EU-Ausschuss des Bundesrats: EU-Darlehen für Investitionen in die Verteidigung wirtschaftlich „nicht interessant“ für Österreich
Europa will seine Verteidigungsfähigkeiten stärken. Das Instrument SAFE („Sicherheitsmaßnahmen für Europa“), ein befristetes Notfallinstrument, ermöglicht den EU-Mitgliedstaaten die Aufnahme von bis zu 150 Mrd. Ꞓ an Darlehen aus dem EU-Haushalt, um nationale Investitionen zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie zu finanzieren. Dazu tauschte sich heute der EU-Ausschuss des Bundesrats mit Expert:innen aus dem Finanz- und Verteidigungsministerium aus.
Zudem befasste sich der Ausschuss mit dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen „Critical Medicines Act“, der darauf abzielt die Versorgungssicherheit mit kritischen Arzneimitteln in der EU zu stärken.
Instrument SAFE: Darlehen für Investitionen in Verteidigungskapazitäten
Das Instrument SAFE der Europäischen Union soll die Beschaffung von Verteidigungskapazitäten ermöglichen. Vorgesehen sind Darlehen für Beschaffungen von Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesysteme, Raketen und Munition, Drohnen und Drohnenabwehrsysteme, strategische „Enabler“ und Schutz kritischer Infrastrukturen einschließlich Weltraum, Cyber, künstliche Intelligenz, elektronische Kriegsführung und militärische Mobilität. Eine Beschaffung soll gemeinsam durch mindestens zwei Mitgliedstaaten erfolgen, um günstige Preise zu erzielen und die Interoperabilität der Systeme zu gewährleisten. Der Start der Rückzahlungen der Mittel ist für das Jahr 2035 vorgesehen. Bis zum Jahr 2070 sollen die Rückzahlungen abgeschlossen sein. Das Ausfallrisiko ist laut Finanzministerium gering, zumal alle EU-Mitgliedstaaten anteilsmäßig für den EU-Haushalt haften und es insofern keine Anreize gebe, ein Darlehen nicht zu bedienen.
Für Österreich sei das Instrument aus wirtschaftlicher Sicht „nicht interessant“, sagte eine Expertin des Finanzministeriums im Ausschuss. Österreich könne sich aktuell am Markt günstiger finanzieren als die EU. Die Stärkung der Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit der EU sei jedoch ein gesamteuropäisches Ziel und auch Österreich profitiere von Maßnahmen, die dieses Ziel unterstützen.
Ein Experte des Verteidigungsministeriums betonte, dass die Federführung hinsichtlich des Instruments SAFE beim Finanzministerium liegt. Ziel des Instruments sei es, die Mitgliedstaaten beim Aufbau der Verteidigungsindustrie zu unterstützen. Es gehe um die „Vorbereitung auf eine Verteidigungsbereitschaft, die hoffentlich nie notwendig sein“ werde, so der Experte.
Es müsse in Sicherheit investiert werden, betonte Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) und verwies dabei auf den Schutz der kritischen Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung. Christoph Thoma (ÖVP/V) sagte, dass man mit dem Instrument SAFE „am richtigen Weg“ sei und erkundigte sich, nach den damit verbundenen Chancen für die österreichische Verteidigungsindustrie. Der Experte des Verteidigungsministeriums sagte, dass das Instrument zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts und zum Wachstum österreichischer Firmen beitragen könne.
Österreich müsse im Hinblick auf seine Neutralität besonders sensibel und wachsam sein, betonte Stefan Schennach (SPÖ/W). Er kritisierte zudem, dass die Entscheidung über das Instrument SAFE „am EU-Parlament vorbei gegangen“ sei und damit keine parlamentarische Grundlage habe.
Diese Kritik teilte Michael Bernard (FPÖ/N). Das Eilverfahren ohne Einbindung des Europäischen Parlaments untergrabe die parlamentarische Kontrolle. Gemeinsame Beschaffung sei aus Sicht der FPÖ zudem nicht mit der Neutralität Österreichs vereinbar, so Bernard. Zum Thema Neutralität sagte der Experte des Verteidigungsministeriums, dass bei Verhandlungen auf europäischer Ebene die militärische Neutralität Österreichs stets betont und in den Dokumenten vermerkt werde.
Bernard sprach auch die sogenannte „Ausweichklausel“ an. Diese könnte es ermöglichen, für Verteidigungsinvestitionen gemachte Schulden aus den Maastricht-Kriterien herauszurechnen. Die Expertin des Finanzministeriums sagte dazu, dass noch nicht entschieden sei, ob Österreich von der Ausweichklausel Gebrauch machen werde. Es sei davon auszugehen, dass ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich eröffnet werde.
