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Bundesrat bestätigt „Pause“ für Familienzusammenführung

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Der Bundesrat billigte den Nationalratsbeschluss zur Novelle des Asylgesetzes. Die Bundesregierung kann die Bearbeitung von Anträgen asylberechtigter Personen auf Familienzusammenführung künftig per Verordnung vorübergehend aussetzen.

Der FPÖ geht das nicht weit genug. Der Familiennachzug müsse permanent gestoppt werden, meint die Fraktion, scheiterte aber mit einem Entschließungsantrag zum Ausstieg Österreichs aus dem EU-Asylrecht.

Die Grünen äußerten moralische und rechtliche Bedenken und sprachen sich dafür aus, zunächst mittels eines „Integrationsbarometers“ relevante demographische Daten in Bezug auf die Belastungen auf den Staatshaushalt zu erheben. Der entsprechende Entschließungsantrag wurde abgelehnt.

Die EU-Jahresvorschau des Innenressorts wurde von den Bundesrät:innen mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Leichtfried: Balance zwischen Recht auf Asyl und Funktionalität der Republik

Die Aufnahmekapazitäten in Österreich würden sich in Richtung Erschöpfung bewegen, erklärte Staatssekretär Jörg Leichtfried der Länderkammer das Vorhaben. Der Familiennachzug habe das Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem an den Rand der Handlungsfähigkeit gebracht. Mit der Maßnahme sei eine Balance gefunden worden, um Rechtsstaatlichkeit und die Europäische Menschenrechtskonvention nicht außer Acht zu lassen, erläuterte er. Für die Republik sei allerdings wesentlich, dass Vorsorge für Zukunftschancen getroffen werden könne. Ziel des Gesetzes sei, dass der soziale Frieden in Österreich auch in Zukunft möglich ist, so Leichtfried. Österreich werde immer ein hilfsbereites Land bleiben. Er brachte ein Bekenntnis zum Recht auf Asyl, aber auch zur Funktionalität der Republik zum Ausdruck.

Voraussetzung für die Hemmung der Familienzusammenführung ist das Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats über die Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit. Die Koalition beruft sich dabei auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, aus diesen Gründen von einzelnen Bestimmungen des sekundären Asylrechts der EU abzuweichen. Ausnahmeregelungen gibt es für Minderjährige oder andere Antragsteller:innen, bei denen das Recht auf Privat- und Familienleben laut Europäischer Menschenrechtskonvention (EMRK) „zwingend geboten“ ist. Die Regelung soll bis Ende September 2026 in Kraft sein.

FPÖ befürchtet Schlupflöcher, Grüne sehen Völkerrechts-Verstoß

Die „Pause“ des Familiennachzugs erhielt die Zustimmung der Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und NEOS. FPÖ und Grüne stimmten aus unterschiedlichen Gründen dagegen.

Laut Bundesrätin Isabella Theuermann (FPÖ/K) sei die Novelle kein „neues Allheilmittel gegen jahrzehntelanges Versagen im Asylwesen“. Vielmehr warf sie der Bundesregierung vor, der Erwartungshaltung der Bevölkerung nicht gerecht zu werden. Der Familiennachzug sei nur eine Folgeerscheinung des „Hauptproblems Massenmigration“ und die Bundesregierung würde nicht die Ursachen, sondern lediglich ein Symptom ansprechen, so der Vorwurf. Die Freiheitlichen hingegen würden für eine restriktive Asylpolitik stehen, was eine „Asylquote Null“ und eine „Festung Österreich“ bedeute, sagte Theuermann. Sie sieht die Lösung in dem von ihr vorgeschlagenen „Asylstopp“ und dem Ausstieg aus dem EU-Asylrecht. Genauso wie Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) sieht sie die Ausnahmeregelungen problematisch. Durch diese Umgehungsmöglichkeiten bzw. Schlupflöcher werde die Ausnahme wohl zur Regel und nichts werde sich ändern, so die Befürchtung.

Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) wertet die Gesetzesänderung als „wegweisende Entscheidung“ mit tiefgreifenden humanitären Auswirkungen. Sie sieht die rechtlichen Grundlagen der europäischen Gemeinschaft in Frage gestellt und einen Verstoß gegen EU-Richtlinien und Völkerrecht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verstehe den Familiennachzug als wesentlichen Bestandteil des Flüchtlingsschutzes, erläuterte die Bundesrätin, warum sie die Einschränkung nicht nur moralisch fragwürdig sondern auch rechtlich „inkorrekt“ empfindet. Außerdem fehle es an hinreichender Datengrundlage zur adäquaten Beurteilung der Situation, meinte sie. Für Simone Jagl (Grüne/N) handele es sich um „Symbolpolitik“ zu Lasten der Kinder.

Entlastung des Sicherheitsbereichs, Schul- und Sozialsystems

Wegen der Vielzahl an nach Österreich gekommenen Schutzsuchenden und dem damit einhergehenden Familiennachzug würde man in Österreich an die Grenzen der Belastbarkeit gelangen, argumentierte Bundesrat Harald Himmer (ÖVP/W) die „Pause“ der Familienzusammenführung. Er sprach insbesondere das Bildungs- und das Sozialsystem sowie den Sicherheitsbereich an. Diese gelte es zu entlasten. Auch seine Fraktionskollegin Johanna Miesenberger (ÖVP/O) sieht die Schulen aus diesen Gründen vor enormen Herausforderungen. Sie versteht die Novelle des Asylgesetzes als eine Sonderregelung, die bei einer Überlastung der Systeme zum Tragen komme. Es handle sich um eine kontrolliert ablaufende, befristete Vorgangsweise, meinte sie unter Verweis auf die Ausnahmen für Härtefälle.

Von einem „emotionalen Thema“ sprach Bernadette Kerschler (SPÖ/St), die FPÖ und Grünen diesbezügliche Untätigkeit während ihrer Regierungsbeteiligung vorwarf. Angesichts der derzeitig herausfordernde Situation hätte schon früher an der Problemlage gearbeitet werden sollen, meinte sie. Die Menschen würden sich rechtskonforme Lösungen für die Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen sowie für das Sicherheitssystem erwarten.

In Wien würden 44 % der Taferlklassler als außerordentliche Schüler:innen gelten, also nicht über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen, brachte Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) Zahlen vor. Sie versteht es daher als Faktum, dass das Schulsystem überlastet sei. Um Kindern in Österreich faire Bildungschancen zu ermöglichen, müsse der Familiennachzug nun leider vorerst einmal ausgesetzt werden, so ihre Einschätzung. Sie betonte, dass der parlamentarische Begutachtungsprozess bei der Gesetzgebung ernst genommen worden sei.

Herausforderungen im Migrationsbereich werden auf EU-Ebene gesamtheitlich angegangen

Die Bundesrät:innen sprachen bei der heutigen Plenarsitzung auch über die EU-Jahresvorschau des Innenressorts, die einen Überblick über die Schwerpunktsetzungen der Europäischen Kommission und des EU-Ratsvorsitz-Trios für das Innenressort gibt. Demnach wird sich Österreich an der Maßnahmenumsetzung der neuen europäischen Strategie für die innere Sicherheit beteiligen und sich für einheitliche Regelungen bei Rückführungen einsetzen. Der Asyl- und Migrationspakt der Kommission wird vom Innenministerium als Schritt in die richtige Richtung gewertet. Der Staatssekretär im Innenministerium Jörg Leichtfried begrüßt die Zugangsweise, die Herausforderungen im Migrationsbereich gesamtheitlich zu sehen.

Während die Bundesrät:innen Franz Ebner (ÖVP/O), Dominik Reisinger (SPÖ/O) und Elisabeth Kittl (Grüne/W) einzelne Schwerpunktsetzungen beleuchteten, wertete Günter Pröller (FPÖ/O) den Bericht als Show- und Ankündigungspolitik mit leeren Versprechungen. Er forderte konsequente Maßnahmen für die innere Sicherheit, um illegale Zuwanderung nach Österreich zu beenden. (Fortsetzung Bundesrat) fan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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