Diskussion über Messenger-Überwachung im Verfassungsausschuss
Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat sich in seiner heutigen Sitzung mit zahlreichen Oppositionsanliegen befasst. Von der Messenger-Überwachung über den Bestellmodus der Volksanwaltschaft bis hin zu einem „Verbotsgesetz für den politischen Islam“ und zum Instanzenzug bei Asylverfahren reichte die Themenpalette. Inhaltliche Beschlüsse gab es keine, alle Anträge – auch eine Initiative der FPÖ betreffend die Anklage von Ex-Klimaschutzministerin Leonore Gewessler beim Verfassungsgerichtshof wegen des Stopps von Straßenbauprojekten – wurden vertagt. Bezüglich der geforderten Ministeranklage gegen Gewessler kann sich die ÖVP ein Hearing im Verfassungsausschuss vorstellen: Abgeordneter Wolfgang Gerstl will Expert:innen befragen, ob eine solche Vorgangsweise angebracht ist.
Eine umfassende Diskussion gab es im Ausschuss über einen Entschließungsantrag der Grünen in dem die Abgeordneten Süleyman Zorba und Agnes Sirkka Prammer ihr klares Nein gegen die zur Diskussion stehende Messenger-Überwachung zum Ausdruck bringen. Auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak hält eine verfassungskonforme Gefährderüberwachung mit dem von Innenminister Gerhard Karner in Begutachtung geschickten Gesetzentwurf „für schlichtweg nicht möglich“. Staatssekretär Alexander Pröll zeigte sich mit Verweis auf das Regierungsprogramm dennoch zuversichtlich, dass die Gefährderüberwachung kommen wird.
Klares Nein der Opposition zu Messenger-Überwachung
Mit ihrem Entschließungsantrag (208/A(E)) wollen die Grün-Abgeordneten Zorba und Prammer insbesonders erreichen, dass die Regierung alle Pläne zur Überwachung von Messenger-Diensten umgehend einstellt und Maßnahmen ergreift, damit österreichische Staatsbürger:innen nicht Opfer von Spionage-Software würden. Ihrer Meinung nach sind durchschlagende Ermittlungserfolge durch eine Überwachung von Messenger-Diensten nicht zu erwarten. Vielmehr drohe verwendete Spionage-Software missbräuchlich eingesetzt zu werden, wie Beispiele aus Ländern wie Griechenland, Dänemark und Polen zeigten. Zorba hält den von Innenminister Gerhard Karner in Begutachtung geschickten Gesetzentwurf außerdem für verfassungswidrig. Es sei technisch einfach nicht möglich, ausschließlich Nachrichten auszulesen, gab er im Ausschuss zu bedenken. Vielmehr erhalte man beim Einsatz von Spyware Zugang auf das gesamte Handy. Seine Parteikollegin Prammer kritisierte zudem den mangelhaften Rechtsschutz, auch wenn Zorba einräumte, dass dieser gegenüber früheren Entwürfen verbessert worden sei.
Bei seiner Kritik berief sich Zorba auch auf einen Podcast von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak, in dem sich dieser kritisch zur Messenger-Überwachung äußert. Das was Zorba sage, sei richtig, blieb Scherak auch im Ausschuss bei seiner Kritik. An der technischen Machbarkeit habe sich in den vergangenen Jahren nichts geändert, man greife immer auf das gesamte Endgerät zu. Eine verfassungskonforme Gefährderüberwachung ist seiner Ansicht nach mit dem von Karner in Begutachtung geschickten Entwurf „schlichtweg nicht möglich“. Scherak verwies zudem darauf, dass man Spy-Software aus „zwielichtigen Bereichen“ kaufen müsse und Sicherheitslücken auch von anderen ausgenützt werden könnten.
Der Kritik der Grünen schlossen sich auch die FPÖ-Abgeordneten Michael Gmeindl und Gernot Darmann an. Gmeindl äußerte nicht nur die Befürchtung, dass Bürger:innen mit Spy-Software grundlos überwacht werden könnten, er wies auch auf die hohen Kosten hin. Darmann warnte ebenfalls vor einer missbräuchlichen Verwendung. Ihm zufolge hat Spy-Software außerdem auch dort, wo sie schon im Einsatz sei, terroristische Anschläge nicht verhindern können. Genauso wenig hätte sie geholfen, das Attentat in Villach zu verhindern. Die Polizei habe schon jetzt zu wenig Personal, um vorhandene Möglichkeiten bei der Terrorismusbekämpfung zu nutzen, so Darmann. Er vermutet daher eine „politische Blendgranate“.
