60. Wiener Gemeinderat (10) | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

60. Wiener Gemeinderat (10)

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GR Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) meinte, die „ausführliche, profunde und detailreiche Antwort vom Stadtrat“ habe „Klarheit und Vertrauen“ beim Thema U-Bahn-Ausbau geschaffen. Die Opposition werde ja regelmäßig in den Ausschüssen und Unterausschüssen des Gemeinderats informiert, die öffentliche Anfrage-Beantwortung habe außerdem dafür gesorgt, dass „einige wichtige zusätzliche Informationen an den Mann und die Frau gebracht worden sind, die es sonst nicht an die Öffentlichkeit geschafft hätten“, betonte Stürzenbecher. Die Argumente die für das Projekt U-Bahn-Ausbau würden nüchtern betrachtet überwiegen. Derartig große Projekte würden eben Herausforderungen bergen, argumentierte Stürzenbecher: Auf unvorhersehbare geologische Herausforderungen im Tiefbau und andere bautechnische Hürden sei „optimal, bestmöglich und effizient reagiert worden“, sagte der SPÖ-Mandatar. Auch mit den Unwettern im September hätte niemand vorher rechnen können: „Wenn wir ein Jahrtausend-Hochwasser haben, ist es klar, dass es zu Problemen kommt. Die Wiener Linien haben sich auf das Hochwasser vorbereitet“, stellte Stürzenbecher klar. Dass der Wienfluss so anschwillt, habe aber niemand vorhersehen können: „Das ist einfach ein Naturereignis und höhere Gewalt. Damit muss man auch umgehen können.“ Stürzenbecher verwies abschließend auf die bedeutende CO2-Einsparung durch weniger Autofahrten sowie auf die Entlastung der bestehenden Öffi-Linien durch die neue U-Bahn. Auch würde das Bauprojekt den Standort Wien stärken und für Investitionen sorgen. Für Verspätungen bei den Straßenbahnen-Linien und bei den Bussen seien oft Autos verantwortlich, berichtete Stürzenbecher aus eigener Erfahrung aus seinen regelmäßigen Fahrten mit der Linie 2 – konkret seien es Falschparker*innen oder Lastwagen, die den Öffi-Verkehr ausbremsen. Der Mehrheit der Wiener*innen sei offensichtlich mit der Leistung der Öffis zufrieden und habe Verständnis für Verzögerungen wie zuletzt bei den Unwettern von Anfang September. Er konterte der Kritik seiner Vorredner*innen von der Opposition: Der Altbau am Elterleinplatz sei nicht enteignet, sondern von den Wiener Linien regulär gekauft worden, stellte Stürzenbecher klar. Leider sei es nicht möglich am Elternleinplatz eine U-Bahn-Station zu bauen und das Haus zu retten. Den betroffenen Mieter*innen und den Pächter*innen seien angemessene Angebote gemacht worden und Ersatzwohnungen in der Nähe angeboten worden, sagte der SPÖ-Mandatar.

GR Wolfgang Irschik (FPÖ) sprach zum Steinitzsteg, den wiederum sein Vorredner Kilian Stark vor der Unterbrechung für die „Dringliche“ angesprochen hatte. Der Grünen-Mandatar hatte beklagt, dass die wichtige Radverbindung während der geplanten Sanierung der Nordbrücke für den Radverkehr gesperrt würde und als Auto-Ausweichstrecke genutzt werde. Der Steg sei im Zuge des Baus der U6 und der Sanierung der Nordbrücke in den 1990er Jahren als Ausweichstrecke für den Autoverkehr gebaut worden. Das sei jetzt wieder der Fall, Radfahrer*innen könnten auf die Floridsdorfer Brücke ausweichen, so Irschik. Beim Bau der U1 bis Kagran in den 1980er Jahren habe Wien darauf verzichtet bei den Endstellen Park&Ride-Anlagen zu errichten. Auch lehne die Stadt nach wie vor Verlängerungen der U-Bahn nach Niederösterreich und über die Stadtgrenze hinaus ab, obwohl das in anderen Städten „routinemäßig“ passiere. Das zwinge Pendlerinnen und Pendler weiter mit dem Auto zu fahren, kritisierte Irschik. Auch das neue Krankenhaus Floridsdorf sei nicht an die U-Bahn angeschlossen, auch hier gebe es am Stadtrand keine Park-And-Ride-Anlage, so Irschik. Er forderte außerdem eine U7 als Querverbindung zwischen Donaustadt und Floridsdorf – die Pläne dafür habe es in den 1970er gegeben, diese seien aber nie umgesetzt worden. Er brachte einen Antrag ein, in welchem er eine Freifahrt für uniformierte Beamte mit gültigem Dienstausweis forderte, damit diese gratis die Wiener Linien benützen dürfen.

