Rückführungen in der EU: EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert neue Verordnung, Rückkehrzentren und Menschenrechte | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Rückführungen in der EU: EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert neue Verordnung, Rückkehrzentren und Menschenrechte

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Der EU-Ausschuss des Bundesrats führte eine Debatte zum europäischen Verordnungsvorschlag für ein System für die Rückkehr von illegal in der Union aufhältigen Drittstaatsangehörigen. Ziel des Vorschlags ist es, wirksame, moderne und effiziente Verfahren und Regelungen zur Rückführung von Menschen ohne Aufenthaltsrecht in der Europäischen Union zu schaffen, führte eine Expertin des Innenministeriums aus. Die Fragen der Bundesrät:innen drehten sich um den Zeitrahmen der Umsetzung. Diesen konnte die Expertin noch nicht nennen. Österreich poche aber darauf, dass die Verordnung so schnell wie möglich zur Anwendung komme.

Zudem standen die EU-Pläne zur Umsetzung des UN-Hochseeübereinkommens sowie der Richtlinienvorschlag zur Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei Kommunalwahlen für Unionsbürger:innen mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat auf der Tagesordnung des EU-Ausschusses des Bundesrats.

Geplanter EU-Rechtsrahmen für Rückführungen

Mit dem Rechtsakt sollen gemeinsame Vorschriften für Rückführungsverfahren und -entscheidungen in allen 27 Mitgliedstaaten geschaffen werden. Zudem wird ein neuer Mechanismus für die Anerkennung und Durchsetzung von Rückkehrentscheidungen, die ein anderer Mitgliedstaat getroffen hat, unter Nutzung einer Europäischen Rückkehranordnung, vorgeschlagen.

Der Vorschlag umfasst die ausdrückliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit für Rückkehrer:innen mit den Behörden. An diese Verpflichtungen werden im Vorschlag auch konkrete Folgen, wie beispielsweise die Verweigerung von Leistungen, geknüpft. Der Vorschlag umfasst die Festlegung von Gründen für die Schubhaft sowie die Definitionen von Fluchtgefahr. Ziel des Vorschlags ist die Möglichkeit, Personen, die sich illegal in der EU aufhalten und gegen die eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, in einen Drittstaat, der nicht der Herkunftsstaat ist, rückzuführen, erklärte die Expertin.

Die Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren massiv geändert, deshalb befürworte das Innenministerium eine Überarbeitung der Rechtsgrundlage, erklärte sie. Die Unterschiede bei der Rückführung seien zwischen den Staaten sehr hoch, für ein funktionierendes Rückkehrsystem bedürfe es daher einer Harmonisierung der Systeme einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Rückkehrentscheidungen.

Die Verordnung sieht die Möglichkeit vor, dass EU-Staaten „Return Hubs“, also Rückkehrzentren in Staaten außerhalb der EU, einrichten können. Dorthin könnten Menschen gebracht werden, für die bereits ein Abschiebebescheid ausgestellt wurde, die aber etwa nicht direkt in ihr Herkunftsland zurückgebracht werden können. Zudem sieht die Verordnung spezifische und verschärfte Bestimmungen für Personen vor, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, erläuterte die Expertin.

ÖVP für gesamteuropäische Lösung und Rückführung von „Gefährdern“

Günther Ruprecht (ÖVP/St) sprach sich dafür aus, das Thema gesamteuropäisch zu lösen. Für nicht zufriedenstellend empfand er, dass aktuell nur etwa 20 % der Drittstaatsangehörigen, die eine Ausreiseanordnung erhalten haben, die Union verlassen. Er interessierte sich für die geplanten Rückkehrzentren in Drittstaaten und wann diese umgesetzt werden können. Christoph Thoma (ÖVP/V) unterstrich: „Wir stehen hinter dieser Verordnung“.

Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ) sprach sich dafür aus, „Gefährder“ so rasch wie möglich zu registrieren und außer Landes zu bringen, gleichzeitig gelte es, die Integration in Europa besser voranzutreiben. Dabei nannte er Norwegen als Beispiel.