Marco Schreuder (Grüne/W) ging auf das Thema Korruptionsvermeidung ein und meinte, dass sich besonders im Bereich der militärischen Ausgaben „oft Interessen verzahnen“ würden. Die Expertin des Finanzministeriums verwies unter anderem auf „enorm starke Berichtspflichten“ bei Darlehen aus dem Instrument SAFE und betonte, dass auch von einer Prüfung der Beschaffungsvorgänge durch den Europäischen Rechnungshof auszugehen sei.
Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) wollte wissen, ob sich Österreich an gemeinsamen Beschaffungen beteiligen könne, auch wenn es kein Darlehen aus dem Instrument SAFE in Anspruch nehme. Dies sei möglich, so die Expertin des Finanzministeriums.
Verfügbarkeit kritischer Arzneimittel sicherstellen
Thema im Ausschuss war auch der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Critical Medicines Act (CMA). Mit diesem soll die Versorgungssicherheit mit kritischen Arzneimitteln in der EU gestärkt und Abhängigkeiten von Lieferanten reduziert werden. Der Verordnungsvorschlag sieht vor, bereits bestehende Maßnahmen zu ergänzen und ein gesundheits- und industriepolitisches Instrumentarium bereitzustellen, um Schwachstellen in den Lieferketten für kritische Arzneimittel zu verringern. Zu den zentralen Bestimmungen des Vorschlags zählt unter anderem die Auslobung strategischer Projekte. Bei der öffentlichen Beschaffung von kritischen Arzneimitteln soll außerdem das erweiterte Bestbieterprinzip angewendet werden, bei dem neben dem Preis auch andere Kriterien berücksichtigt werden können.
Diese Ziele sind laut Gesundheitsministerium zu begrüßen, da die nachhaltige Eindämmung von Arzneimittelengpässen und die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung nur auf EU-Ebene wirksam erfolgen könne. Gleichzeitig sieht das Ministerium im vorgeschlagenen Rechtsakt noch „große Schwächen“. Denn es würden die zentralen Finanzierungsinstrumente fehlen und es gebe Doppelgleisigkeiten mit bereits bestehenden europäischen Kriseninstrumenten.
Die Grundlage des Vorschlags sei gut, sagte Sandra Jäckel (FPÖ/V). Die Erfahrung hätte jedoch gezeigt, dass derartige Maßnahmen „leicht missbraucht“ werden könnten. Sie wollte wissen, ob die Verordnung vorsehe, dass die EU Zugriff auf Medikamentenlager in Österreich haben werde.
Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) nannte das Vorhaben „unterstützenswert“ und betonte, dass es sehr wichtig gewesen sei, die Penicillin-Produktion in Österreich zu halten. Im Hinblick auf den Verordnungsvorschlag unterstrich sie, dass bei der Schaffung neuer Gremien, Doppelgleisigkeiten mit bereits bestehenden Einrichtungen vermieden werden sollen.
Auch Claudia Arpa (SPÖ/K) begrüßte die Initiative und die damit verbundene Stärkung des Industriestandorts. Zudem warf sie die Frage nach konkreten Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten auf.
Marco Schreuder (Grüne/W) fragte, wie laut Verordnungsvorschlag in der Praxis vorgegangen werde, sollte ein Land Probleme bei der Verfügbarkeit eines kritischen Arzneimittels feststellen.
Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) verwies darauf, dass Österreich bereits begonnen habe Medikamentenlager einzurichten. Sie fragte nach der Einordnung der nationalen Vorbereitung in die EU-Bestimmungen.
Ein Experte des Gesundheitsministeriums legte dar, dass die vorgeschlagene Verordnung keine Medikamentenlager vorsehe – dies gelte bei einigen Mitgliedstaaten als Kritikpunkt. Der Verordnungsvorschlag ziele auf präventives Handeln ab und enthalte demnach keinen Plan für das Vorgehen im Krisenfall. Es würden mit anderen Initiativen wie beispielsweise der „EU-Strategie der Bereitschaftsunion“ („EU Preparedness Union Strategy“) Schritte für eine bessere Vorbereitung auf zukünftige Krisen und Bedrohungen gesetzt werden, so der Experte. Hinsichtlich der Diversifizierung der Lieferketten gelte es jene Bereiche zu adressieren, in denen es besondere Schwierigkeiten gebe – eine Lieferkette müsse von „Anfang bis Ende gedacht werden“. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) bea
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