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Offener Brief: Ein modernes Familienrecht muss Teil des Regierungsprogramms sein

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Die laufenden Koalitionsverhandlungen bieten eine längst überfällige Gelegenheit, dringend notwendige Reformen im Familien- und Kindschaftsrecht auf den Weg zu bringen. Dieser Bereich prägt das Leben von Millionen Kindern, Eltern und Familien in Österreich tiefgreifend und bedarf dringend einer modernen und gerechten Neuausrichtung.

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode wurde ein intensiver Reformprozess initiiert, um das Familien- und Kindschaftsrecht zu modernisieren und an die Bedürfnisse der Familien heutzutage anzupassen. Trotz umfassender Expert:innenbeteiligung und breitem Konsens über die Notwendigkeit von Veränderungen wurde dieser Prozess jedoch nicht abgeschlossen. Die Reform ist ins Stocken geraten, obwohl sie dringend erforderlich ist, um Kindern, Müttern und Vätern in einer sich wandelnden Gesellschaft mehr Rechtssicherheit, Gleichberechtigung und Schutz zu bieten.

Als Organisation, die sich für das Wohl von Familien und Kindern einsetzt, fordern wir die Verhandler:innen und alle politischen Parteien auf, die Reform des Familien- und Kindschaftsrechts erneut in den Fokus zu rücken und in das Regierungsprogramm aufzunehmen.

Unser zentrales Anliegen ist die Demokratisierung von Verfahrensabläufen. Wir wollen weg von hierarchischen Entscheidungsstrukturen und einem intransparenten Nebeneinander vieler Akteure, mit dem Nebeneffekt von Willkür, Konflikteskalation, Kontaktabbrüchen und langen Verfahren, hin zu einem transparenten Miteinander und der Stärkung der Eigenverantwortung von Eltern.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich:

Nötige Gesetzesänderungen:

  1. Die gesetzliche Verankerung der Doppelresidenz: Die gleichverantwortliche Betreuung durch beide Elternteile nach einer Trennung ist nicht nur ein Zeichen moderner Familienpolitik, sondern auch ein wissenschaftlich bewiesener Vorteil für das Wohl von Kindern. Sie muss Ausgangspunkt für Politik und Rechtsprechung werden und ist den jeweiligen konkreten Bedürfnissen und Möglichkeiten im Einzelfall anzupassen.
  2. Die automatische gemeinsame Obsorge für das Kind, auch bei unehelich geborenen Kindern, ab Vaterschaftsanerkennung und Eintragung der Geburt. Ziel: Mehr Rechtssicherheit und eine klare Botschaft der gemeinsamen elterlichen Verantwortung.
  3. Flächendeckende Kompetenzzentren für Scheidungs- und Trennungsfamilien, welche dem Gericht vorgeschaltet sind und verpflichtend, vor dem Gerichtsweg, zu konsultieren sind. Mit einer Neuausrichtung der bereits bestehenden Familiengerichtshilfen und der Ergänzung vorhandener Ressourcen in der Jugendwohlfahrt ist das mit bestehenden Ressourcen erreichbar. Ziele: Reduktion gerichtsanhängiger Verfahren, Beschleunigung von Streitschlichtungen, Senkung der Kosten, Erhöhung der Professionalität sowie niederschwelligerer Zugang für Familien.
  4. Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht von Mediation und Erziehungsberatung gegenüber dem Gericht. Ziel: Erhöhung der Effektivität von Beratung durch mehr Transparenz.
  5. Rechtssicherheit im Unterhaltsrecht: Ein gerechtes und transparentes Unterhaltsrecht ist von zentraler Bedeutung, um Konflikte zu minimieren und das Wohl der Kinder sicherzustellen. Einfache und klare Regeln schaffen Rechtssicherheit, müssen aber individuell anpassbar bleiben.
  6. Reduktion der Verfahrenskosten (Anträge, Gutachten, Besuchscafe). Ziel: Die Kontakte zum eigenen Kind dürfen nicht mehr von der finanziellen Leistbarkeit abhängen.

Nötige Verfahrensänderungen:

  1. Umsetzung gezielter Maßnahmen gegen Eltern-Kind-Entfremdung. Unbegründete Kontaktunterbrechungen schädigen die emotionale Entwicklung von Kindern und beeinträchtigen nachhaltig deren Beziehung zum ausgegrenzten Elternteil. Das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Recht des Kindes auf Kontakt zu beiden Eltern muss durch gezielte Maßnahmen geschützt werden.
    Erforderlich sind Früherkennung und schnelle Abklärung vorgebrachter Gefährdungsmomente, sowie Aufrechterhaltung kontinuierlicher Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen (ev. im begleiteten Rahmen), wenn keine Gefahr im Verzug besteht. Sowie Helfer:innenkonferenzen aller am Verfahren beteiligten Professionist:innen.
  2. Ersatz der Feststellungsgutachten, die nur statische Momentaufnahmen liefern, durch prozessorientierte Verlaufsgutachten, die Entwicklungen und Dynamiken analysieren. Ziele: Konfliktreduktion und Beschleunigung von Verfahren.
  3. Einführung von „Kind-im-Blick“-Kursen für Eltern in Scheidungs- und Trennungskonflikten, um das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen, die elterliche Kommunikation zu verbessern und langfristige Konflikteskalationen zu vermeiden.

Die genannten Punkte verfolgen ein gemeinsames Ziel: das Wohlergehen der Kinder und die Stärkung von Familienstrukturen.

Wir appellieren an die Verhandler:innen des Regierungsprogramms und alle politischen Parteien, den begonnenen Reformprozess fortzusetzen und Österreichs Familienrecht an internationale Standards anzupassen. Länder wie Schweden zeigen, wie progressive und gerechte Regelungen allen Beteiligten zugutekommen können. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Österreich im Familienrecht zum Vorreiter für moderne und gerechte Lösungen wird.

Für die Initiative “Wir Väter”
Obmann Anton Pototschnig und Stellvertreter Robert Seyfriedsberger

Zur Organisation:

Der Verein “Wir Väter” ist eine überparteiliche Initiative, die sich für verantwortungsvolle Vaterschaft und die gleichberechtigte Elternschaft einsetzt. Ziel ist es, Väter darin zu unterstützen, ihre Verantwortung aktiv wahrzunehmen, und gesellschaftliche Vorurteile abzubauen, die ein ausgewogenes Elternsein erschweren. Das Angebot von “Wir Väter” umfasst die Bereitstellung von Informationen auf der Website, die Organisation von Austauschgruppen sowie Beratungsgespräche zu Themen wie Obsorge, Kontaktrecht und elterliche Verantwortung. Alle Leistungen erfolgen ehrenamtlich. Der Verein fördert den Austausch über Social-Media-Kanäle, einen regelmäßigen Newsletter sowie Vernetzung, um auf gesellschaftspolitischer Ebene für eine bessere Balance in der Elternschaft einzutreten. Wir verstehen uns als Ansprechpartner und Brückenbauer für Eltern, um gemeinsam eine starke Basis für das Wohl der Kinder zu schaffen.

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