GR Markus Ornig, MBA (NEOS) meinte, die Inflation und globale Verwerfungen hätten Auswirkungen auf die Baukosten für die U-Bahn. In Wien würden derzeit viele Projekte parallel abgewickelt um die zeitlich begrenzten Förderungen des Bundes und der EU nach Corona abzuholen, erklärte Ornig. Er gab einen Ausblick auf andere U-Bahn-Bauprojekte in unseren Nachbarländern. In Hamburg würden die veranschlagten Kosten deutlich überschritten und lägen bei 2,5 Milliarden Euro nur für den ersten Abschnitt des Projekts. Das Projekt sei hinter dem Zeitplan, herausfordernder als gedacht und sei durch die Inflation weiter finanziell unter Druck geraten. „Argumente die wir auch hier kennen“, sagte Ornig. In München sei der Bau des S-Bahn-Rings um zehn Jahre nach hinten verlegt worden, „weil man weder bei der Planung noch beim Budget weiß, wie es weitergeht“, berichtete Ornig. Auch in Berlin hätten Inflation und hohe Baukosten das Budget für die dortige neue U6 gesprengt und den Zeitplan um zwei Jahre nach hinten gezogen. In Rom würde schon 20 Jahre an der U-Bahn gebaut, auch in New York gebe es Verzögerungen und hohe Kosten bis zu einer Milliarde Dollar pro Kilometer, sagte Ornig. In Wien hingegen koste ein U-Bahn-Kilometer bei der U2 99 Millionen Euro – bei einer Strecke ohne Tunnel. Die Verlängerung der U1 mit knapp der Hälfte der Strecke in Tunnelbauweise hätte 166 Millionen Euro pro Kilometer gekostet. Die Kosten für die U2/U5 würden bei 317 Millionen Euro liegen, wobei die gesamte Neubau-Strecke im Tunnel verläuft. Wenn öffentliche Verkehrsmittel nicht funktionieren, ärgern sich alle, sagte Ornig. Die Stadtregierung könne den Takt und den Fahrplan der Öffis beeinflussen, aber Falschparker und andere verkehrsbedingte Hindernisse nicht, sagte Ornig. „Baustellen frustrieren, aber Infrastruktur gehört einfach mal gebaut, sagte Ornig. Rund um den laufenden U-Bahn-Bau würden Anrainer*innen informiert und es gebe Förderungen für Unternehmer*innen, die Unannehmlichkeiten abfangen würden, schloss Ornig.

GRin Mag. Heidemarie Sequenz (GRÜNE) erklärte sich als Fan der Wiener Linien: Fahrgäste könnten sich um einen Euro durch Wien chauffieren lassen – „ein geniales Rot-Grünes Projekt“, betonte Sequenz. Die Wiener Öffis seien Beispiel für andere Städte, nichtsdestotrotz gebe es „massive Probleme“ bei den aktuellen U-Bahn-Baustellen mit Verzögerungen und hohen Mehrkosten. Die Betriebe in der Nähe der U-Bahn-Baustellen und die Anrainer*innen würden stark leiden. Die Probleme und Verzögerungen würden nicht nur die Neubau-Linien betreffen, sondern auch bestehende Linien, was die Öffi-Nutzer*inenn noch stärker frustriere. Sequenz bezweifelte, dass neue U-Bahn-Linien in dicht verbautem Gebiet Sinn machen: Die Kosten seien enorm, eine neue Strecke für die Straßenbahn sei um einen Bruchteil zu errichten. U-Bahn-Baustellen würden Jahre bis Jahrzehnte dauern, mit einer neuen U-Bahn könnte nicht rasch auf geänderte Nachfragen reagieren. Im Bau hätte die U-Bahn mit dem Tunnelbau einen sehr hohen CO2-Fußabdruck mit eine Million Tonnen CO2 für jeden neuen Kilometer U-Bahn-Tunnel. „Straßenbahnen sind konkrete alternativen, kostengünstiger und schneller zu errichten und können sich schneller an geänderte Bedürfnisse anpassen“, schloss Sequenz in Plädoyer für neue Bim-Linien statt U-Bahnen im dicht verbauten Gebieten.

GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM (ÖVP) wollte wissen, wie sich die Mehrkosten für den U-Bahn-Bau auf die Stadtfinanzen auswirken werden: Er befürchtete ein „Budgetloch“ in den Stadtkassen. Bei Kostenüberschreitungen würde die Stadt immer schauen, wo mehr Geld beschafft werden könne, statt auf Einsparungen zu überlegen, kritisierte der ÖVP-Gemeinderat. Er brachte einen Antrag ein, in welchem er einen Kassensturz für die Finanzen der Stadt forderte. Dieser solle im nächsten Finanzausschuss präsentiert werden. Wölbitsch befürchtete nicht nur Mehrkosten beim U-Bahn-Bau sondern auch bei anderen Projekten in der Verantwortung von Finanzstadtrat Peter Hanke – konkret auch bei Projekten der Wien Holding wie die neue Event-Arena in St. Marx oder dem geplanten Fernbusterminal am Handelskai. Bei beiden Projekten sei schon vor dem ersten Spatenstich klar, dass die veranschlagten Kosten überschritten werden. Auch bei der Initiative „Stolz auf Wien“ – eigentlich ein Hilfsprogramm für Unternehmen in der Stadt in der Corona-Zeit – sei einiges schiefgelaufen und das Projekt sei „ein Flop von Anfang bis Ende“ gewesen. Die Abwicklung sei „unprofessionell“ abgelaufen und kaum eine Firmen-Beteiligung hätte sich als Erfolg herausgestellt. (Forts.) ato

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