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3. Wiener Gemeinderat (2)

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Im Anschluss an die Fragestunde wurde das Thema der „Aktuellen Stunde“ debattiert. Es lautete: „Partizipation und echte Bürgerbeteiligung in Wien als reines Alibi – SPÖ-NEOS-Stadtregierung ignoriert laufend die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger!“ und wurde von der ÖVP eingebracht.

GRin Sabine Keri (ÖVP) kritisierte den Umgang mit Bürger*innen-Anliegen der amtierenden europäischen „Demokratiehauptstadt“. Kriterium für die von einer internationalen Jury vergebene Auszeichnung sei gewesen, dass die Stadt besonders viele Informationen für Bürger*innen bereitstelle und Teilhabe ermögliche – beides sei in der Realität aber nicht gegeben, so der Befund von Keri. Sie kritisierte den Umgang mit den Bewohner*innen des Kleingartenvereins Wasserwiese in der Leopoldstadt rund um die Verlängerung der Bim-Linie 18 bis zum Stadion, mit der auch die beliebte Buslinie 77A eingestellt wird. Die Bewohner*innen seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden, mehrere Petitionen seien von der Stadt ignoriert worden, so Keri. Sie kritisierte die fehlende Einbindung der Anrainer*innen bei der Planung der Strecken-Verlängerung und die fehlenden Informationen für die Bewohner*innen zur laufenden Baustelle.

GR Mag. Lukas Burian (NEOS) erklärte, der Petitionsausschuss sei kein Fachausschuss und seine Empfehlungen daher nicht bindend. Der Ausschuss sei dazu da, um Bürger*innen-Anliegen zu hören und diesen ein offenes Ohr zu bieten. Bürger*innen-Beteiligung sei ein demokratisches Grundprinzip, betonte Burian. Der Petitionsausschuss sei „die Brücke zwischen den Bewohner*innen und der Stadtpolitik“ und trage dazu bei, das Vertrauen der Bürger*innen in die Demokratie zu stärken. Er verwies auf die Verbesserungen im Petitionsrecht seit der Reform 2022: Wien habe inzwischen das weitreichendste Petitionsrecht in Europa mit den niedrigsten Schwellen: Alle Wiener*innen ab 16 Jahren unabhängig von der Staatsbürgerschaft könnten Anliegen einbringen, vorausgesetzt diese werden von mindestens 500 Unterschriften unterstützt. Petitionen hätten einen Rechtsanspruch auf Behandlung; der Ausschuss sei auch der einzige öffentliche Ausschuss dessen Sitzungen auch online veröffentlicht werden.

GRin Mag. Heidemarie Sequenz (GRÜNE) sprach zur Petition Khleslplatz. Der historische Platz in Meidling sei seit 1972 eine Schutzzone – hinter dem historischen Ensemble sollen jetzt aber neue Gebäude entstehen. Eine Bürgerinitiative habe im Vorfeld die Höhe der neu geplanten Gebäude kritisiert, ebenso die geplante Reduktion der bestehenden Schutzzone. Die Stadt habe im Zuge der Petition die Änderung der Schutzzone zurückgenommen, ein Erfolg für die Bürgerinitiative. Nachverdichtung in U-Bahn-Nähe sei allerdings „moderne Stadtentwicklung“; darüber hinaus sollten die Autos weg und die Gegend entsiegelt werden, meinte Sequenz. Dass die Flächenwidmung für das Gebiet im heutigen Gemeinderat vor Abschluss der Petiton beschlossen werden soll sei respektlos gegenüber den Petitionwerber*innen und dem Ausschuss, kritisierte die Grünen-Gemeinderätin. Zur Verlängerung des 18ers meinte Sequenz, sie unterstütze das Projekt „vollinhaltlich“. Die Kritik der Anrainer*innen sei auf mangelnde Information zurückzuführen, die größten Befürchtungen der Bürger*innen könnten ausgeräumt werden: Weder Parkplätze noch Bäume würden für die Linie geopfert, der Prater werde verkehrsberuhigt – Sequenz räumte ein, dass es während der Baustelle offenbar etwas „rumpeln“ würde, langfristig werde sich das Öffi-Projekt aber auszahlen.

GR Lukas Brucker, MA (FPÖ) meinte, die Bürgerinitiative Khleslplatz sei ein Beispiel für „lebendige Demokratie“, die von der Stadt „mit Füßen getreten wird“. Er lobte den „Kampf gegen die Verbauung eines historischen Grätzls“. Der Bürgerwille werde von den Regierungsparteien ignoriert, berechtigte Einwände beiseite geräumt und Interessen von Bauträgern befriedigt, so Brucker. Er kritisierte ebenfalls, dass der Flächenwidmungsplan schon beschlossen würde, obwohl die Petition noch nicht abgeschlossen ist. So werde das Vertrauen in die Politik verspielt, meinte Brucker: „Menschen wollten mitgestalten und nicht überrollt werden.“

GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi (SPÖ) meinte, er wohne selbst direkt am Khleslplatz und kenne die Gegebenheiten und Sorgen also aus erster Hand. Er verwies auf die langjährigen Grundsätze der Wiener Stadtentwicklung, nämlich Partizipation und Einbindung von Stakeholdern, erklärte Al-Rawi. Dazu gehöre auch „Wünsche und Sorgen zu hören und auf diese einzugehen“. Erfolgreich abgewickelte Stadtentwicklungsprojekte mit Bürger*innen-Beteiligung als „Alibi-Aktionen“ abzutun, wie im Titel der ‚Aktuellen Stunde‘ der ÖVP, sei respektlos gegenüber der Arbeit aller Beteiligten. Der Petitionsausschuss sei keine juristische Instanz, der andere Bereiche verhindern kann, betonte Al-Rawi. Der Ausschuss sammle Stellungnahmen, auf die auch eingegangen werde. Entsprechende Stellungnahmen und Einsprüche zur Flächenwidmung am Khleslplatz seien in den Widmungsprozess und der Planung eingeflossen, erklärte Al-Rawi.