SPÖ unterstützt Rückkehrverordnung unter Wahrung der Menschenwürde

Die SPÖ stehe hinter der Rückkehrverordnung, führte Sebastian Forstner (SPÖ/OÖ) aus und begründete das mit der effizienteren Gestaltung von Verfahren. In Bezug auf die „Gefährder“, also jene Personen, die rasch außer Landes gebracht werden sollen, „ziehen wir alle an einem Strang“. Gleichzeitig pochte er darauf, dass Rückführungen nie zu Lasten der Menschenwürde gehen dürften. Er setzte sich dafür ein, dass Rückkehrzentren in Drittstaaten von unabhängiger Seite geprüft werden und erkundigte sich, welche Länder dafür angedacht sind.

Migration sei ein europäisches Thema, so Claudia Arpa (SPÖ/K), die sich ebenfalls für die Return Hubs interessierte und wissen wollte, wie verhindert werden soll, dass die Menschen „ewig dort bleiben“. Den Antrag der FPÖ zur EMRK-Auslegung werde die SPÖ ablehnen, unterstrich Arpa mit Blick auf die Menschenrechte.

FPÖ-Antrag zur EMRK-Auslegung in Rückführungsfragen bleibt in der Minderheit

Andreas Spanring (FPÖ/NÖ) ortete leere Ankündigungen. Es brauche eine europäische Lösung, stimmte er zu, aber es passiere nichts. Spanring brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung aufgefordert werden, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Forderungen zur Neuinterpretation der EMRK-Auslegung im Bereich der Rückführungen in die weiteren Verhandlungen zur EU-Verordnung einbezogen werden. Der Antrag blieb in der Minderheit.

Die EU-Verordnung zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger bleibt in ihrer Wirkung begrenzt, argumentierte er. Als Grund nannte er die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Diese verhindere Abschiebungen selbst von mehrfach straffälligen, nicht schutzbedürftigen Personen.

NEOS: Kooperationswillige Drittstaaten als Voraussetzung

Die NEOS begrüßen eine europäische Lösung im Sinne einer guten Asylpolitik, unterstrich Julia Deutsch (NEOS/W). Kooperationswillige Drittstaaten seien die große Voraussetzung für die Umsetzung, betonte sie und hinterfragte geplante Gegenleistungen. Sie wollte wissen, ob die geplante Erweiterung für die Abschiebungshaft (Schubhaft) auch für Familien und Kinder gelten soll.

Return Hubs: Planung noch am Anfang

Es gebe noch keine konkrete Ausgestaltung der Return Hubs. Daher könne sie auch noch keine Drittstaaten nennen, antwortete die Expertin auf diesbezügliche Fragen der Bundesrät:innen. Man stehe erst am Anfang der Überlegungen, bilaterale sowie gemeinsame Verhandlungen hielt sie für denkbar. Internationale Organisationen könnten eine starke Rolle spielen, so die Expertin. Die Einhaltung der Menschenrechtsstandards sei in der Verordnung festgehalten. Schubhaft könne allen Personenkategorien als Ultima Ratio auferlegt werden.

2024 seien 13.600 Personen aus Österreich rückgeführt worden. Die von der Kommission genannte Rückkehrquote von 20 % hielt die Expertin für nicht aussagekräftig, da die Mitgliedstaaten die Fälle nicht einheitlich erfassen und eine Vielzahl an Faktoren nicht berücksichtigt würden. Die freiwillige Rückkehr hat für das BMI oberste Priorität. Es gebe Rückkehrberatung, die von der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) durchgeführt werde.

Kommissionsvorschläge zur Umsetzung des UN-Hochseeübereinkommens

Zudem diskutierten die Mandatar:innen den von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag über eine Richtlinie zur Umsetzung des UN-Hochseeübereinkommens (Biodiversity Beyond National Jurisdiction – BBNJ) zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der marinen biologischen Vielfalt außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse. Das BBNJ umfasst vier zentrale Bereiche. Das betrifft den Vorteilsausgleich für die Nutzung mariner genetischer Ressourcen und digitale Sequenzinformationen, die Einrichtung gebietsbezogener Managementinstrumente, insbesondere die Ausweisung von Meeresschutzgebieten, die Verpflichtung zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten auf hoher See sowie den Kapazitätsaufbau und Technologietransfer.

