WIENWOCHE 2025: „Breathe Again” nimmt gegenwärtige Formen des Imperialismus unter die Lupe
Download Bildmaterial & Info: wienwoche.org/de/2025/presse
Von 12. bis 21. September 2025 findet die vierzehnte Auflage des Festivals WIENWOCHE in Wien statt. Unter dem Titel „Breathe Again“ bohrt WIENWOCHE 2025 mit künstlerischen und aktivistischen Mitteln Lüftungsschächte in gesellschaftliche Zonen, die sich durch den Druck nationaler und globaler Imperialismen so verfestigt haben, dass vielen Menschen buchstäblich die Luft zum Atmen ausgeht.
„Wie und wo manifestiert sich Imperialismus heute? Welche Folgen zeitigt er in den hegemonialen und in den kolonialisierten bzw. ausgebeuteten Gesellschaften oder Landstrichen? Welches widerständige Wissen, welche Praktiken können dagegen in Stellung gebracht werden?
“ fragen Jelena Micić und Araba Johnston-Arthur, das künstlerische Leitungsteam von WIENWOCHE.
Das Festivalprogramm 2025 besteht aus sieben Projekten und mehreren Kooperationen. Dazu kommen die Festivaleröffnung im Semperdepot sowie der WIENWOCHE-Abschlussevent im Flucc. Das genaue Programm und Informationen zu den einzelnen Projekten und Beiträgen sind ab Ende Juli 2025 vollständig auf der Festivalwebsite wienwoche.org in vier Sprachen erhältlich.
Imperialismus in Kulturinstitutionen und historischen Identitätskonstruktionen freilegen
Nach Kriegsende 1945 beteiligten sich die Kulturinstitutionen der jungen Zweiten Republik an der kollektiven Verdrängung der NS-Mittäter*innenschaft. Stattdessen suchten sie Anknüpfungspunkte für eine genuin österreichische Identitätskonstruktion. Diese boten sich in der langen Geschichte der Monarchie, deren Schattenseiten man nach Kräften ausblendete. Namentlich das koloniale Gefälle zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Österreich-Ungarn und den Nachbarländern im Süden und Osten sowie zwischen dem weltumspannenden Habsburger-Großreich der frühen Neuzeit und den okkupierten Territorien Mittel- und Südamerikas. „Spuren des imperialistischen Erbes findet man noch heute: zum Beispiel in den zur Kaiserzeit gegründeten Museen oder in Gedenkstätten. Manches Prachtstück kulturellen Erbes aus unterworfenen bzw. kolonisierten Regionen wartet darauf, dass es endlich an seinen Ursprungsort zurückkehren kann. ‚Breathe Again‘ verfolgt diese Spuren in österreichischen – und deutschen – Kulturinstitutionen und wird sie während des Festivals in Interventionen, performativ oder diskursiv bearbeiten
“, so Johnston-Arthur und Micić.
Wie kein anderes Medium trug das österreichische Kino der Nachkriegsjahre zur identitätsstiftenden Wiederanknüpfung am imperialen Österreich bei. Stichwort „Sissi“. Die Videokünstlerin und Politologin Dina Yanni bearbeitet das Filmmaterial und legt in einem Screening dessen harmonisierende Aufgriffe der imperialen Gewaltgeschichte offen. Mit der deutsch-irakischen Künstlerin Nora Al-Badri und dem Designeinkollektiv FANTOPLAST wiederum organisiert WIENWOCHE eine symbolische „Heim-Holung“ der berühmten Nofretete-Büste aus dem Neuen Museum Berlin: zwar nicht heim nach Ägypten, aber heim in unser aller Behausungen – als maßstabgetreue Nachbildung, beim Stand 129 am Viktor-Adler-Markt on demand aus eingeschmolzenen Plastikverschlüssen gefertigt.
Das Museum für angewandte Kunst (MAK) unterzieht seine Sammlung bzw. deren Präsentation einer „dekolonialen“ Aufarbeitung, an der sich WIENWOCHE u. a. mit Fokus auf Textilien, Mode, Handwerkskunst und Handelsrouten beteiligen wird. Ein Ausflug wiederum führt das Festivalpublikum zum Grabmal des Freiherrn von Laudon († 1790). Der Feldmarschall in kaiserlichen Diensten eroberte 1789 Belgrad von den Türken. Als Kriegsbeute ließ er die berühmten Marmortafeln („Türkensteine“) des „Istanbuler Tores“ (Cᴛaʍ6oл ĸaπᴎja / Stambol kapija) demontieren und nach Wien bringen. Heute wünschen sich viele Menschen in Serbien die gemeißelten Zeugen einer jahrhundertelang umkämpften Stadt zurück nach Belgrad.
