlag ist Teil des zweiten Mobilitätspakets, das laut Kommission darauf abzielt, eine Führungsrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels zu übernehmen.

Die im Entwurf vorgesehene völlige Liberalisierung der Kabotage im Linienverkehr mit eigenen Verfahrensvorschriften lehnt der Bundesrat unisono mit Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer strikt ab. Laut Kommissionsvorschlag soll Kabotage unabhängig von einem internationalen Verkehr beantragt werden können und nach den Verfahrensvorschriften und Ausschließungsgründen der EU-Verordnung genehmigt werden müssen. Ein diesbezüglicher Antrag könnte demnach nur mehr aus Kapazitätsgründen verweigert werden. Das käme nach Ansicht der LändervertreterInnen einer Aushebelung des Kraftfahrliniengesetzes samt Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz gleich, argumentieren die Ausschussmitglieder. Die EU-Pläne würden vor allem für regionale Betreiber im grenznahen Gebiet zu großen Problemen führen, meinte dazu Peter Samt (FPÖ/St). Die derzeitige Rechtslage erlaubt demgegenüber Kabotage nur im Anschluss an einen internationalen Verkehr und diese muss von der jeweiligen nationalen Behörde nach eigenen Vorschriften für den nationalen Markt genehmigt werden.

Ebenfalls nicht nachvollziehen kann man die Liberalisierung der Genehmigungserteilung für Linien über 100 km Luftlinie. Hier entscheidet die Genehmigungsbehörde, das ist die Behörde jenes Mitgliedstaats, in dem sich der Ausgangspunkt der Linie befindet.

Auf wenig Gegenliebe stößt zudem die Schaffung einer eigenen Regulierungsstelle. Diese soll eine unabhängige Behörde mit Sanktionsbefugnis gegenüber mitbeteiligten Behörden, Busterminalbetreibern und Antragstellern sein und über Beschwerden bezüglich des Zugangs zu Busterminals entscheiden. Diese Entscheidungen wären verbindlich und mittels Sanktionen durchsetzbar. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) jan

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