„Erinnerung und Verantwortung“: Erste Konferenz des Nationalfonds im Parlament
Unter dem Titel „Erinnerung und Verantwortung“ fand heute im Parlament die erste Konferenz des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus statt. Im Fokus stand dabei die Zukunft von NS-Aufarbeitung und Gedenken in Österreich sowie ein Ausblick auf das Jahr 2025 – dem Gedenkjahr anlässlich 80 Jahre Kriegsende und Zweite Republik. Die Konferenz bot zudem eine Rückschau auf die bisherige NS-Aufarbeitung in Österreich und würdigte die dabei erzielten Leistungen.
Der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wurde 1995 gegründet, um die besondere Verantwortung der Republik Österreich gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus zum Ausdruck zu bringen. Gemäß der jüngsten Novelle des Nationalfondsgesetzes 2024 wird der Nationalfonds nun jährlich eine Konferenz abhalten.
Erinnerungskultur ins 21. Jahrhundert führen
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der auch in seiner Funktion als Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds und des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich an der Konferenz teilnahm, würdigte in seinen Eröffnungsworten Projekte, die dazu beitragen, die Erinnerungskultur in das 21. Jahrhundert zu führen. Aufgrund der aktuellen Ereignisse brauche es „aktives Engagement in der Jetzt-Zeit“, sagte Sobotka. Aufarbeitung müsse ernst genommen werden und stelle eine umfassende Aufgabe dar. Es brauche Projekte, die lebendiges Zeugnis jüdischen Lebens seien. Der Kampf gegen Antisemitismus sei nicht die Aufgabe der jüdischen Gemeinde, sondern „unsere Aufgabe“, betonte Sobotka. Zudem sei ihm wichtig, auf die Gruppe der Roma und Sinti hinzuweisen. Für die NS-Opfer aus dieser Gruppe werde eine Gedenkstätte errichtet.
Hannah Lessing, Vorständin des Nationalfonds, ging in ihren einleitenden Worten auf die bisher erzielten Leistungen des Nationalfonds ein. Der Fonds setzt sich seit 1995 für Überlebende der NS-Verbrechen ein. Neben der Auszahlung von Entschädigungen – die älteste Begünstigte sei 108 Jahre alt gewesen – stellten Restitiutionsmaßnahmen eine weitere Säule des Fonds dar. Eine weitere zentrale Aufgabe sei das Bewahren von Erinnerung und die Weitergabe von Wissen. Ein Meilenstein sei der Simon-Wiesenthal-Preis, der einmal im Jahr vom Nationalfonds für besonderes zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für die Aufklärung über den Holocaust im Parlament vergeben wird. Kurz vor Beginn des Gedenkjahrs 2025 – in dem der Nationalfonds sein 30-jähriges Bestehen feiern wird – stehe die Erinnerungskultur nun vor neuen Herausforderungen, sagte Lessing.
Zeitzeugin Sturm-Schnabl: „Junge brauchen und wollen diese Informationen“
Katja Sturm-Schnabl ist Philologin, Ehrensenatorin der Universität Wien und Zeitzeugin. Im Alter von sechs Jahren wurde die Kärntner Slowenin mit ihrer Familie von den Nazis in ein Arbeitslager deportiert. In ihrem Impulsreferat sagte sie, dass sie einer „Gruppe angehöre, die zum Auslöschen bestimmt gewesen“ sei. Zudem zählte sie zu denen, die als Kind zum Opfer wurde, denn die „Nazis hatten keine Skrupel, Krieg gegen Kinder zu führen – überall wurden Kinder vernichtet“, so Sturm-Schnabl. Als Zeitzeugin berichte sie über ihre schrecklichen Erlebnisse oft an Schulen. Die Schüler:innen seien sehr aufmerksam, sie „wollen und brauchen diese Informationen“, sagte Sturm-Schnabl und zeigte berührende Dankeskarten, die sie von Schüler:innen für ihre Vorträge an Schulen erhalten hat. Es sei notwendig, diese Arbeit weiterzumachen, da neue Generationen kommen, betonte die Zeitzeugin.
Historikerin Bailer: Einsatz für den Schutz der Menschenrechte
Historikerin und Mitglied des Komitees des Nationalfonds Brigitte Bailer beleuchtete in ihrem Impulsvortrag den Umgang der Republik Österreich mit den NS-Opfern. Erst mit der Gründung des Nationalfonds 1995 wurden auch Opfergruppen, die zuvor noch ausgeschlossen waren, anerkannt. Für weitere Gruppen – wie beispielsweise Homosexuelle – dauerte es sogar noch weitere zehn Jahre. Diese späte Anerkennung helfe nur noch wenigen Opfern, bedeute aber viel für ihre Angehörigen, sagte Bailer. Das Motto der Überlebenden „Niemals vergessen“ und „Nie wieder“ müsse als Aufruf zum Schutz der Menschenrechte verstanden werden. Denn der Kampf für Menschenrechte sei untrennbar mit dem Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus verknüpft. Bailer rief dazu auf, die Opfer des Nationalsozialismus durch die Verteidigung der Menschenrechte und demokratischen Werte zu ehren.
Politikwissenschafterin Rajal: Aktuelle und vergleichende Daten fehlen
Auf die Entwicklung des Antisemitismus seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ging Politikwissenschaftern Elke Rajal von der Universität Passau ein. Seither sei der Antisemitismus dramatisch angestiegen. In Österreich habe es eine Verfünffachung der antisemitischen Vorfälle – ausgehend von einem zuvor schon hohen Niveau – gegeben. Zudem sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, sagte Rajal. Sie gab einen Überblick über wissenschaftliche Erkenntnisse zu verschiedene Formen des Antisemitismus und sprach sich für weitere Projekte in diesem Forschungsfeld aus, da es an aktuellen und vergleichende Daten fehle. Denn Gedenken sei leer, wenn es nicht den Lebenden gedenke, die aktuell bedroht sind, betonte die Wissenschafterin.
Judith Pfeffer, Vorständin des Nationalfonds, führte als Moderatorin durch die Veranstaltung und dankte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka für seine entschlossene Haltung gegen Antisemitismus. (Fortsetzung Konferenz) bea
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz