
Die Mehrheit steht hinter Ihnen, Herr Bundespräsident!
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrter Herr Van der Bellen!
Als Interessensvertretung für Architektur, aber auch als Teil der Zivilgesellschaft verfolgt die IG Architektur mit großer Sorge die aktuelle innenpolitische Entwicklung zur Bildung einer neuen österreichischen Bundesregierung. Vor dem Hintergrund des Scheiterns der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS ist es unerfreulich, jedoch nachvollziehbar, dass Sie nun Herbert Kickl von der rechtsextremen [1] FPÖ den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt haben. Es ist glaubhaft, dass Sie sich diesen Schritt, wie Sie betonen, nicht leicht gemacht haben [2]. Wir begrüßen es, dass Sie weiterhin „nach bestem Wissen und Gewissen“ darauf achten werden, „dass bei der Regierungsbildung die Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie respektiert werden: etwa Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft.“ [3]
Im diesem Sinn ersuchen wir Sie, das Regierungsprogramm, das in den kommenden Tagen und Wochen durch FPÖ und ÖVP erstellt werden wird, genauestens auf die Einhaltung ebendieser Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie zu prüfen. Und wir ersuchen Sie, die Angelobung einer Regierung aus FPÖ und ÖVP zu verweigern, sofern deren Regierungsprogramm einen Angriff auf die genannten Grundpfeiler darstellt. Wie Sie wissen, sind Sie durch die österreichische Verfassung dazu ermächtigt. [4]
Wir möchten betonen, dass die Mehrheit der Wähler*innen in Österreich Herbert Kickl und die FPÖ nicht gewählt hat. Ebenso lehnt eine Mehrheit der Österreicher*innen eine Koalition zwischen FPÖ und ÖVP ab [5]. Nur 38 Prozent der österreichischen Wähler*innen befürworten die FPÖ in einer Regierungskoalition [6], unter ÖVP-Wähler*innen beträgt diese Zustimmung sogar nur 26 Prozent. [7]
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, seien Sie daher versichert: Die Mehrheit der österreichischen Zivilgesellschaft steht hinter Ihnen, wenn Sie die Angelobung einer Regierung verweigern, deren Programm auf die Beschädigung der Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie abzielt. Es geht um nichts weniger als um den Fortbestand Österreichs als demokratischer Staat und seinen Platz in einem geeinten Europa.
Mit herzlichen Grüßen,
der Vorstand der IG Architektur
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[1] Lt. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands ist die Bezeichnung der FPÖ als rechtsextrem seit 1993 ausjudiziert.
[2] Bundepräsident Alexander Van der Bellen in einer Ansprache am 06.01.2025.
[3] Bundepräsident Alexander Van der Bellen am 29.09.2024 auf X.
[4] Verfassungsexperte Bußjäger: „Der Bundespräsident kann eine Regierung auch verweigern“. In: Der Standard, 25.01.2024
[5] Bei einer im Oktober 2024 in Österreich durchgeführten Umfrage zur bevorzugten Regierungskoalition befürworteten 26 Prozent der Befragten ein Bündnis aus ÖVP, SPÖ und den NEOS. Eine FPÖ-geführte Regierung mit dem Koalitionspartner ÖVP und einem FPÖ-Bundeskanzler Herbert Kickl erreichte einen Zustimmungswert von 24 Prozent. Quelle: Statista
[6] Bei einer im September 2024 in Österreich durchgeführten Umfrage unter Wahlberechtigten in Österreich antworteten auf die Frage, welche Parteien in der nächsten Regierung vertreten sein sollen: ÖVP 60%, SPÖ 47%, FPÖ 38%, NEOs 34%, Grüne 26%. Quelle: Foresight
[7] ebd.
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