Parlament: TOP im Nationalrat am 11. Juli 2025
Zum Auftakt des letzten Sitzungstags vor Tagungsende werden die Abgeordneten über außenpolitische Themen wie die Lage im Gazastreifen und die UN-Sicherheitskandidatur Österreichs diskutieren. Zudem stehen die Einführung von Orientierungsklassen für zugewanderte Kinder und schulpflichtige Jugendliche mit wenig Bildungserfahrung sowie die Anpassung mehrerer Gesetze aus dem Verkehrsbereich an EU-Vorgaben auf der Tagesordnung. Auch über den ÖBB-Rahmenplan, ein Volksbegehren zur ORF-Haushaltsabgabe und ein von den Grünen vorgeschlagenes Verbot von Konversionsmaßnahmen bei bestimmten Personengruppen werden die Abgeordneten beraten.
Darüber hinaus könnte der von der FPÖ verlangte „ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss“ auf Schiene gesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Geschäftsordnungsausschuss die Ampel rechtzeitig auf Grün stellt.
Fragestunde
Die Sitzung startet um 9.00 Uhr mit einer Fragestunde mit Außenministerin Beate Meinl-Reisinger.
Einbindung des Parlaments in Kandidatur Österreichs für UNO-Sicherheitsrat
Ein von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen gemeinsam eingebrachter Entschließungsantrag zielt darauf ab, das Parlament aktiv in die Kandidatur Österreichs für einen nicht-ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat für die Jahre 2027/2028 einzubinden. Dabei könnten die parlamentarischen internationalen Kontakte genutzt werden, heißt es in der Initiative. Angestoßen werden außerdem regelmäßige Informationen von Außenministerin Beate Meinl-Reisinger an den Nationalrat über Schwerpunkte und den Fortgang der Kandidatur. Angesichts zahlreicher internationaler Organisationen mit Sitz in Wien und Österreichs Tradition als neutraler Vermittler sehen die Abgeordneten eine besondere Verantwortung des Landes für den Multilateralismus. Die FPÖ bemängelte im Ausschuss, dass der Kostenaufwand für die Bewerbung zu hoch angesetzt sei und stimmte gegen den Antrag.
Mitverhandelt mit dem Entschließungsantrag wird eine FPÖ-Initiative, in der mehr Transparenz bei der Finanzierung von internationalen Organisationen durch private Akteure gefordert wird. Sie wurde im Ausschuss von den anderen Fraktionen allerdings abgelehnt. Die entsprechende Transparenz sei bereits in den Budgetinformationen gegeben, so der Tenor der anderen Parteien.
Entschließung zur Autonomiereform in Südtirol
Auf Basis eines Vier-Parteien-Antrags haben ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne im Außenpolitischen Ausschuss außerdem eine Entschließung zu Südtirol gefasst. Im Rahmen der dort laufenden Autonomiereform sollen die deutsch- und ladinischsprachigen Volksgruppen in Südtirol gegenüber der italienischen Regierung weiterhin aktiv vonseiten Österreichs in Ausübung seiner Schutzfunktion unterstützt werden, fordern sie. Der Reformprozess wird von ihnen grundsätzlich positiv gesehen, zumal unter anderem geplant sei, verlorene Kompetenzen, etwa durch die italienische Verfassungsreform 2001, wiederherzustellen. Den vier Parteien sind außerdem regelmäßige Informationen von Außenministerin Beate Meinl-Reisinger über den Reformprozess ein Anliegen.
Demgegenüber ortet die FPÖ in den Reformplänen eine teilweise Abkehr von jenen Autonomiestandards, die mit der Streitbeilegung zwischen Österreich und Italien 1992 erreicht wurden. Eine Rückkehr zu diesen Standards sollte ihr zufolge eine verbindliche Grundlage für jede Reform des Autonomiestatuts bilden. Einen erneuten Anlauf machen die Freiheitlichen außerdem für die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler:innen. Beide Anträge der FPÖ blieben im Ausschuss jedoch gegen die Stimmen der Dreierkoalition und der Grünen in der Minderheit.
