„kulturMontag“: Kulturhauptstadt Chemnitz, Machtmissbrauch am Theater, Florentina Holzinger im Wiener Tanzquartier | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

„kulturMontag“: Kulturhauptstadt Chemnitz, Machtmissbrauch am Theater, Florentina Holzinger im Wiener Tanzquartier

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Der von Peter Schneeberger präsentierte „kulturMontag“ am 16. Juni 2025 um 23.05 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON bringt u. a. eine Reportage aus Chemnitz, das sich heuer als Europäische Kulturhauptstadt beweisen möchte. Die Sendung befasst sich weiters mit einer Studie sowie Lösungsansätzen zum Thema Machtmissbrauch in der Kultur, speziell im Theaterbereich, und gibt einen Ausblick auf Florentina Holzingers jüngste Bühnenarbeit „A Year Without Summer“, die im Wiener Tanzquartier zu sehen ist. Die Performancekünstlerin ist live zu Gast im Studio. Anschließend an das Magazin steht eine weitere Dokumentation der Reihe „Schrecklich schöne Bausünden“ über „Brutalistische Betonklötze“ (23.30 Uhr) auf dem Programm.

Zwei Seiten der Medaille – Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025

Das ostdeutsche Chemnitz – vor 25 Jahren noch Karl-Marx-Stadt und mit 250.000 Einwohnerinnen und Einwohnern aktuell nach Leipzig und Dresden die drittgrößte Stadt in Sachsen – war bisher kaum für sein Kulturleben bekannt. Zu DDR-Zeiten als Industrie-und Arbeiterstadt noch sozialistisches Vorzeigebeispiel, begann nach der Wende die große Abwanderung. Rund 70.000, vor allem junge Menschen, verließen die Stadt.
Auf eine wechselvolle Geschichte blickt Chemnitz zurück, das sich trotz seines reichen Kultur- und Industrieerbes zu einem Touristenmagneten entwickelt hat und nach wie vor mit ihrem Ruf als Hochburg der rechtextremistischen AfD kämpft. Diese erreichte bei sämtlichen Wahlen der jüngeren Vergangenheit im Wahlkreis das stärkste Ergebnis. Eine Zäsur in der Stadtgeschichte war, dass Chemnitz jahrelang als Versteck der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) diente, die zwischen 1998 und 2011 zehn Menschen, neun davon mit Migrationshintergrund, ermordete. 2018 sorgten nach der Tötung eines Deutschkubaners durch zwei Geflüchtete aus dem Irak und Syrien tagelange rechtsextreme Ausschreitungen in Chemnitz erneut für Negativschlagzeilen.
Und nun, sieben Jahre später, ist „das Tor zum Erzgebirge“ Kulturhauptstadt Europas. Unter dem Motto „C the Unseen“ will man in Chemnitz zeigen, dass es vieles zu entdecken gibt. Dabei wird klar: Liebe auf den zweiten Blick ist möglich. Der „kulturMontag“ mit einer Reportage aus der Europäischen Kulturhauptstadt 2025.

Macht und Missbrauch am Theater – Analyse und Lösungsvorschläge

Die Wiener Festwochen verhandeln bei den diesjährigen „Wiener Kongressen“ das Verhältnis zwischen Kunst, Macht und Missbrauch – seit der #MeToo-Bewegung ein heiß diskutiertes gesellschaftspolitisches Thema der vergangenen Jahre. Wie soll man mit Kunst umgehen, die in einem Kontext von Machtmissbrauch, sexualisierter Gewalt oder strukturellem Wegsehen entstanden ist? Laut einer Studie von Thomas Schmidt, deutscher Professor für Theatermanagement, haben allein im Theaterbereich etwa 55 Prozent der Kunstschaffenden an ihrem Arbeitsplatz Missbrauch erfahren, etwa jede:r zweite von ihnen mehrfach. Nur langsam beginnen alte Strukturen zu bröckeln. Immer mehr Opfer sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt in der Kulturszene haben nun den Mut, die Täter:innen anzuzeigen und an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Dunkelziffer weiterer Fälle scheint dennoch größer zu sein, was auch die Studienergebnisse zu aktuellen Fällen von Machtmissbrauch deutlich macht.
Der „kulturMontag“ hat Thomas Schmidt um eine Analyse und Lösungsvorschläge gebeten und stellt außerdem die neue Leiterin der Vertrauensstelle „vera*“ vor. Ein Besuch im renommierten Max Reinhardt Seminar zeigt, wie sich die nächste Schauspielgeneration bereit macht für ein respektvolleres und angstfreies Arbeiten am Theater.

