Ludwig/Gaál/Kaup-Hasler: Seestädter Gemeindebau NEU trägt nun den Namen der Widerstandskämpferin Lotte Brainin | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Ludwig/Gaál/Kaup-Hasler: Seestädter Gemeindebau NEU trägt nun den Namen der Widerstandskämpferin Lotte Brainin

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Bürgermeister Michael Ludwig, Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál und Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler nahmen die Benennung gemeinsam mit Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy sowie im Beisein zahlreicher Ehrengäste vor, darunter Lotte Brainins Ehemann, weitere Mitglieder der Familie und Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Sie war Lotte Brainin sehr verbunden und ihr ist ein wesentlicher Impuls für die Namensgebung zu verdanken.

„Sich für Menschenwürde, gegen Hass, Hetze, Krieg und gegen ein barbarisches Regime einzusetzen, ist heute ebenso wichtig wie damals. Umso bedeutsamer sind Persönlichkeiten wie Lotte Brainin, die dem menschenverachtenden Nationalsozialismus mutig Widerstand geleistet haben. Sie überlebte Folter und Konzentrationslager, gelang die Flucht aus dem KZ – und sie bewahrte sich ihre Haltung und ihren Einsatz für Menschlichkeit. Lotte Brainin verdient unsere höchste Anerkennung. Die heutige Benennung ist ein Zeichen der Wertschätzung und Erinnerung: an sie, an alle ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter – und an das, was diese mutigen Menschen für uns erkämpft und geopfert haben. Ihr Vermächtnis soll unvergessen bleiben“, betonte Bürgermeister Michael Ludwig in seiner Ansprache.

„Lotte Brainin hat als Jüdin seit ihrer Jugend Hetze und Verfolgung erlebt. Früh hat sie erkannt, welcher Abgrund die Menschheit bedroht und schon in jungen Jahren gegen die Nazis gekämpft. Auch dank dem Wirken von Lotte Brainin ist das Terror-Regime untergegangen und ein Leben in Freiheit möglich geworden. 65 Straßen, Plätze, Parks und Gebäude sind in der Seestadt nach bedeutenden Frauen benannt. So setzen wir mit der Gemeindebau-Benennung erneut einer großen, unvergesslichen Frau ein Denkmal“, unterstrich Vizebürgermeisterin, Wohnbau- und Frauenstadträtin Kathrin Gaál.

„Mit unendlichem Mut und fester Überzeugung trat Lotte-Brainin als jüdische Widerstandskämpferin gegen Hass und Totalitarismus ein. In Zeiten, in der überall auf der Welt Demokratie in Bedrängnis gerät, setzt der Lotte-Brainin-Hof ein wichtiges Zeichen. Er erinnert an die unerschütterliche Kraft einer Frau, die verfolgt, gefoltert und im Konzentrationslager mit dem Tod bedroht, weiter für Menschlichkeit, Freiheit und Gerechtigkeit kämpfte“, erklärte Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler.

Lotte Brainins Lebensweg

„Überall kämpft Lotte Brainin als politischer Flüchtling für Österreich und seine Kultur, seine damals überfahrene, zerstückelte Kultur, die ihre besten Teile ausgespuckt hatte unter dem Tritt von Stiefeln“, so Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek anlässlich der Hofbenennung.

Lotte Brainin, geb. Charlotte (Lotte) Sontag wurde am 12.11.1920 in Wien geboren und verstarb im 101. Lebensjahr am 16.12.2020.

Bereits in ihrer Jugend schloss sich Lotte Sontag der sozialistischen Jugendorganisation Rote Falken an und kämpfte aktiv gegen den erstarkenden Nationalsozialismus in Österreich. Nach den Februarkämpfen 1934 wurde sie aus politischen Gründen zum ersten Mal verhaftet und zu drei Wochen Haft verurteilt. Nach dem Anschluss Österreichs war sie als Jüdin bedroht und setzte sich nach Belgien ab. Dort schloss sie sich der jüdischen Widerstandsgruppe Österreichische Freiheitsfront (ÖFF) an. Im Rahmen der „Travail Allemand“ beteiligte sie sich an der lebensgefährlichen „Mädelsarbeit“. Junge Frauen versuchten mit Angehörigen der Deutschen Wehrmacht ins Gespräch zu kommen und sie im antifaschistischen Sinn zu beeinflussen.