Humanitäre Hilfsleistungen in den Gazastreifen
Zur Debatte steht im Plenum weiters eine Entschließung, mit der sich der Außenpolitische Ausschuss einstimmig für einen ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfsleistungen in den Gazastreifen und für die Einhaltung des Völkerrechts vonseiten Israels ausspricht. Mit einem Abänderungsantrag im Ausschuss wurde mehr Bezug auf eine Beteiligung der Vereinten Nationen an der Verteilung der Hilfsgüter genommen. Initiiert wurde die Entschließung von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen. Ihnen geht es etwa auch darum, dass diplomatische Bemühungen für einen dauerhaften Waffenstillstand unterstützt werden und die Zweistaatenlösung vonseiten Österreichs weiterhin bekräftigt wird. Auch wenn dieses Ziel derzeit weit entfernt liege, sei die Zweistaatenlösung die beste Chance für die Bekämpfung von Extremismus und für langfristige Sicherheit im Nahen Osten, so die gemeinsame Haltung.
Einführung von Orientierungsunterricht
Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen hat sich der Bildungsausschuss auf Vorschlag der Regierung für die Einführung von Orientierungsunterricht ausgesprochen. Zugewanderte, quereinsteigende Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter, die keinerlei Vorerfahrung aus einem beständigen Bildungssystem haben, sollen künftig für die Dauer von maximal sechs Monaten in Orientierungsklassen auf den Unterricht im österreichischen Schulsystem vorbereitet werden. Dafür können laut Gesetzentwurf eigene, auch klassen-, schulstufen-, schulstandort- und schulartübergreifende Gruppen eingerichtet werden. Der Übertritt in eine Deutschförderklasse soll flexibel erfolgen. Bildungsminister Christoph Wiederkehr betonte im Ausschuss, dass es sich beim Orientierungsunterricht um eine „Sonderform der Deutschförderklassen“ handeln werde. Orientierungsklassen sollen je nach Bedarf – also nicht flächendeckend – etabliert werden.
Zudem soll durch eine Änderung des Hochschulgesetzes die Einführung digitaler Studierendenausweise an Pädagogischen Hochschulen ermöglicht werden. Für Universitäten wurde das bereits im Juni beschlossen. In das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz werden neue Ausbildungsangebote für Elementarpädagog:innen aufgenommen.
Abgelehnt wurde ein mit diesem Thema zusammenhängender Antrag der Grünen. Darin plädiert die Oppositionspartei insbesondere dafür, dass gruppenführende Elementarpädagog:innen in Zukunft auf tertiärer Ebene ausgebildet werden sollen. Ein „grundständiges Bachelorstudium“ liege bereits seit längerem fertig konzipiert vor, dieses sollte ausgerollt werden, fordern sie.
ÖBB-Rahmenplan 2025 bis 2030
Mit dem ÖBB-Rahmenplan 2025 bis 2030 wird der laufende Ausbau des Schienennetzes im Wesentlichen fortgesetzt. 19,7 Mrd. Ꞓ – bzw. 3,2 Mrd. Ꞓ bis 3,3 Mrd. Ꞓ pro Jahr – stehen in den kommenden sechs Jahren für Investitionen in die Schieneninfrastruktur zur Verfügung. Allerdings soll es aufgrund der notwendigen Budgetkonsolidierung zur Verschiebung bzw. Streckung von mehreren Projekten kommen. Überdies ist geplant, in Abstimmung mit den betroffenen Bundesländern bestimmte sehr schwach nachgefragte Regionalbahnstrecken auf Busverkehr mit gleicher Angebotsdichte umzustellen. Die größten Projekte bleiben weiterhin der Brenner-Basistunnel, dessen Inbetriebnahme für 2032 vorgesehen ist, und der Semmeringbasistunnel, dessen Fertigstellung für 2030 avisiert wird. Zudem sollen in den kommenden Jahren einige neue Bauprojekte wie die Verbindung Ostbahn – Flughafenschnellbahn, der viergleisige Ausbau zwischen Wien Meidling und Mödling und der Pielachtunnel bei Melk starten.