Zum Sterben schön? Florentina Holzingers „A Year Without Summer“ – die Künstlerin im Studio

Niemand macht derzeit radikaleres Theater als die österreichische Performerin Florentina Holzinger. Schon mehrfach wurde die 30-jährige Wienerin ausgezeichnet und u. a. zum renommierten Berliner Theatertreffen eingeladen. Mit ihren Produktionen, etwa dem Musiktheaterspektakel „Sancta“ oder „Ophelia’s Got Talent“, einer provozierenden feministischen Revue aus Tanz, Akrobatik und Stunts, überschreitet sie Grenzen, sorgt für internationale Schlagzeilen und fordert ihr Publikum, das schon mal kollabiert. Doch nicht nur die Theaterwelt scheint sie zu lieben, auch der Kunstbetrieb feiert Holzinger. 2024 wurde die Choreografin von der Zeitschrift „Monopol“ zur „Künstlerin des Jahres“ erkoren, hat doch ihr Werk eine visuelle wie emotionale Wucht, die niemanden kaltlässt. So verwundert es auch nicht weiter, dass Holzinger im nächsten Jahr den österreichischen Pavillon bei der Biennale in Venedig gestalten wird. Soeben hat sie an der Berliner Volksbühne ihre jüngste Produktion vom Stapel gelassen. In „A Year Without Summer“ geht die Österreicherin frei nach Mary Shelleys „Frankenstein“ der Frage nach, inwieweit ewiges Leben erstrebenswert ist. Ein bildgewaltiges Ereignis Marke Holzinger, in dem die Künstlerin, wie immer in ihren Werken, drastisch und freizügig weibliche Körper in Szene setzt. Standing Ovations hat die Inszenierung, die jetzt im Wiener Tanzquartier gezeigt wird, geerntet. Live im Studio spricht Peter Schneeberger mit Florentina Holzinger über Höchstleistungen am Theater und ihre Pläne für die Biennale.

Dokumentation „Schrecklich schöne Bausünden: Brutalistische Betonklötze“ (23.30 Uhr)

Die vierteilige Reihe „Schrecklich schöne Bausünden“ setzt sich mit Bauwerken auseinander, die als architektonische Sündenfälle abqualifiziert wurden, aber heute, aus neuer Perspektive betrachtet, durchaus in ihren Bann schlagen können. In dieser Folge werden in die Landschaft geklotzte Betonbauten ins Visier genommen, die als brutalistisch bezeichnet werden. Der Fachbegriff leitet sich vom französischen „béton brut“ ab: roher Beton, kantig, ungeschlacht – und eigentümlich faszinierend.
So etwa das wie ein zerbrochenes postapokalyptisches Raumschiff wirkende Kloster „Sainte Marie de la Tourette“ im französischen Eveux. Erbaut wurde es von Architektur-Genie Le Corbusier, dem Begründer des Brutalismus. Charles Desjobert ist Dominikanerbruder sowie Architekt in Personalunion und verspürt nichts als Begeisterung für den denkmalgeschützten Sakralbau – und macht begreiflich, wie hier brutalistisches Äußeres und innere Einkehr zur Symbiose finden.
Oder das Royal National Theatre in London, das mit seiner rohen Betonfassade verstört, um dann mit seinen einladenden Foyers zu überraschen und seine Seele als Theaterfabrik zu offenbaren.
Ein weiters Beispiel ist die „Schlange“ in Berlin: Ein 600 Meter langer Wohnblock in der Schlangenbader Straße, durch dessen Bauch eine Autobahn führt? Dort möchte man nicht wohnen, sollte man meinen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Wohngemeinschaft ist zusammengeschweißt und stolz auf ihre Adresse.
Brutalistische Bauten haben ein Herz aus Beton. Sie sind architektonische Punks, sie provozieren. Regisseur Dag Freyer geht dem Wesen des Baustoffs Beton auf den Grund: Warum fasziniert er Architekten so sehr? Warum geht seine Ära möglicherweise zu Ende? „Brutalismus“ kommt nicht von „brutal“, doch ihr Image als „Bad Boys“ im Stadtbild schreckt die Liebhaber der Betonklötze nicht ab – im Gegenteil. Denn manche sind eben auch: schrecklich schön.

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