AK Präsident Zangerl: „Lohnkosten sind kein Argument für höhere Lebensmittelpreise. Bund muss gegen willkürliche Preispolitik vorgehen!“ | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

AK Präsident Zangerl: „Lohnkosten sind kein Argument für höhere Lebensmittelpreise. Bund muss gegen willkürliche Preispolitik vorgehen!“

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Gebetsmühlenartig wird vom österreichischen Handel behauptet, dass höhere Preise für Lebensmittel durch die in Österreich im Vergleich zu Deutschland hohen Lohnkosten gerechtfertigt sind. Dass das nicht korrekt ist, belegt ein Faktencheck der Tiroler Arbeiterkammer.

„Die Argumente, mit denen der Handel von den weit höheren Preisen in Österreich ablenken will, sind zum überwiegenden Teil nicht haltbar. Man will in Wirklichkeit davon ablenken, dass es in Österreich keine Preistransparenz gibt. Dies führt zu deutlich höheren Preisen als etwa im angrenzenden Bayern. Zudem stellt der fehlende Wettbewerb in Österreich ein riesiges Problem dar“, stellt BAK Vize-Präsident und AK Tirol Präsident Erwin Zangerl klar – vier Marktteilnehmer teilen sich 90 % des Lebensmittelmarktes auf. Auch die höhere Filialdichte sei kein logisches Argument für höhere Preise, wie sich am Beispiel Tirols aufzeigen lässt. Tirols AK Präsident fordert in diesem Zug erneut die Bundesregierung auf, für eine Anti-Teuerungskommission und Preiskontrollen zu sorgen sowie die Anstrengungen in Brüssel zu verstärken, um den mittlerweile bewiesenen Österreich-Aufschlag zu eliminieren.

Die Verteidigungsstrategie des Handels ist simpel: Die anderen sind schuld, dass die Preise bei Lebensmitteln weit höher sind, als etwa im benachbarten Deutschland. Doch sind wirklich die Personalkosten und die höhere Filialdichte die Preistreiber, wie seitens des Handels behauptet wird. Untersuchungen der AK Tirol zeigen, dass diese Argumente ins Leere gehen. So verglichen die Experten im Auftrag der AK Tirol die Lohnkosten einer vollzeitbeschäftigten Verkäuferin bzw. eines Verkäufers im Einzelhandel im 7. Berufsjahr auf Basis des kollektivvertraglichen Mindestlohnes für die Normalarbeitszeit – einmal in Österreich und einmal in Bayern (1), wobei sowohl ein österreichischer als auch ein deutscher Steuerberater mit der Erstellung der monatlichen Lohnabrechnungen beauftragt wurden.

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Argumente des Handels, wonach das österreichische Lohnsystem verantwortlich für die höheren Lebensmittelpreise sein soll, haltlos sind.

Bayern I: Weniger arbeiten, mehr verdienen

In Bayern wird weniger gearbeitet, aber mehr verdient. So beträgt der kollektivvertragliche Mindestlohn in Bayern 2.836 Euro brutto im Monat bei 37,50 Stunden pro Woche. In Österreich sind es 2.132 Euro brutto bei 38,50 Stunden. Auch in Bayern gibt es zwei Sonderzahlungen, die jedoch geringer ausfallen als in Österreich (13. und 14. Gehalt). Inklusive der Sonderzahlungen beträgt daher in Bayern der Gesamtjahresverdienst 37.222,50 Euro brutto, in Österreich 29.848 Euro brutto. In Bayern bekommen vergleichbare Verkäufer:innen also tatsächlich um 25 % (!) mehr bezahlt als in Österreich. Und dies sogar bei gleicher Anzahl von Feiertagen und durchschnittlich mehr Urlaub (28,8 Urlaubstage in Bayern und 30,3 Urlaubstage im Einzelhandel in Deutschland). Hintergrund: In Deutschland ist es üblich, eine höhere Anzahl von Urlaubstagen bei der Einstellung zu verhandeln und zu vereinbaren.

Bayern II: Lohnkosten um 20 % höher

In Bayern muss ein Unternehmen jährliche Lohnnebenkosten von 9.230,99 Euro bezahlen, in Österreich 8.833,58 Euro. Die Lohnnebenkosten sind in Bayern daher um 4,5 % höher.

Insgesamt betragen die jährlichen Lohnkosten für die Arbeitgeber:innen in Bayern 46.453,49 Euro für 37,50 Wochenstunden, in Österreich 38.681,58 Euro für 38,50 Wochenstunden. Das bedeutet, dass die Lohnkosten in Bayern um mehr als 20 % höher sind als in Österreich.

Bei den ausschließlich von den Unternehmen zu zahlenden Abgaben zeigt sich zunächst, dass bei den „klassischen“ Sozialversicherungsbeiträgen (Kranken-, Pensions-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung sowie Insolvenzentgelt-Sicherung) beide Länder ziemlich gleichauf liegen. In Österreich sind dafür insgesamt 20,53 % zu zahlen, in Bayern 20,80 %. Bei den sonstigen Abgaben überholt Österreich dann Bayern, sodass ein Unternehmen in Österreich insgesamt 29,67 % an Abgaben zu entrichten hat, in Bayern 25,49 %.