Kritik am Rahmenplan kam im Verkehrsausschuss insbesondere von den Grünen. Sie orten signifikante verkehrspolitische Rückschritte beim Bahnausbau und sprachen von einem „Sparen an der falschen Stelle“. Auch die FPÖ stimmte gegen den von Verkehrsminister Peter Hanke vorgelegten Bericht.
Anpassung des Schifffahrtsgesetzes an EU-Vorgaben
Das Schifffahrtsgesetz soll an neue EU-Richtlinien angepasst werden, die in Zusammenhang mit der Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes stehen. Damit soll sichergestellt werden, dass in diesem Sinne Verfahren zu einschlägigen Vorhaben prioritär behandelt werden können. Geplant sind auch Verwaltungsvereinfachungen, etwa bei der Verlängerung von Befähigungsausweisen. Außerdem werden die Bestimmungen über Passagier- und Fahrgastrechte neu gefasst. Mit der Novelle wird überdies eine Anpassung im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz vorgenommen, um Genehmigungsverfahren von Projekten der transeuropäischen Energieinfrastruktur rascher umsetzen zu können. Zudem sollen künftig alle zuständigen Behörden ein Verzeichnis über die gewerbsmäßige Schifffahrt führen. Im Ausschuss wurde die Novelle unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags mit rechtlichen Präzisierungen mit den Stimmen der Koalitionsparteien angenommen.
Anpassungen an EU-Recht im Transportgewerbe
Eine geplante Novellierung von Gesetzesbestimmungen, die das Transportgewerbe betreffen, soll Änderungen der gemeinsamen EU-Regeln für die Zulassung zum Beruf „Kraftverkehrsunternehmer:in“ und für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs bringen. Viele der erforderlichen Adaptierungen wurden laut dem zuständigen Bundesministerium bereits 2022 im Güterbeförderungsgesetz vorgenommen. Nun sollen in diesem Gesetz sowie im Gelegenheitsverkehrsgesetz und im Kraftfahrliniengesetz weitere Anpassungen an EU-Recht erfolgen. Im Verkehrsausschuss kündigte ein Vertreter der Koalitionsparteien an, dass dazu vor der Beschlussfassung im Plenum noch ein Abänderungsantrag zu erwarten sei. Die Vorlage passierte den Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen.
Mautvignette für Wechselkennzeichen
Im Verkehrsausschuss abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der FPÖ, mit dem sich die Freiheitlichen dafür einsetzen, dass auch herkömmliche Klebevignetten – genauso wie digitale Vignetten – für alle Fahrzeuge mit demselben Wechselkennzeichen nutzbar sein sollen. Sie sehen derzeit in diesem Punkt eine Diskriminierung von Menschen, die keine digitale Vignette nutzen möchten, und kritisierten, dass mit dem Kauf einer digitalen Vignette der digitale Fußabdruck nur noch größer werde. Im Ausschuss stimmte nur die FPÖ für den Antrag. Vonseiten der Koalitionsparteien hieß es, dass keine Diskriminierung vorliege, da die Vorteile einer digitalen Vignette für jeden nutzbar seien und man diese etwa auch an einer Tankstelle bekommen könne.
Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Gemäß einer zwischen den Fraktionen getroffenen Vereinbarung soll auch das von der FPÖ gestellte Verlangen auf Einsetzung eines „ÖVP-Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses“ auf die Tagesordnung kommen. Zum einen will die FPÖ den „Fall Pilnacek“ und zum anderen den behördlichen Umgang mit Corona-Demonstrationen und „regierungs- und maßnahmenkritischen Bürgern“ durchleuchten. Dabei hat sie vor allem die ÖVP im Visier, ihrer Meinung nach liegt der Verdacht auf Machtmissbrauch vor. Allerdings hat der Geschäftsordnungsausschuss noch nicht darüber entschieden, ob er den Untersuchungsgegenstand für verfassungskonform hält. Vor allem der Themenmix stößt bei vielen auf Skepsis. Laut ÖVP soll die laufende Prüfung aber bald abgeschlossen sein.
