Expert:innenforum: Podiumsdiskussion zeigt Herausforderungen und Auswirkungen einer älter werdenden Gesellschaft
Die Auswirkungen einer alternden Gesellschaft standen auch im Mittelpunkt einer abschließenden Podiumsdiskussion des heutigen Bundesrats-Expert:innenforums „Österreich wird älter“ im Parlament. Es diskutierten die Expert:innen Regina Fuchs (Statistik Austria), Monika Riedel (Institut für Höhere Studien), Florian Bachner (Gesundheit Österreich) und Franz Kolland (Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften). Diese thematisierten internationale Best-Practice-Beispiele, die Zukunft der Pflege, die Herausforderungen am Arbeitsmarkt und das Pensionsantrittsalter. Ebenso sprachen sie über die Geburtenrate und die zunehmende Bedeutung von Gesundheit und Prävention.
In seinen Abschlussworten fasste Bundesratspräsident Franz Ebner die Herausforderungen des demografischen Wandels zusammen und hob die Bedeutung der Prävention in der Gesundheit hervor.
Thema Altern und der Umgang in anderen Ländern
In Mitteleuropa gebe es hinsichtlich des Alterns eine „dramatische“ Entwicklung, es gebe aber Länder, wo diese Entwicklung bereits fortgeschrittener sei, meinte Regina Fuchs von der Statistik Austria. So gehe die Alterung in Asien, in Ländern, die viel verschlossener seien und es keine Tradition in der Migration gebe, viel schneller voran. In Europa altere die deutsche Gesellschaft schneller als die österreichische. Die französische sei hingegen aufgrund von Migration und einer traditionell höheren Geburtenrate jünger.
In Ländern wie Japan, wo das Altern schon früher eine höhere gesellschaftliche Bedeutung gehabt habe, seien in Folge mehr Programme aufgesetzt worden, erläuterte Franz Kolland von der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften. Ebenso wies er auf vorbildhafte Pflege- und Wohnprojekte in den Niederlanden hin. Die Altersdiskriminierung sei ein Problem, Österreich solle sich deswegen für die zum Stillstand gekommene Diskussion zur Etablierung einer UN-Konvention für die Menschenrechte älterer Menschen einsetzen.
Hierzulande sei es im Unterschied zu Skandinavien, wo dies sachlicher gehandhabt werde, oft verpönt, Angehörige in Pflegeheime zu geben, meinte Monika Riedel vom Institut für höhere Studien. Dort sei auch die Erwerbsbeteiligung von Frauen früher höher gewesen und die Professionalisierung eher erfolgt.
Angesprochen auf eine höhere Anzahl an gesunden Jahren in Skandinavien begründete Florian Bachner von der Gesundheit Österreich dies mit einem Konglomerat an Faktoren, wie ein höheres Gesundheitsbewusstsein aber auch reformfreudigere Gesundheitssysteme.
Die Zukunft der Pflege und der Gesundheitsversorgung
Die Rolle des Familienverbands bei der Pflege werde sich ändern, aber weiter eine zentrale Rolle spielen, meinte Monika Riedel. Sie begründete dies damit, dass die formelle Pflege an ihre Grenzen stoße.
Das Individuum habe ein Bedürfnis nach anderen Menschen, das Maschinen niemals ersetzen könnten, meinte Florian Bachner. Es gebe aber viele Bereiche wie etwa bei der Diagnostik, wo Robotik und künstliche Intelligenz massiv unterstützen können. Es gelte dabei, keine Angst zu haben, sondern die Chancen der Technologien zu sehen, appellierte er.
Arbeitsmarkt und Pensionen
Bildung sei ein Garant dafür, dass Menschen länger im Arbeitsmarkt bleiben können, meinte Regina Fuchs. Hinsichtlich Migration wies sie darauf hin, dass diese ein hohes Potenzial habe, Humankapital ins Land zu holen. Es sollte aber darauf geachtet werden, dass dieses Humankapital, in das der Staat oft viel investiert, im Land gehalten werde.