ÖVP hält an Messenger-Überwachung fest
ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl hielt den Kritiker:innen entgegen, dass es um eine Gefährder- und nicht um Massenüberwachung gehe. Nur in ganz bestimmten Fällen solle Messenger-Überwachung ermöglicht werden. Der Verfassungsschutz rechne mit nicht mehr als 35 Fällen pro Jahr. Gerstl erwartet auch keinen Missbrauch. Auch bei der Telefonüberwachung könne man private Gespräche mithören, die nichts mit der mutmaßlichen Straftat zu tun haben, hob er hervor. Er kenne aber keine missbräuchliche Verwendung der Privatsphäre. Zudem verwies Gerstl auf die Notwendigkeit einer richterlichen Anordnung und die Einschaltung des Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums. „Wir werden den Prozess sehr intensiv beleuchten“, sagte Gerstl. Außerdem werde es eine längere Zeitspanne bis zum Inkrafttreten des Gesetzes geben, um ausreichend Zeit für die Prüfung technischer Möglichkeiten zu haben.
Auch Staatssekretär Alexander Pröll zeigte sich zuversichtlich, dass die Gefährderüberwachung kommen wird. Er sei dankbar, dass man sich in der Regierung mit SPÖ und NEOS darauf „comittet“ habe, betonte er. Man brauche die Messenger-Überwachung, um Terrorist:innen aus dem Verkehr zu ziehen. Für ihn steht auch fest, dass eine derrtige Überwachungsmaßnahme verfassungskonform ist. Es gebe in Österreich eine Telefon- und eine SMS-Überwachung, er verstehe nicht, warum das bei Messenger-Diensten nicht möglich sein solle. Wie Gerstl wies auch Pröll außerdem darauf hin, dass eine Überwachung gemäß dem Begutachtungsentwurf richterlich angeordnet werden müsse, durch den Rechtsschutzbeauftragten begleitet werde und auf drei Monate beschränkt sei. Seiner Ansicht nach obliegt es überdies ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof zu entscheiden, ob das Gesetz verfassungskonform sei.
Dem widersprach Grün-Abgeordnete Prammer. Die Abgeordneten seien angehalten, nur verfassungskonforme Gesetze zu beschließen, unterstrich sie. Auch von einem Vergleich der Messenger-Überwachung mit Telefonüberwachungen halten die Grünen wenig: Für Zorba zeigt das, dass die ÖVP in den letzten Jahren nichts gelernt habe. Seitens der SPÖ wies Klaus Seltenheim darauf hin, dass der Gesetzentwurf derzeit in Begutachtung sei. Damit wurde auch die Vertagung des Antrags begründet.
Ministeranklage gegen Ex-Ministerin Gewessler: ÖVP regt Hearing an
Ebenfalls vertagt wurde ein Antrag der FPÖ (169/A), der darauf abzielt, Ex-Umweltministerin Leonore Gewessler beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. Diese habe mit dem während ihrer Amtszeit verkündeten Baustopp für den Lobautunnel und andere Straßenbauprojekte gegen geltendes Recht verstoßen und sich in inakzeptabler Form über das Parlament gestellt, begründen Christian Hafenecker und seine Parteikolleg:innen ihren Vorstoß. Dabei verweisen sie auch auf ein vorliegendes Gutachten.
Begründet wurde die Vertagung von ÖVP-Abgeordnetem Wolfgang Gerstl damit, dass man eine Ministeranklage nicht leichtfertig beschließen solle. Diese sei etwas Besonderes und dürfe nicht als parteipolitisches Instrument verwendet werden. Er regte an, ein Expertenhearing im Verfassungsausschuss zu diesem Thema abzuhalten, um zu eruieren, ob ein solcher Schritt angebracht sei.
Verwundert über die Vertagung und den Vorschlag Gerstls zeigte sich Grün-Abgeordnete Prammer. Sie wies darauf hin, dass entsprechende FPÖ-Anträge in der letzten Legislaturperiode abgelehnt worden seien, weil es keinen Grund für eine Ministeranklage gegen Gewessler gebe. Es habe keine Weisung Gewesslers in dieser Frage gegeben, das wisse auch die ÖVP, unterstrich Prammer.
Ministeranklage auch nach Ausscheiden aus dem Amt möglich
Für die FPÖ-Abgeordneten Harald Stefan, Gernot Darmann und Michael Schilchegger ist hingegen klar, dass Gewessler mit dem Stopp des Lobautunnels und anderer Straßenbauprojekte einen „Gesetzesbruch“ begangen habe. Schilchegger wies außerdem darauf hin, dass die Zeit für eine mögliche Ministeranklage gegen Gewessler begrenzt sei. Ein Expertenhearing hält er für überflüssig, schließlich obliege die juristische Beurteilung dem VfGH.
Ziel einer Ministeranklage ist grundsätzlich der Verlust des Ministeramts. Bei „besonders erschwerenden Umständen“ oder im Falle strafrechtlicher Vergehen kann der VfGH aber auch weitergehende Sanktionen verhängen. Dazu gehört etwa der zeitweilige Verlust der politischen Rechte, also etwa das Recht, bei Wahlen zu kandidieren. Laut Antrag endet die rechtliche Verantwortung der Ministerin gegenüber dem Nationalrat auch nicht mit ihrem Ausscheiden aus dem Amt, sondern kann bis zu einem Jahr danach noch geltend gemacht werden.