GR Lorenz Mayer (ÖVP) ortete ein „Manko bei der Demokratie“ in der Stadt. Petitionen würden nicht ernst genommen; am Beispiel Khleslplatz zeige sich, „wie wurscht sie eigentlich der Stadt sind“. Anliegen der Bürger*innen würden schlichtweg ignoriert, Beschlüsse wie Flächenwidmungen rund um den Khleslplatz würden vor Abschluss der Petition oder Anhörung der Petitionswerber*innen beschlossen. „Zuerst die Petition anhören, dann Entscheidungsprozesse im Gemeinderat starten“, forderte Mayer.

GRin Mag. Angelika Pipal-Leixner, MBA (NEOS) kritisierte den polemischen Titel der Aktuellen Stunde und den Versuch, Bürger*inneninitiativen parteipolitisch zu vereinnahmen. Sie räumte ein, dass es manchmal „suboptimale Information“ rund um Bauprojekte geben würde, dieses Manko betreffe aber nicht die Werkezuge der Beteiligung an sich, die „großartig“ seien – als Beispiele nannte sie Beteiligungsprojekte wie das Klimateam in den Bezirken oder die Kinder- und Jugendmillion sowie etablierte Bürger*innen-Beteiligungsformate bei der Stadtentwicklung. Zum Khleslplatz meinte Pipal-Leixner, auf die Bedenken der Bürger*initiative sei eingegangen worden, unter anderem bei der Gebäudehöhe in der Widmung oder beim Ausmaß der Schutzzone oder Schutz des Baumbestandes.

GR Kilian Stark (GRÜNE) ortete zwei Parallelwelten – die „Fundamentalopposition der FPÖ und ÖVP“ mit „absoluter Schwarzmalerei“ und die „extrem blumige Welt“ der Regierungsfraktionen mit einem stark überzeichneten Bild des Petitionsausschusses. Petition sei keine Beteiligung, sondern eine Bittschrift an den Gemeinderat, meinte Stark. Bei vielen Beteiligungsprozessen werde Mitsprache in Aussicht gestellt, dieses Versprechen aber dann von der Stadt nicht eingelöst. Das zeige sich auch beim Stadtentwicklungsplan, bei dem im Vorfeld die Beteiligungsmöglichkeiten stark reduziert worden seien und der Gemeinderat „einen ‚Wien Plan‘ ohne Wiener*innen“ beschlossen habe. Er kritisierte das Klima-Team in den Bezirken. Auch hier werde Beteiligung versprochen, viele Projekte aber nur in abgespeckter Form umgesetzt. Im Umsetzungsprozess werde „an allen Ecken und Enden abgeschnitten und abgeschliffen“, durch diese verwässerten Projekte fühlten sich die Menschen nicht ernst genommen und verlören das Vertrauen in die Demokratie, sagte Stark.

GR Paul Johann Stadler (FPÖ), ehemaliger Bezirkschef von Simmering, verwies auf die Abstimmung zum Parkpickerl in seinem Bezirk. Damals hätten die Bürger über mehrere Varianten abstimmen können und die präferierte Lösung sei umgesetzt worden. Bei anderen Bürger*innen-Beteiligungsprozessen beschränke sich die Beteiligung auf Präsentationen, allerhöchstens könnten zwischen zwei von der Stadt vorgegebenen Projekten abgestimmt werden, kritisierte Stadler. Es müsse akzeptiert werden, dass Menschen auch „wollen, dass etwas nicht angegriffen wird, sondern einfach stehen bleibt“, meinte Stadler in Bezug auf Befragungen zu Umgestaltungsprojekten. Er kritisierte auch die digitale Abstimmung über Projekte, bei der „ganz Österreich über Projekte in Simmering abstimmen kann“.

GRin Cornelia Sucher, BA (SPÖ) ortete noch die eine oder andere Wissenslücke zum Thema Mitbestimmungsmöglichkeiten und bot deshalb einen kleinen „Crashkurs“ zu Partizipation in der Stadt: Sie verwies unter anderem auf die Wiener Klimateams, die Grätzlabors in zwölf Bezirken, die Beteilungsplattformen ‚mitgestalten.wien.gv.at‘, die Schüler*innen-Parlamente und weitere Mitmach-Projekte. Mitbestimmung sei für die Stadt kein „Anhängsel“, sondern „Kern der Demokratie“. Partizipation sei ein Dialog auf Augenhöhe zwischen Politik, Verwaltung und Bürger*innen – es gehe aber nicht darum, dass „eine Seite der anderen einen Wunschzettel überreicht, der eins zu eins abgearbeitet werden muss“. Partizipation sei immer ein Aushandlungsprozess und nicht alle Wünsche erfüllbar. Teilhabe sollte auch niemals zu einem Spielball von parteipolitischen Interessen werden, kritisierte Sucher. (Forts.) ato

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