Gibt der Geschäftsordnungsausschuss grünes Licht, hat er gleichzeitig auch die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses zu bestimmen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss zu fassen sowie den Verfahrensrichter bzw. die Verfahrensrichterin zu wählen. Mit Beginn der Debatte im Nationalrat wäre der Untersuchungsausschuss damit automatisch eingesetzt. Anderenfalls hat die FPÖ die Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof anzurufen.
Abstimmung über Geschäftsordnungsnovelle
Über eine von den fünf Parteien gemeinsam vorgeschlagene Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats findet nur noch die letzte Abstimmung statt. Die Beratungen darüber werden bereits am Mittwoch stattfinden. Es geht um die Anpassung der NR-Geschäftsordnung an das neue Grundrecht auf Information, wobei bei Geschäftsordnungsnovellen zwischen Zweiter und Dritter Lesung 24 Stunden liegen müssen.
Volksbegehren „ORF-Haushaltsabgabe nein“
Schon mehrfach haben Bürger:innen in Form von Volksbegehren die Abschaffung der ORF-Gebühren gefordert. Nun liegt den Abgeordneten ein weiteres Volksbegehren zu diesem Thema vor. Exakt 102.160 Österreicherinnen und Österreicher drängen darauf, von der mit 1. Jänner eingeführten ORF-Haushaltsabgabe wieder Abstand zu nehmen. Die Haushaltsabgabe sei „unsachlich und unfair“, da sie auch von jenen bezahlt werden müsse, die den ORF gar nicht konsumieren, machen die Initiator:innen rund um Robert Marschall geltend. Zudem werfen sie dem ORF vor, nicht sachlich, objektiv, umfassend und ausgewogen zu berichten und damit gegen den Programmauftrag zu verstoßen. Im Plenum findet nun eine erste Debatte über das Anliegen statt. Danach wird das Volksbegehren dem Verfassungsausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen.
Erste Lesung zu Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz
In einer weiteren Ersten Lesung werden sich die Abgeordneten mit einem Gesetzesvorschlag der Grünen befassen, der darauf abzielt, Betroffene vor Konversionsmaßnahmen zu schützen. Konversionsmaßnahmen oder konversiv-reparative Praktiken sind Maßnahmen, die eine Veränderung der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität zum Ziel haben. Geht es nach den Grünen, soll die Durchführung solcher Maßnahmen bei vier Personengruppen verboten werden: bei Minderjährigen, bei jungen Erwachsenen unter 21 Jahren bei Ausnützung einer Zwangslage oder eines Mangels an Urteilsvermögen, bei nicht-entscheidungsfähigen bzw. wehrlosen Personen sowie bei Vorliegen eines besonderen Autoritätsverhältnisses. Eine Einwilligung der betroffenen Person oder ihrer gesetzlichen Vertreter:innen sollte nicht wirksam sein, so die Grünen. Als Strafe bei Verstößen schlagen sie bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu 720 Tagsätzen vor. Auch ein Werbe- und Provisionsverbot ist im Gesetzesentwurf vorgesehen. Darunter soll auch jegliche Form der Anbahnung fallen.
Nicht vom Verbot umfasst sein sollen wissenschaftlich anerkannte Behandlungen von Störungen der Sexualpräferenz oder von sogenannten paraphilen Störungen, etwa Pädophilie oder Voyeurismus. Auch fachlich fundierte Behandlungsmöglichkeiten, deren Ziel die Steigerung des Selbstwerts von lesbischen, schwulen, bisexuellen oder nicht-cisgender Personen ist, sollen vom Gesetz unberührt bleiben.
Weiterberaten werden soll über den Antrag im Justizausschuss. Der Gleichbehandlungsausschuss hat über einen gleichlautenden Antrag bereits diskutiert, wobei die Verhandlungen vorerst vertagt wurden. (Schluss TOP im Nationalrat) mbu/gs
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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