FPÖ fordert „Verbotsgesetz gegen den politischen Islam“
Ebenfalls im Ausschuss zur Diskussion stand ein Entschließungsantrag der FPÖ (41/A(E)), der auf die Schaffung eines „Verbotsgesetzes für den politischen Islam“ abzielt. In einem solchen „Sammelgesetz“ will FPÖ-Abgeordneter Michael Schilchegger verschiedene strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen bündeln. So sollen etwa die Verbreitung islamistischer Propaganda mit bestimmten Inhalten wie der Herabwürdigung von Frauen oder der Ablehnung der österreichischen Rechtsordnung sowie die Betätigung in islamistischen Organisationen, die sich staatliche Aufgaben anmaßen oder Terror vorbereiten, ausdrücklich verboten und unter Strafe gestellt werden. Gleiches gilt für die Ausübung von Gewalt auf Basis religiöser Lehren, das öffentliche Gutheißen oder Rechtfertigen solcher Straftaten wie Ehrenmorde oder Genitalverstümmelungen und die öffentliche Aufforderung zur Etablierung der Scharia. Auch eine Evaluierung und Verschärfung des Straftatbestandes „religiös motivierte extremistische Verbindung“, Nachschärfungen im Symbolegesetz, eine Evaluierung des Islamgesetzes, die Einführung eines „Hassprediger-Registers“, die Neuregelung des islamischen Religionsunterrichts, eine konsequente Umsetzung des Burkaverbots, die Unterstützung demokratie- und integrationsfördernder islamischer Einrichtungen, ein Nationaler Aktionsplan gegen den politischen Islam und viele weitere Punkte sind FPÖ-Abgeordnetem Michael Schilchegger ein Anliegen.
In der Debatte bekräftigte Schilchegger seine Forderung. Österreich habe seit längerem ein Problem mit dem politischen Islam, machte er geltend. Der FPÖ gehe es nicht darum, friedliche Religionsausübung zu diskriminieren, vielmehr wolle man gegen Radikalisierung vorgehen. Es habe in der Vergangenheit mehrere „verbrecherische Ereignisse“ wie das Attentat von Villach gegeben. Mit einem gezielten Verbotsgesetz soll laut Schilchegger Bewusstsein für diese Thematik geschaffen werden, auch wenn es schon jetzt vielfach strafrechtliche Konsequenzen gebe. Auch seine Fraktionskollegen Markus Tschank und Gernot Darmann halten Sonderbestimmungen für notwendig, da vom politischen Islam eine besondere Gefährdung ausgehe, wie Tschank festhielt.
ÖVP gegen „Gesinnungsstrafrecht“
Seitens der ÖVP verwiesen Wolfgang Gerstl und Susanne Raab auf das Regierungsprogramm. Es liege auf der Hand, dass man an verschiedenen Stellschrauben drehen müsse, sagte Gerstl. Einiges sei schon geschehen, anderes sei vorgesehen. Als Beispiele nannte er etwa eine Adaptierung des Symbolegesetzes oder die Einrichtung eines Registers für Hassprediger. Auch Raab ortet „eine gewisse Überschneidung“, was die Forderungen der FPÖ betrifft. So sei eine Überarbeitung des Islamgesetzes in Planung. Es gehe aber von jedem Bereich des Extremismus eine besondere Gefahrenlage aus und nicht nur vom Islamismus, gab Raab zu bedenken. Anders als die FPÖ wolle die ÖVP kein „Gesinnungsstrafrecht“, sagte Gerstl.
Auch nach Meinung von Agnes Sirkka Prammer (Grüne) gehen einige von der FPÖ geforderte Maßnahmen in die richtige Richtung. Man müsse dem verfassungsfeindlichen Islamismus entschieden entgegentreten, mahnte sie. Insgesamt hält sie den FPÖ-Antrag aber nicht für zustimmungsfähig. Prammer stieß sich außerdem am von der FPÖ verwendeten Begriff „Verbotsgesetz“. Damit relativiere die FPÖ die Verbrechen des Nationalsozialismus, meinte sie, was von FPÖ-Abgeordnetem Darmann jedoch entschieden zurückgewiesen wurde.
Selma Yildirim (SPÖ) warnte davor, den Boden der Verfassungskonformität und der Rechtsstaatlichkeit zu verlassen. Man könne das Problem des Extremismus nicht auf eine Religion reduzieren, erklärte sie. Gewalttätige Aktionen seien stets zu bekämpfen, egal mit welcher Rechtfertigung. Aufgabe des Staates sei es, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs
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