Lehrlingsparlament: "Spannend, wie viele verschiedene Meinungen es geben kann" | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Lehrlingsparlament: „Spannend, wie viele verschiedene Meinungen es geben kann“

0 130

Kaum von einer regulären Nationalratssitzung zu unterscheiden war heute die abschließende Plenarsitzung des Lehrlingsparlaments im Hohen Haus. 80 Lehrlinge aus Vorarlberg, Oberösterreich und Wien übten sich in den vergangenen zwei Tagen in der Rolle von Abgeordneten: Sie gestalteten ihren Gesetzgebungsprozess und fanden sich in Klubs zusammen, suchten Mehrheiten, trafen sich in Ausschusssitzungen und beschlossen letztlich im Plenum ein fiktives Gesetz und fassten eine Reihe von Entschließungen. „Spannend, wie viele verschiedene Meinungen es zu einem kurzen Gesetzestext geben kann“, fasste eine Teilnehmerin des Lehrlingsparlaments die Debatten zusammen. Mehrfach wurde in den Redebeiträgen im Plenum seitens der Lehrlinge auch darauf hingewiesen, dass es Kompromisse zu schließen gilt, um einen gemeinsamen Weg zu finden.

Inhaltlich behandelten die Lehrlinge einen fiktiven Gesetzesentwurf zu neuen Pflichten für Lehrlinge. Da zahlreiche Unternehmen gute Erfahrungen mit der Einführung von Leitfäden gemacht hätten, die den Umgang mit Lehrlingen und deren Pflichten in genauer und verständlicher Weise regelten, sollten diese nunmehr verpflichtend für alle Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, vorgesehen werden, so die Erläuterungen. Beschlossen haben die Lehrlinge die Vorlage mehrheitlich mit von ihnen vorgeschlagenen und ausgearbeiteten Abänderungen, für die sie bereits im Ausschuss eine Koalition und damit die Mehrheit fanden.

Unterstützt und begleitet wurden die Jugendlichen während der beiden Tage im Hohen Haus von den Abgeordneten Maximilian Weinzierl (FPÖ), Lukas Brandweiner (ÖVP), Roland Baumann (SPÖ), Ines Holzegger (NEOS) und Markus Koza (Grüne). Nationalratspräsident Walter Rosenkranz übernahm bei der abschließenden Plenarsitzung des Lehrlingsparlaments den Vorsitz.

Vom Abänderungsantrag im Ausschuss bis zur Plenardebatte

Mit ihren Änderungen am fiktiven Gesetzestext sprachen sich die Lehrlinge etwa für einen verpflichtenden Leitfaden aus, der auch Teil des Lehrvertrags sein sollte. Eine Teilnehmerin meinte im Plenum dazu, dies sei gut, um gleich zu Beginn Klarheit über die Pflichten zu haben. Anstelle der ursprünglich vorgeschlagenen Dokumentation des Lernerfolgs solle es regelmäßige Gespräche im Betrieb geben. Gespräche bzw. Verwarnungen sollten auch bei Verstößen gegen die Regelungen stattfinden. Entgegen des ursprüngliche Entwurfs solle es aber keine Kürzungen des Gehalts geben, so die Änderungen der Lehrlinge.

Seitens der Koalitionsparteien, die sich im Rahmen der zwei Tage zusammengefunden hatten, hieß es etwa, man habe sich für Erleichterungen für Lehrlinge bei der ursprünglich geplanten Dokumentation des Lernerfolges eingesetzt. Es sei gelungen, diese zu streichen und durch regelmäßigen Austausch zu ersetzen. Außerdem habe man sich geeinigt, die Gehaltskürzungen zu streichen, wurde hervorgehoben. Die Gesetzesvorlage sei ein Diamant gewesen, „der erst zu schleifen war“, hieß es in der Debatte.

Auch eine Debatte zwischen Opposition und Koalition ließ im Lehrlingsparlament nicht lange auf sich warten. So hieß es aus Sicht eines Redners der Koalitionsparteien, dass sich „schlussendlich die konstruktiven Kräfte durchgesetzt“ hätten und dadurch „echter Mehrwert“ geschaffen worden sei. Seitens der Opposition meinte ein Lehrling, dass etwa die Handynutzung die Auslegungssache jedes Betriebes sei und nicht gesetzlich geregelt werden solle. Ein weiterer sieht die Freiheit der Lehrlinge eingeschränkt und befand einige Regelungen für unnötig. Bedauert wurde aber auch, dass es in einzelnen Punkten keine Einigung gegeben habe. Letztlich habe aber die Mehrheit für die Regelungen gestimmt, wurde von Koalitionsseite betont. Einig waren sich die Redner:innen abschließend jedenfalls darin, dass das Verständnis für Politik mit der Teilnahme am Lehrlingsparlament gestiegen sei. Es sei „eine tolle Erfahrung mit viel Mehrwert“, hieß es von einem der Lehrlinge.

