Presserat präsentiert Jahresbericht und Fallstatistik für 2024
Christa Zöchling, die Sprecherin des Senats 3 des Presserats, und Geschäftsführer Alexander Warzilek präsentierten bei der Jahrespressekonferenz den Jahresbericht und die Fallstatistik für das Geschäftsjahr 2024. Warzilek zog eine positive Bilanz: „Der Presserat hat sich in den letzten Jahren zu einer anerkannten Ombudsstelle für die Leserinnen und Leser entwickelt. Die Branche nimmt unsere Entscheidungen ernst und die Zahl der Fälle liegt konstant bei über 400.“
Fallstatistik 2024
Die Senate des Presserats behandelten im vergangenen Jahr insgesamt 426 Fälle, in 27 Fällen stellten sie Verstöße gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse fest (zum Vergleich: 2023 gab es 407 Fälle und 20 Ethikverstöße).
Nachfolgend die Fallzahlen 2024 für einzelne Medien und in Klammer dazu jeweils die medienethischen Verstöße: „Kronen Zeitung“ 66 (8), „OE24“ 39 (7), „Mein Bezirk“ 19 (3), „News“ 4 (2), „Heute“ 39 (2), „Das Wien“ 1 (1), „Style up your Life“ 1 (1), „Der Grazer“ 6 (1), „Kurier“ 27 (1), „Falter“ 4 (0), „NÖN“ 5 (0), „SN“ 5 (0), „TT“ 6 (0), „OÖN“ 7 (0), „VN“ 9 (0) „Kleine Zeitung“ 13 (0), „Die Presse“ 25 (0).
In drei Fällen wurden die Senate eigenständig aktiv.
Medienethische Entscheidungen des Jahres 2024
Eine wegweisende Entscheidung fällte der Senat 1 im Fall „Lena Schilling“ gegen die Tageszeitung „Der Standard“. Der beanstandete Artikel enthielt mehrere anonymisierte negative Zitate zur EU-Politikerin. Der Senat gelangte zur Auffassung, dass die im Artikel veröffentlichen anonymisierten konkreten Vorwürfe mehrerer Personen mit ausreichender Äquidistanz wiedergegeben und entsprechend recherchiert und belegt wurden. Demgegenüber bewertete der Senat einige weitere anonymisierte Wertungen und Meinungen zu Schilling ohne Bezug zu konkreten Vorfällen als unausgewogen im Sinne des Punkt 2.1 des Ehrenkodex („gewissenhafte Wiedergabe von Nachrichten“). Nach Ansicht des Senats war die Anonymisierung in diesen Fällen unzulässig. Dazu zählten u.a. Äußerungen wie Schilling habe das Vertrauen junger Menschen ausgenutzt, sie habe in Teilen der Klimabewegung verbrannte Erde hinterlassen und sie habe einen mehr als fragwürdigen Umgang mit jungen Menschen.
Zu den Persönlichkeitsverletzungen zählten u.a. die falschen Überschriften, dass der ORF-Achorman Armin Wolf noch einmal etwas Neues machen wolle bzw. dass er sich live im ORF verabschiedet habe („Style up your Live“), aber auch die Veröffentlichung eines Fotos, auf dem vier leichtbekleidete chinesische Prostituierte zu sehen sind, die ermordet wurden („oe24“). Trotz Verpixelung der Gesichter erkannte der Senat hier wegen des unangemessenen sexualisierten Gehalts im Kontext der Ermordung einen Eingriff in den Persönlichkeitsschutz.
Ein eindeutiger Ethikverstoß war auch ein Bericht in „Das Wien“, in der der vermutete Suizidversuch der Journalistin Alexandra Föderl-Schmid als „Posse“ und „oscarreife Inszenierung“ eingeordnet wurde; am Ende des Artikels war dann auch noch die Rede davon, dass hier eine „Show abgezogen“ worden sei.
Ein Bericht in der „Kronen Zeitung“, in dem einem Asylwerber ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellt wurde, ein Mädchen unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht zu haben, stufte der Senat 2 als Verstoß gegen die Unschuldsvermutung ein („Kronen Zeitung“).
Keine Persönlichkeitsverletzung lag gegenüber der Firma „Senecura“ vor, die sich über einen Bericht in „Dossier“ beschwerte – im Bericht ging es um einen Bewohner, der in einem von der Firma betriebenen Altersheim verhungerte. Zum einen konnte „Senecura“ im Rahmen eines umfangreichen Fragenkatalogs Stellung nehmen, zum anderen waren die Vorwürfe genau recherchiert und es wurden auch andere Ärzte zum Todesfall befragt. Schließlich war auch entscheidend, dass es für den öffentlichen Diskurs wichtig ist, dass Medien Angehörige eines Menschen, der allenfalls Opfer von gravierenden Missständen im Gesundheitswesen geworden ist, zu Wort kommen lassen.
Darüber hinaus wurde ein langer, sehr kritischer Bericht in der „Kronen Zeitung“ über das Ehepaar Bohrn-Mena gerügt, zumal den Betroffenen nicht die Möglichkeit gegeben wurde, zu den durchaus gravierenden Vorwürfen Stellung zu nehmen (Punkt 2.3 des Ehrenkodex).
Als unzulässige Pauschalverunglimpfung von Migrantinnen und Migranten bewertete der Senat 2 die grafische Gestaltung eines Artikels in der Tageszeitung „Kurier“ zum Thema Migration und Integration in Österreich (Punkt 7 des Ehrenkodex). Der Artikel war von Arabesken umgeben, die sich aus Hieb- und Stichwaffen zusammensetzten. Auch wenn im Artikel vor allem über Integrationsschwierigkeiten berichtet wurde, hielt der Senat fest, dass nicht jedes Problem im Zusammenhang mit Migration mit Gewalt und Waffen zu tun hat.
Den Tätigkeitsbericht 2024, in dem einige der oben genannten Fälle genauer beschrieben werden, eine detaillierte Fallstatistik sowie den Jahresabschluss 2024 finden Sie unter www.presserat.at.
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