Nationalrat spricht sich mit breiter Mehrheit für Koordinierungsstelle für Gedenkfeiern und Jubiläen aus
Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen fasste der Nationalrat in seiner heutigen Sitzung eine Entschließung über eine eigene Koordinierungsstelle für Gedenkfeiern und Jubiläen. Sie soll in der Kunst- und Kultursektion des von Vizekanzler Andreas Babler geleiteten Ministeriums für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport (BMWKMS) eingerichtet werden. Die Koordinierungsstelle werde als zentrale Anlaufstelle die Kommunikation mit den Ländern, der Zivilgesellschaft und weiteren Stakeholdern verbessern, sind die Abgeordneten der Koalition überzeugt.
Die Grünen äußerten zwar Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Antrags, stimmten ihm aber letztlich zu, um die Wichtigkeit des Themas der Gedenk- und Erinnerungspolitik zu betonen. Die FPÖ sieht hingegen keinen Bedarf an einer neuen Einrichtung mit dem Argument, dass Gedenken und Jubiläen auch bisher würdig organisiert werden konnten.
Koordinierungstelle soll Doppelgleisigkeiten bei der Organisation von Gedenken und Jubiläen vermeiden
Das Gedenkjahr 2025 biete Österreich die Chance, seine Erinnerungskultur weiterzuentwickeln und zu vertiefen, halten die Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS in ihrem Antrag fest. Im Plenum des Nationalrats schlossen sich auch die Grünen dieser Sichtweise an.
Wendelin Mölzer (FPÖ) sagte, das heurige große Gedenk- und Jubiläumsjahr zeige, dass keine zusätzliche Stelle notwendig sei, um solche Anlässe würdig zu begehen. Daher werde seine Fraktion dem Antrag nicht zustimmen. Mölzer kam außerdem auf allgemeine Linien der Kulturpolitik zu sprechen und kritisierte die Einladung von „ehemaligen RAF-Terroristen“ zu einer Veranstaltung der Wiener Festwochen. Er forderte vom Kulturminister, künftig keine Subventionen aus Steuergeldern für solche Veranstaltungen zu genehmigen.
Karin Auer (SPÖ) sagte, das heurige Jahr sei geprägt von vielen Anlässen des Gedenkens und der Erinnerung. Angesichts der gemeinsamen Verantwortung zur Auseinandersetzung mit der Geschichte sei die Einrichtung der Stelle in der Kultur- und Kunstsektion ein richtiger Schritt. Die neue Stelle werde keine zusätzlichen Kosten verursachen, sondern bestehende Ressourcen nützen und Synergien schaffen. Antonio Della Rossa (SPÖ) sagte, der Begriff „Erinnerung“ sei in der deutschen Sprache eng mit den Begriffen „Verinnerlichung“ und damit dem Begriff der „Achtsamkeit“ verbunden. Der Besuch von Gedenkstätten und Gedenkfeiern helfe, diese Achtsamkeit zu entwickeln und sich zu vergegenwärtigen, was in der Vergangenheit an Unfassbarem passiert sei. Wenn Versuche der Relativierung und Leugnung der Gräuel der Vergangenheit unternommen würden, sei besondere Achtsamkeit geboten, denn dann stehe die Demokratie auf dem Spiel. Silvia Kumpan-Takacs (SPÖ) erhofft sich von der Koordinierungsstelle einen besseren Überblick über die Organisation von Gedenkveranstaltungen. Sie sieht auch eine Chance für die Entwicklung einer auf die Zukunft gerichteten Gedenkkultur, die vor allem das Geschichtsbewusstsein von Kindern und Jugendlichen im Auge hat.
Laurenz Pöttinger (ÖVP) betonte, dass die neue Stelle mit guter Koordination dazu beitragen solle, die Kommunikation über Jubiläen und Gedenken zu verbessern. Damit biete sie auch eine Möglichkeit, Doppelgleisigkeiten zu vermeiden. Ein sparsamer Einsatz von Mitteln sei gerade vor dem Hintergrund der Budgetsanierung wichtig. Rudolf Taschner (ÖVP) warnte vor der Gefahr, dass über einer zu starken Fokussierung auf Gedenkveranstaltungen das Geschichtsbewusstsein selbst und die Kompetenz im Umgang mit der Vergangenheit zu kurz kommen könnten. Die neue Koordinierungsstelle könnte dem entgegenwirken, er halte sie daher für sinnvoll, meinte der Abgeordnete.
Österreich habe eine reiche Geschichte „voll Licht, aber auch mit Schatten“, sagte Gertraud Auinger-Oberzaucher (NEOS). Das Gedenken sei kein Selbstzweck, sondern es solle helfen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Die Erinnerungskultur brauche aber neue Strukturen und eine bessere Koordination, da die föderalen Strukturen oft zu Ineffizienz geführt hätten. Für eine zentrale Koordinationsstelle sei gerade das heurige Gedenkjahr der richtige Zeitpunkt. Auinger-Oberzaucher sprach sich dafür aus, neben traditionellen auch neue, dezentrale Formen des Gedenkens zu fördern. Die Erinnerungskultur müsse in die Zukunft blicken und sich den neuen Gegebenheiten nach dem Verschwinden der letzten Zeitzeug:innen anpassen. Die Koordinierungsstelle könne ein erster Schritt in diese Richtung sein.
Lukas Hammer (Grüne) sagte, der Antrag sei für sich genommen zwar nicht unbedingt notwendig, um die Koordinierungsstelle in der geplanten Form umzusetzen. Das darin formulierte Anliegen sei ja vor allem eine bessere Verwaltung bestehender Ressourcen. Die Grünen würden der Entschließung zustimmen, da das Thema Gedenkpolitik zu wichtig sei, um es zum Anlass von „kleinlicher Kritik“ an Details zu machen. Hammer plädierte für eine kritische, gegenwartsbezogene Gedenkpolitik, die das Lernen aus der Geschichte und aus den Fehlern der Vergangenheit sicherstellt. Gerade jetzt seien Anzeichen für politische Fehlentwicklungen zu beobachten, etwa wenn wieder Politik mit Hass und Hetze gemacht werde. Umso wichtiger sie die Entwicklung einer kritischen Gedenkpolitik, um dem entgegentreten zu können.
Babler: Wir brauchen eine starke Erinnerungs- und Gedenkkultur
Die Entwicklung einer angemessenen Erinnerungskultur sei wichtig, um ein selbstbewusstes, gleichzeitig aber auch kritisches Verhältnis zur eigenen Vergangenheit entwickeln zu können, sagte Kulturminister Andreas Babler. Eine starke Erinnerungs- und Gedenkkultur sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das „Niemals wieder!“ mehr darstelle als ein bloßes Schlagwort. Dafür brauche es die Möglichkeit einer kollektiven Bewusstseinsbildung. Das heurige Jubiläums- und Gedenkjahr biete einen guten Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung der Gedenken- und Erinnerungskultur. Diese Aufgabe solle die Koordinierungsstelle wahrnehmen. (Fortsetzung Nationalrat) sox
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