Von den insgesamt sechs durch die Lehrlinge eingebrachten Entschließungen wurde tatsächlich nur eine des Oppositionsklubs einstimmig befürwortet. Das Thema ist ein aktuelles: Die teilnehmenden Lehrlinge sprachen sich einhellig gegen eine Besteuerung des Trinkgelds aus. Mehrheitlich angenommen wurden etwa Entschließungsanträge der Lehrlinge für eine Verbesserung der Bedingungen für pharmazeutisch-kaufmännische Assistenzkräfte, gegen eine Besteuerung von Überstunden und für ausreichende Kontrolle der Lehrausbildung. Keine Mehrheit fand ein Vorstoß für ein Informationsblatt oder Schulungen zu Rechten und Pflichten der Lehrlinge und dass bei Prüfungen im Rahmen der Ausbildung immer eine dritte, neutrale Person anwesend sein solle, um Objektivität sicherzustellen.

Kompliment von Nationalratspräsident und Abgeordneten

Nationalratspräsident Walter Rosenkranz sprach den teilnehmenden Lehrlingen zum Abschluss des Plenums ein Kompliment für das Selbstbewusstsein und Engagement für ihre Themen während der beiden Tage aus. Er griff einige der Worte heraus, die während der Plenardebatte von den Lehrlingen verwendet wurden. So sei von der „Kunst, die Dinge beim Namen zu nennen“ ebenso gesprochen worden wie vom „Großen und Ganzen“, vom „guten Willen“ sowie davon, dass das „unsere Zukunft sein“ könne. Auch der „Kompromiss“, geprägt vom Bundespräsidenten, sei oft angesprochen worden, hob der Nationalratspräsident hervor.

Auch die Abgeordneten, die die Lehrlinge während der beiden Tage unterstützten, sprachen ihre Anerkennung aus. Maximilian Weinzierl (FPÖ) gratulierte, eine Koalition „geschafft“ zu haben. Bewirken könne man aber auch etwas, wenn man nicht in der Koalition sei. Lehrlinge seien insgesamt eine „Riesenstütze“ und wichtig für die Zukunft der Wirtschaft. „Sehr erfrischend“ seien die Einblicke im Rahmen des Lehrlingsparlaments für Lukas Brandweiner (ÖVP). Er appellierte an die Lehrlinge, die Erfahrung weiterzutragen, was an Arbeit im Parlament passiere. Österreich sei zurecht stolz auf das duale Ausbildungssystem, hielt Roland Baumann (SPÖ) fest. Die Lehrlinge hätten an den beiden Tagen beweisen, dass Demokratie funktioniere. „Bringt euch bitte weiter ein“, so Baumann. Die tollen Reden der Lehrlinge im Plenum lobte Ines Holzegger (NEOS). Demokratie sei nicht immer einfach, wichtig seien kompromissbereite Kräfte, aber auch eine gute und kontrollierende Opposition. „Nutzt die Chance, gestaltet mit“, denn davon lebe die Demokratie, war der Appell von Markus Koza (Grüne) an die Lehrlinge. Manchmal setze man sich durch, manchmal scheitere man, die Demokratie sei jedenfalls etwas „verdammt Wertvolles“.

Als eines der Angebote des österreichischen Parlaments zur politischen Bildung haben Lehrlinge aus ganz Österreich einmal im Jahr beim Lehrlingsparlament die Gelegenheit, die Rolle von Abgeordneten zu übernehmen und den Gesetzgebungsprozess zu erleben. Die 80 Lehrlinge kamen diesmal von der Berufsschule Altmünster, der Landesberufsschule Dornbirn 2, der Berufsschule Kremsmünster, von der Parlamentsdirektion, von der Wiener Wohnen Kundenservice GmbH, von der Berufsschule Wels 3 und von der Wiener Wohnen Hausbetreuung. Weitere Informationen zum Lehrlingsparlament sind unter www.reininsparlament.at verfügbar. (Schluss) mbu

HINWEIS: Fotos vom Lehrlingsparlament sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments. Die Plenarsitzung des Lehrlingsparlaments ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.