Gegenüber der Zahl an Ärzt:innen, die nach ihrer Ausbildung in andere Länder auswandern, gebe es auch viele, die nach Österreich kommen, gab Florian Bachner zu bedenken. Insgesamt gebe es nur ein kleines Minus. Viel bedeutender sei, dass es gelinge, Ärzt:innen in Positionen zu bringen, wo es einen hohen Bedarf gibt.
Die Frage des Pensionsantrittsalters sei eine politische Frage, erklärte Regina Fuchs. Aktuell sei jedenfalls das tatsächliche weit unter dem gesetzlichen und in den Jahren vor der Pension seien sehr viele Menschen in Arbeitslosigkeit. Es brauche daher Maßnahmen, um Menschen im Erwerbsleben zu halten. Ebenso würde es bei einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters Investitionen in die Menschen und ihre Gesundheit brauchen. Dem pflichtete Monika Riedel bei. Es würde hier begleitende Maßnahmen, wie die Förderung eines gesunden Lebensstils, benötigen.
Gesellschaftliche Faktoren für niedrige Geburtenrate
Hinsichtlich der niedrigen Geburtenrate machte Regina Fuchs mehrere Faktoren verantwortlich. So sei zwar der Wunsch nach zwei Kindern seit Jahren unverändert, die Fertilitätsrate liege aber bei 1,3. Es gebe hierzulande eine lange Tradition an Frauen, die kinderlos bleiben. Ebenso würden Frauen im Unterschied zu anderen Ländern schnell als „Rabenmütter“ gelten, wenn sie etwa nach der Karenz schnell ins Erwerbsleben zurückkehren. Frauen würden im Vergleich länger in Karenz bleiben, anschließend in Teilzeit weniger Stunden arbeiten und auch, wenn die Kinder größer sind, nicht auf Vollzeit umsteigen .
Gesundheitsvorsorge und Prävention wichtig
Die Angebote der Gesundheitsvorsorge würden zu wenig angenommen werden und dies sollte einer neuen Bundesregierung ein Anliegen sein, konstatierte Franz Kolland. Wichtig zur Gesundheitsprävention wären auch geriatrische Rehabilitationseinrichtungen. Derzeit gebe es in Österreich – im Unterschied zu Deutschland – keine einzige derartige Einrichtung.
Die Bedeutung von Gesundheitsprävention hob auch Monika Riedel hervor. Hier müsse man möglichst früh, bereits im Kindergarten ansetzen, damit die Menschen möglichst früh einen gesunden Lebensstil kennen lernen und in Folge diesen auch leben.
Ebner: Brauchen Paradigmenwechsel von der Reparaturmedizin zur Vorsorgemedizin
Der demografische Wandel sei zweifellos eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, hielt Bundesratspräsident Franz Ebner in seinen Abschlussworten fest. Notwendig sei eine vorausschauende Planung, um den Fachkräftemangel, den steigenden Bedarf nach Gesundheits- und Pflegeleistungen oder die Frage nach der Generationengerechtigkeit zu bewältigen und gleichzeitig die Chancen, etwa durch neue Technologien, zu nutzen. Die Bedürfnisse der heutigen Seniorinnen und Senioren und die Anliegen und Sorgen der jüngeren Generation dürfen jedenfalls nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führen, hielt er fest. Nur das Verständnis der Generationen untereinander könne den Weg in eine sichere und gute Zukunft ebnen. Die ältere Generation sei – etwa neben ihrem sozialen Engagement in Vereinen, in Freiwilligenorganisationen, bei der Kinderbetreuung oder in der Angehörigenpflege – als wesentlicher Wirtschaftsfaktor für ein Viertel des privaten Konsums verantwortlich, hob der Bundesratspräsident hervor.
Bei der Frage, „wie“ man alt werde, komme aus seiner Sicht der Prävention große Bedeutung zu. Daher sei ein Paradigmenwechsel von der Reparaturmedizin zur Vorsorgemedizin notwendig. Etwa die Angehörigenpflege werde durch den demografischen Wandel und geänderte Familienstrukturen in Zukunft weniger zur Verfügung stehen. Aus Sicht von Ebner müsse der Pflegeberuf vom Mangelberuf wieder zum Traumberuf werden, etwa durch mehr Entbürokratisierung oder den vermehrten Einsatz digitaler Anwendungen. (Schluss Expert:innenforum) pst/mbu
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