Antikoloniale Erinnerungskulturen
Mehrere Projekte im Rahmen von WIENWOCHE 2025 nehmen aktuelle imperialistische Dispositive aufs Korn. Ein „Laboratory for Anti-Imperial Solidarity“ lässt sich von historischen antikolonialen Bündnissen wie der „Bewegung der Blockfreien“ inspirieren. Mit einer Ausstellung, Panels, Filmscreenings und Aktivismus adressiert es in der MUSA-Startgalerie des Wienmuseums umwelt- und ressourcenbezogenen Themen, insbesondere die rücksichtslose Ausbeutung von Bodenschätzen in „strategischen Partnerländern“ der EU. Das Theater- und Performance-Projekt „Giant Hogweed“ erinnert am Wiener Ballhausplatz augenzwinkernd an eine folgenreiche diplomatische Geste. Zum Wiener Kongress, der die imperialistische Weltordnung des 19. Jahrhunderts besiegelte, schenkte der russische Zar dem Fürsten Metternich eine vermeintlich nutzbringende exotische Pflanze: den Großen Bärenklau, der heute die Flora Europas invasiv bedroht.
Das Ausstellungsprojekt „Challenging Borders“ rückt jene Menschen in den Mittelpunkt, die das EU-Grenzregime entlang der Balkanroute am Eintritt in den Schengenraum hindern will. Die Veranstaltungsreihe „Breathing Through Food“ analysiert, wie koloniale und imperiale Systeme die globale Lebensmittel-Landschaft geprägt haben und wie die Ernährungssouveränität wiedergewonnen werden kann. An den Widerstand gegen die Kolonialisierung des globalen Südens erinnert das BIPOC-Kunstprojekt „Weaving Ancestral Futures“. Körperarbeit und gemeinsame textile Produktion heilen erlittene und vererbte Verwundungen. Dass Hip-Hop auch für FLINTA als Werkzeug antikolonialen Empowerments, kulturellen Widerstands und künstlerischer Befreiung funktioniert, vermittelt das Kollektiv FEMME DMCAT in Workshops und beweist es beim WIENWOCHE-Schlussevent.
Weitere Kooperationen während des Festivals
Ein „Minute Museum of Resistance“ eröffnen das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW und WIENWOCHE am Otto-Wagner-Areal. Es widmet sich im Dialog mit dem Belgrader Muzej Jugoslavije der musealen Arbeit mit Objekten des Widerstands und der Verfolgung – sowie deren Rezeption. In Zusammenarbeit mit WIENWOCHE präsentieren die IG Flex und die IG Social eine Rückschau auf ihre mehr als 20-jährige Tätigkeit als Teile der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA). Eine Ausstellung im ÖGB-Katamaran dokumentiert ihre kreative Arbeit im Interesse atypisch und prekär Beschäftigter, (unfreiwilliger) Selbstständiger bzw. von Menschen in Gesundheits- und Sozialberufen.
Das Kinderprogramm zu „Breathe Again“ steuert die Schwarze Frauen Community (AFC) bei. Die „Großen Atemkraftreisen“ verhelfen den Sechs- bis Zehnjährigen und ihren erwachsenen Bezugspersonen zu mehr Mut, Kraft und innerer Ruhe. Weitere Kooperationspartner von WIENWOCHE 2025 sind das Volkskundemuseum Wien, die Akademie der bildenden Künste Wien, das Kulturhaus Brotfabrik und Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB).
Poster-Sujet WIENWOCHE 2025
Vom in Wien lebenden deutsch-israelischen Künstler Arye Wachsmuth stammt die Fotoserie DER REFLEXIONSSPIEGEL (Was habt ihr den ganzen Morgen lang getrieben?) (2008). Sie besteht aus mit historischen Aufnahmen bedruckten Spiegeln und bezieht sich auf die fotografische Dokumentation geraubter Kunst durch die Nazis. DER REFLEXIONSSPIEGEL III ist das Sujet des Festivalposters. (Fotomaterial freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Bundesdenkmalamt, Wien, Postergestaltung: WIENWOCHE/Kora Reichardt).
Die Stadt Wien unterstützt WIENWOCHE mit einem jährlichen Förderbetrag von 480.000 Euro.
wienwoche.org | instagram.com/wienwoche | facebook.com/wienwoche
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. WIENWOCHE