Österreich unterstütze die Umsetzung des BBNJ-Übereinkommens im Rahmen des Richtlinienvorschlags, insbesondere vor dem Hintergrund der Bedeutung der Meere als globaler Biodiversitätshotspot und Klimapuffer, heißt es seitens des zuständigen Landwirtschaftsministeriums. Gleichzeitig sei sicherzustellen, dass nationale Umsetzungsspielräume gewahrt bleiben und die Richtlinie nicht über den Wortlaut des UN-Abkommens hinausgehe. Relevanz hätten für Österreich das Kapitel zu marinen genetischen Ressourcen und digitale Sequenzinformationen, da hier Auswirkungen auf die Forschungslandschaft erwartet werden. Vor dem Hintergrund bereits bestehender internationaler Verpflichtungen, sei eine kohärente und möglichst einfache Umsetzung erforderlich. Auch der rechtzeitige Aufbau einer EU-Plattform für Meldungen und Schnittstellen wird als zentral angesehen, insbesondere um Rechtssicherheit für Forschende und Behörden zu gewährleisten und Parallelstrukturen zu vermeiden.

Gabriele Kolar (SPÖ/St) sprach von einem „wichtigen Thema für den Umwelt-, Klima-, Tier- und Meeresschutz“. Dabei seien auch Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Meere von großer Bedeutung. Dem schloss sich Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler (SPÖ/S) an. Es sei auch für das Binnenland Österreich wichtig, gemeinsam am Schutz der Meere mitzuarbeiten.

Ein Schutzgebiet könne jede Vertragspartei vorschlagen und an das Sekretariat des BBNJ melden, führte ein Vertreter des Landwirtschaftsministeriums gegenüber den Mandatar:innen aus. Eingerichtete Schutzgebiete seien zwar völkerrechtlich bindend, Sanktionen bei Verstößen aber nicht vorgesehen. Ähnlich gestalte es sich beim Fischfang. Hier seien die jeweiligen Staaten für die Einhaltung von Schutzgebieten zuständig, so der Experte des Ministeriums zu Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O). Zu den Umweltverträglichkeitsprüfungen hielt der Experte fest, dass diese von jenem Staat durchgeführt werden müssten, der Tätigkeiten auf Hoher See plane.

Kommunalwahlen-Richtlinie: Bundesländer legen neue Stellungnahme vor

Was den Richtlinienvorschlag zur Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei Kommunalwahlen für Unionsbürger:innen mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat betrifft, seien die meisten Kritikpunkte der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer aus dem Jahr 2022 berücksichtigt worden, heißt es in einer neuen zweiten Länderstellungnahme. Anders als die erste enthält diese konkrete Verhandlungsziele und Kompromisstexte zum Kompromissvorschlag vom Juni 2024. Die Verpflichtung zur Bereitstellung von Wahlinformationen in einer weiteren Sprache eines Mitgliedstaates wird von den Bundesländern weiterhin abgelehnt. Laut den Bundesländern soll der Bund die vorgebrachten Länderpositionen samt Kompromissvorschlägen auf EU-Ebene einbringen und konsequent vertreten. Eine Zustimmung könne nach sorgfältiger Evaluierung der vorgelegten Verhandlungsergebnisses erfolgen.

Die Richtlinie sei bisher an der österreichischen Ablehnung gescheitert, da es nun eine neue Stellungnahme der Bundesländer mit Kompromisstexten und Verhandlungspositionen gebe, habe man dieses Thema wieder auf die Tagesordnung des Ausschusses genommen, informierte Ausschussvorsitzende Bernadette Geieregger (ÖVP/N).

Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler (SPÖ/S) plädierte dafür, dass die Länderkammer auf die einheitliche Stellungnahme Rücksicht nehmen müsse.

In ihrem Richtlinienvorschlag zur Änderung des Kommunalwahlrechts weist die EU-Kommission auf die spezifischen demokratischen Rechte einer Unionsbürgerschaft hin. Demnach haben Unionsbürger:innen, die in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, leben, arbeiten, studieren oder forschen – sogenannte „mobile EU-Bürger:innen“ – in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen. Die Ausübung dieser Rechte sei allerdings mit einigen Schwierigkeiten verbunden, so die Kommission. Probleme gebe es etwa bei der Beschaffung korrekter Informationen zur Ausübung des Wahlrechts und der aufwendigen Abwicklung von Registrierungsverfahren. Außerdem drohe eine Streichung aus der Wählerregistrierung im Herkunftsmitgliedstaat. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) gla/med


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