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80 70 30: Krieg aus tiefstem Herzen ablehnen

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Einen Tag nach den Gedenkfeierlichkeiten zur Unabhängigkeitserklärung von 1945 besuchte der langjährige Nationalratspräsident und Altbundespräsident Heinz Fischer Montagnachmittag die Demokratiewerkstatt des Parlaments. In einem Workshop schilderte er Schüler:innen einer siebenten Klasse des Wiener Piaristengymnasiums seine Erinnerungen über die Kriegsjahre und den Wiederaufbau nach 1945.

Im Rahmen des Jahresschwerpunktes 80 70 30 veranstaltet die Demokratiewerkstatt des Parlaments an mehreren Terminen Workshops mit Zeitzeug:innen. So sollen Jugendlichen die Gegebenheiten rund um Österreichs Beitritt zur Europäischen Union, das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Unterzeichnung der Staatsvertrages nähergebracht werden.

Krieg ist nicht tauglich und akzeptabel, um Konflikte zu lösen

Die Kriegszeit sei für ihn eine schwierige Zeit gewesen, schilderte Fischer den Schülerinnen und Schülern. Als Kind habe er zwar die Dimension der Ereignisse nicht einschätzen können, die Zeit habe ihn aber so geprägt, dass er heute aus tiefstem Herzen Krieg ablehne. Dieser sei keine taugliche und akzeptable Form der Konfliktlösung und die schrecklichste Form der Konfrontation, betonte Fischer. Man müsse daher sehr bewusst daran arbeiten, Krieg zu verhindern, appellierte er.

1938 geboren, erlebte Fischer die Nazidiktatur als Kind. Sein Vater verlor als Sozialdemokrat seinen Arbeitsplatz in Graz und die Familie zog in Folge zu Verwandten nach Wien. Er lernte rasch, was das Sirenengeheul bei Luftschutzalarmen bedeutete. Die Familie flüchtete sich dann zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Kohlekeller. Auch wenn für ihn und seine Familie immer alles gut ausgegangen sei, seien die Alarme mit der damit verbundenen Ungewissheit des Ausgangs jedes Mal „grauslich und angsterregend“ gewesen.

Nachkriegszeit „alles andere als normal“

Mit der Unabhängigkeitserklärung 1945 habe zwar ein gewisser staatsrechtlicher Normalisierungsprozess eingesetzt, die Lebensumstände seien aber alles andere als normal gewesen, sagte der Altbundespräsident. So sei die wirtschaftliche aber auch die Ernährungslage „schrecklich“ gewesen. Ebenso dominierten die Kriegsschäden an Gebäuden und an der Infrastruktur das Stadtbild.

Nach dem Krieg sei „auf einmal der Druck weg gewesen“. Die Situation habe sich hinsichtlich der Meinungsfreiheit verbessert. So seien etwa Gespräche über politische Themen oder das Hören ausländischer Radiosender nun ohne Furcht vor der Gestapo oder Spitzeln möglich gewesen. Alle Besatzungsmächte hätten sich zwar zur Medienfreiheit bekannt, diese sei aber je nach Besatzungszone unterschiedlich gehandhabt worden, schilderte Fischer. Am massivsten hätten die Russen seiner Einschätzung nach die politische Einflussnahme auf das Pressewesen durchgeführt. England und Amerika hätten sich nicht in innerösterreichische Diskussionen eingemischt. Insbesondere die Amerikaner hätten aber darauf geachtet, dass keine den Nationalsozialismus verherrlichende oder verharmlosende Inhalte veröffentlicht wurden. Die Wahrnehmung der Besatzungsmächte durch die Bevölkerung sei davon abgehangen, wie man zum Nationalsozialismus stand und in welcher Zone man gewesen ist. Alle Österreicher:innen seien aber jedenfalls froh gewesen, als 1955 die letzten ausländischen Soldaten das Land verließen.

Positiv bewertete der Altbundespräsident die Aufbruchsstimmung in der Bevölkerung zu dieser Zeit und den Willen, sich aus den Zuständen der Zerstörung und des Mangels herauszuarbeiten. So seien Schritte, wie die Fertigstellung von Kraftwerken oder Infrastrukturprojekten, als Meilensteine groß gefeiert worden, erläuterte Fischer. Die heutige positive Wahrnehmung älterer Menschen dieser Zeit erklärte sich Fischer mit ebendieser großen Aufbruchsstimmung.

Herausforderungen Infrastruktur, Ernährung und Entnazifizierung

Die provisorische Staatsregierung unter Karl Renner sei zunächst nicht von allen Besatzungsmächten anerkannt worden. Sie konnte in Folge Gesetze beschließen, musste sich aber mit dem Alliierten Rat koordinieren. Neben der Ernährungslage und der beschädigten Infrastruktur sei für die Politik der Umgang mit den tausenden Exponenten des „verhassten Nazisystems“ eine Herausforderung gewesen. Mit den Mitteln der Justiz sei in einem langen Prozess versucht worden, Gerechtigkeit zu schaffen.

Über die Demokratiewerkstatt

Die Demokratiewerkstatt ist eine Einrichtung des österreichischen Parlaments zur Förderung von Demokratieverständnis und politischem Interesse. Dazu werden unterrichtsergänzende Workshops für Kinder und Jugendliche zwischen acht und 19 Jahren angeboten. Dabei können diese auf interaktive Art und Weise lernen und ausprobieren, wie Demokratie und Gesetzgebung funktioniert. Weitere Informationen zu der Demokratiewerkstatt finden Sie im Webportal des Parlaments. (Schluss) pst

HINWEIS: Das Parlament beleuchtet 2025 drei Meilensteine der Demokratiegeschichte. Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, vor 70 Jahren wurde der Staatsvertrag unterzeichnet und vor 30 Jahren trat Österreich der EU bei. Mehr Informationen zum Jahresschwerpunkt 2025 finden Sie unter www.parlament.gv.at/kriegsende-staatsvertrag-eu-beitritt.

HINWEIS: Fotos dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments .


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