Im Jahr 1943 wurde sie beim Übergeben einer Antikriegszeitung festgenommen, brutal verhört und gefoltert. Dann deportierten sie die Nazis im Jänner 1944 aus dem Sammellager Mechelen ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Dort war sie im lagerinternen Widerstand in der Kampfgruppe Union Kommando aktiv, die versuchte, eines der Krematorien zu sprengen. Anfang 1945 wurde sie zur Teilnahme an einem Todesmarsch gezwungen. Sie kann ins KZ Ravensbrück, aus dem ihr Ende April die Flucht gelang.

Ein Leben lang setzte sie sich dafür ein, diese Erinnerung an das NS-Verbrechensregime und die Lehren daraus zu vermitteln und wachzuhalten. Eine digitale Ausstellung der Künstlerin Marika Schmiedt über Lotte Brainins Leben mit zahlreichen Bild-, Text- und Tondokumenten ist besuchbar unter: https://www.brainin.at/lotte/

„Die Lebensgeschichte der Holocaust-Überlebenden Lotte Brainin war von unbeschreiblichem Grauen, zugleich aber auch von einem unermüdlichen Kampf für das Leben und gegen Unterdrückung, Gewalt und das Vergessen geprägt. Bis an ihr Lebensende hat sie sich dafür eingesetzt, dass das Andenken an die Gräueltaten des NS-Regimes uns eine Mahnung bleibt, auch in der Gegenwart aktiv gegen Unterdrückung einzustehen. Diese Benennung soll uns an Lotte Brainins Verdienste, zugleich aber auch an unsere eigene Verantwortung erinnern“, hielt Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy fest.

Erinnerungskultur im Gemeindebau „Niemals vergessen“

Wiener Wohnen hat erst jüngst gemeinsam mit Forscher*innen des DÖW eine großangelegte Studie präsentiert, die die dunkle Zeit des Nationalsozialismus ausleuchtet. Mit Beschluss vom 14. Juni 1938 wurden tausende jüdische Mieter*innen systematisch aus ihren Gemeindewohnungen vertrieben. Ziel der Studie war es, diese Schicksale sichtbar zu machen und die Erinnerung wachzuhalten. Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung setzt Wiener Wohnen deshalb auf eine breite Vermittlung der Forschungsergebnisse. Aktuell werden in zehn Bezirken – so auch in der Donaustadt – dazu geführte Rundgänge angeboten. Weitere Informationen zum Forschungsprojekt, die Anmeldung zu den Rundgängen und ein Ausblick auf weitere Vermittlungsangebote in den kommenden Monaten finden sich auf: nievergessen.wienerwohnen.at

Der „Lotte-Brainin-Hof“ im Überblick

Vor zwei Jahren wurden 76 innovativen 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen an die rund 170 Bewohner*innen übergeben. Eine Besonderheit des Gemeindebau NEU: Durch eine veränderbare Raumeinteilung können die Wohnungen leicht an persönliche Bedürfnisse angepasst werden, Schiebewände sowie Zimmer mit zwei Zugängen gewährleisten eine hohe Flexibilität. Großzügige umlaufende Balkone und raumhohe Fenster unterstreichen die hohe Qualität der Wohnungen.

Die Lage der Wohnhausanlage in der Mela-Köhler-Gasse 7 direkt am Elinor-Ostrom-Park und nahe der U2-Station Seestadt erfüllt sowohl den Wunsch nach Spiel- und Erholungsmöglichkeiten als auch nach einer öffentlichen Verkehrsanbindung in nächster Nähe. Ein ausgezeichneter ökologischer Standard ist durch den Einsatz von nachhaltigen Materialien, u.a. eines integrierten Wärmeverbundsystems für eine hohe Energieeffizienz, Fernwärme sowie PV-Anlagen gewährleistet.

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