MAK zeigt „HITO STEYERL. Der Menschheit ist die Kugel bei einem Ohr hinein und beim anderen herausgeflogen“
Hito Steyerl zählt zu den zentralen künstlerischen Positionen der Gegenwart, wenn es darum geht, soziale Prozesse, gesellschaftliche Entwicklungen, politische Konflikte und ihre Verwobenheit mit technologischen Entwicklungen und KI kritisch zu thematisieren. Unter dem Titel Der Menschheit ist die Kugel bei einem Ohr hinein und beim anderen herausgeflogen nach einem Zitat von Karl Kraus präsentiert das MAK die erste Einzelausstellung der in Berlin lebenden Künstlerin, Filmemacherin und Autorin in Wien. Im MAK zeigt Hito Steyerl (* 1966) die zwei multimedialen Installationen Hell Yeah We Fuck Die (2016) und Mechanical Kurds (2025), die aus unterschiedlichen Perspektiven von Krieg und Krisen in den kurdischen Gebieten der Türkei, Syriens und des Irak erzählen.
In Hell Yeah We Fuck Die (2016) spielt Steyerl mit überdimensionalen Leuchtbuchstaben auf die in den englischsprachigen Musikcharts der 2010er Jahre laut dem Magazin Billboard meist verwendeten Worte an, die gleichzeitig eine globale Krisenstimmung wiedergeben. Als animiertes Schriftbild leuchten sie an mehreren Stellen der modulartigen Installation auf, die an einen sportlichen, einem militärischen Hindernislauftraining nachempfundenen, Parcours erinnert.
In dieses Environment sind zwei Videos eingebettet: Das gleichnamige Video Hell Yeah We Fuck Die dokumentiert Labortests mit Robotern, die darauf trainiert werden, Menschen in Katastrophengebieten zu retten. Die Sequenzen zeigen auch, wie die Roboter von Wissenschaftler*innen zur Optimierung getreten werden. Robots Today nimmt uns mit in die Straßen der Stadt Diyarbakir in Südostanatolien, Türkei, nahe der syrischen Grenze. Sie war 2015/16 Schauplatz der kurdischen Protestbewegung, auf die mit Gewalt und Zerstörung reagiert wurde. Erzählerisch verknüpft Steyerl Handlungen des Widerstands mit dem kulturellen Gedächtnis der Stadt und dem Erfindungsreichtum des Ingenieurs Ismail al-Jazari, der im 12. Jahrhundert automatische Maschinen schuf und als Vater der Robotik gilt.
Die Auswirkungen der Konflikte in den kurdischen Gebieten und der Krieg in Syrien sind seit Jahren Themen der Arbeit von Hito Steyerl, auch ihrer neuen Videoinstallation Mechanical Kurds (2025). Darin nimmt sie Bezug auf einen historischen Schachautomaten, der im 18. Jahrhundert vom Wiener Hofbeamten Wolfgang von Kempelen gebaut und Kaiserin Maria Theresia als „Türke“ präsentiert wurde. Die neuartige Technik wurde damit erklärt, dass im Inneren ein Zwerg versteckt sei. In seinen Aufzeichnungen Über den Begriff der Geschichte (1940) spricht der Philosoph und Kunsttheoretiker Walter Benjamin über diesen Schachautomaten, eine „Puppe in türkischer Tracht“: Durch Spiegel wird eine Illusion erzeugt, doch in Wirklichkeit lenkt ein Zwerg die Hand einer Puppe.
Steyerl entwickelt die Geschichte des Schachroboters weiter: Im Zwerg ist eine kurdische Frau versteckt, und das Schachspiel wird zur Kriegsführung transformiert, eingebettet in von Drohnen fotografierte Luftbildaufnahmen der schachbrettartig angelegten Gebäude und Straßen der Flüchtlingslager von Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak. Hito Steyerl interviewte zwölf Geflüchtete aus Syrien, die von internationalen Firmen für die Bearbeitung von militärischem Bildmaterial für KI Modelle beauftragt wurden. Über die Hintergründe der Aufgaben wurden sie nicht informiert.
Hito Steyerls facettenreich ineinander verwobenes OEuvre changiert immer wieder zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Militarisierung und ihre Vernetzung mit der Zivilgesellschaft ist ein wiederkehrendes Thema in ihrer künstlerischen Praxis. Auch der Titel der MAK Ausstellung Der Menschheit ist die Kugel bei einem Ohr hinein und beim anderen herausgeflogen, ein Zitat nach dem Wiener Satiriker, Kulturkritiker und Beobachter des politischen Zeitgeschehens Karl Kraus aus Nachts (1918) ist ein Kommentar zur weltpolitischen Lage und gleichzeitig eine Referenz an Steyerls Vortrag Is the Museum a Battlefield bei der Istanbul Biennale 2013. Dort machte sie bereits mit dem Sujet des Projektils auf die Durchdringung von Krieg, Industrie, Ökonomie, Architektur, Kunst und Museum aufmerksam.
Hito Steyerl
Hito Steyerl studierte an der Academy of Visual Arts in Tokio, an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und promovierte in Philosophie an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Sie wurde 2021 mit dem B3 BEN-Ehrenpreis in der Kategorie Kunst sowie 2019 mit dem Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste in Berlin ausgezeichnet. Zu ihren zahlreichen Einzelausstellungen zählen Leak. The end of the pipeline, Museum der bildenden Künste, Leipzig (2024); Hito Steyerl. The City of Broken Windows, Museum der bildenden Künste, Leipzig (2023); Hito Steyerl – A Sea of Data, National Museum of Modern and Contemporary Art, Seoul (2022); Hito Steyerl: I Will Survive, Stedelijk Museum, Amsterdam (2022); Hito Steyerl. I Will Survive, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K21, Düsseldorf, und Centre Pompidou, Paris (2020/21). Ihre Werke waren weltweit vielfach bei Gruppenausstellungen vertreten, unter anderem bei der Biennale di Venezia 2015 und 2019, der Gwangju Biennale 2016 sowie der documenta 2007 und 2022, von der sie sich zurückzog, nachdem die Ausstellung wegen antisemitischer Inhalte in die Kritik geraten war. Derzeit unterrichtet Steyerl Aktuelle Digitale Medien an der Akademie der bildenden Künste München.
Pressefotos stehen unter MAK.at/presse zum Download bereit.
Mit freundlicher Unterstützung von
ART MENTOR FOUNDATION LUCERNE
Pressekonferenz
Dienstag, 24.6.2025, 10 Uhr
Wir bitten um Anmeldung unter presse@MAK.at
Eröffnung
Dienstag, 24.6.2025, 19 Uhr
Eintritt frei zur Ausstellungseröffnung
Im Vorfeld der Eröffnung lädt das MAK zum
Künstlerinnengespräch
Künstlerin Hito Steyerl im Gespräch mit Kuratorin Bärbel Vischer
Dienstag, 24.6.2025, 18 Uhr
MAK Säulenhalle
Ausstellungsort
MAK Contemporary
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien
Ausstellungsdauer
25.6.2025–11.1.2026
Öffnungszeiten
Di 10–21 Uhr, Mi bis So 10–18 Uhr
Kuratorin
Bärbel Vischer, Kustodin MAK Sammlung Gegenwartskunst
MAK Eintritt
Ꞓ 16,50/15,50*; ermäßigt Ꞓ 13,50/12,50*; jeden Dienstag 18–21 Uhr: Eintritt Ꞓ 8/7,50*
Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 19
* Ticketpreis im Online-Vorverkauf
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