Bayern III: Lohnunterschiede weit höher

Übrigens: Bei ungelernten Arbeitskräften würde der Lohnunterschied im 7. Berufsjahr noch viel höher ausfallen. In Österreich beträgt der kollektivvertragliche monatliche Mindestlohn 1.986 Euro brutto für 38,50 Wochenstunden. In Bayern hingegen 2.836 Euro brutto, da nach dem bayrischen Tarifvertrag eine vierjährige Berufserfahrung einer dreijährigen Berufsausbildung entgeltmäßig gleichgestellt ist.

Rätsel um hohe Supermarktpreise aufgrund fehlender Transparenz

Die hohen Supermarktpreise in Österreich werfen allerdings noch weitere Fragen auf, denn noch immer gibt es keine Transparenz bei den Preisen bzw. bei der Frage „wer verdient wieviel“ an einem Produkt. Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im Auftrag von AK und ÖGB zeigt auf, dass viele Faktoren hinter den Preissteigerungen in Österreich nach wie vor im Dunkeln liegen. Zwar gebe es Kosten, die sich nachvollziehen lassen – wie die Kosten der Landwirte – allerdings fehlen offizielle Zahlen zu wichtigen Parametern wie Kosten und Profiten von Verarbeitern und Supermärkten. „Solange nicht alle Stufen der Wertschöpfungskette klar ersichtlich sind, bleibt der Kampf um niedrigere Preise ein Kampf gegen Windmühlen“, sagt Zangerl dazu. Er fordert erneut eine Anti-Teuerungskommission sowie Preiskontrolle mittels Preisdatenbank, in welche alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten ihre Kosten bzw. Preise einmelden müssen. „In Frankreich funktioniert das seit Jahren, hier gibt es eine eigene Behörde, die dafür zuständig ist, dass die Daten erfasst werden und notfalls eingegriffen wird. So eine Aufsichtsbehörde bräuchte es in Österreich schon lange, aber davon sind wir leider noch immer weit entfernt. Die Leidtragenden dieser Versäumnisse sind die Konsumentinnen und Konsumenten und hier vor allem die am stärksten betroffenen Gruppen wie Junge und Familien, Geringverdiener sowie Seniorinnen und Senioren“, kritisiert Zangerl.

Thema Filialdichte

Ein weiteres Argument des Handels für höhere Preise stellt auch die in Österreich im Vergleich zu Bayern höhere Filialdichte dar. Am Beispiel Tirol zeigt sich, dass Ketten wie Spar und MPreis ein dichtes Filialnetz besitzen, Billa (Rewe) ein weniger dichtes. In Bayern hat Edeka ein dichtes Netz, hier sind Rewe sowie Kaufland weniger oft vertreten. Wäre die Filialdichte und die sich daraus ergebenden Betriebskosten tatsächlich eine maßgebliche Ursache für die existierenden Preisunterschiede, dann müssten diese Preisunterschiede bereits innerhalb von Tirol zwischen den miteinander konkurrierenden Supermärkten viel größer sein, beispielsweise zwischen Billa (mit einer geringen Filialdichte) und Spar oder MPreis (mit jeweils hohen Filialdichten). Dies ist jedoch nicht der Fall. Viel eher sei der mangelnde Wettbewerb ein Faktor höherer Preise, zumal in Österreich nur vier Marktteilnehmer (Spar-Gruppe, Hofer, Lidl sowie Rewe mit Billa/Penny) über 90 % des Marktes besetzen.

AKFakt: Bundeswettbewerbsbehörde hat Österreich-Aufschlag bestätigt

Ebenso Realität ist, dass in Österreich Lebensmittel aufgrund eines Österreich-Aufschlags teurer sind, dies wurde auch von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) mittlerweile bestätigt: Der seit langem von der AK aufgezeigte und vom Handel lange negierte „Österreich-Aufschlag“ bei den Lebensmittelpreisen ist Fakt, denn die internationale Lebensmittelindustrie differenziert nach Ländern und verrechnet dem Lebensmitteleinzelhandel in Österreich für gleiche Produkte höhere Preise als etwa in Deutschland. AK Präsident Zangerl kritisiert diesbezüglich auch das Versagen der in Österreich tätigen Lebensmittelketten bei den Verhandlungen mit den internationalen Konzernen: „Es ist offensichtlich so, dass hier nicht wirklich Druck ausgeübt wird und man die höheren Preise für Österreich einfach akzeptiert und sie ohnehin einfach an die Kundinnen und Kunden weitergibt. Aufgrund fehlender Daten lässt sich auch nicht nachvollziehen, inwieweit die Handelsketten von dieser Praxis profitieren.“

(1) Vergleichszeitraum sind die Lohnkosten im 2. Halbjahr 2023

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