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Bei Artikel zu strittigem Ruf Einholung einer Stellungnahme erforderlich

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Bei Artikel zu strittigem Ruf Einholung einer Stellungnahme erforderlich

Nach Auffassung des Senats 3 des Presserats verstößt der Beitrag „Ehepaar mit strittigem Ruf“, erschienen in der „Kronen Zeitung“ am 25.05.2024, und dessen Onlineversion gegen Punkt 2.3 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Einholung einer Stellungnahme).

Im Vorspann des Artikels heißt es, dass das Ehepaar Bohrn Mena mit seinen Anschuldigungen gegenüber Lena Schilling seit zwei Wochen den EU-Wahlkampf dominiere und Wegbegleitern zufolge auch dessen Image fragwürdig sei.

Dann wird darüber berichtet, dass Martha Bißmann, die nach dem Mandatsverzicht von Peter Pilz 2017 für die Liste Pilz in den Nationalrat eingezogen und 2018 aus der Partei ausgeschlossen worden sei, nachdem sie sich geweigert habe, als Pilz dieses Mandat wiederhaben wollte, heute zu einem großen Teil Sebastian Bohrn Mena für diesen Eklat verantwortlich mache.

Daran anschließend wird, zum Großteil in Form direkter Zitate von Frau Bißmann, wiedergegeben, was sich damals zugetragen haben soll: Bohrn Mena sei ihr Referent gewesen, habe sich als ihr Verbündeter aufgedrängt, sie manipuliert und dazu beigetragen, dass sie im Klub isoliert worden sei. Als Pilz das Mandat zurückgefordert habe, habe sie hohe Forderungen gestellt. Sie habe sich mit Bohrn Mena und Daniela Holzinger in einem Hotel getroffen, diese hätten schon eine Punktation fertig gehabt. Sie habe eigentlich noch nachdenken wollen, er habe sie aber gedrängt, sie sofort abzuschicken, indem er ihr eine Ankündigung von Pilz gezeigt habe, dass dieser in der ZiB2 sein Comeback ankündigen würde. In der ZiB2 habe es dann keinen Pilz-Auftritt gegeben, ihr sei damals schwummrig geworden, er habe ihr offenbar eine Fake-Seite gezeigt. Die Liste ihrer Forderungen sei noch in derselben Nacht an die Medien geleakt worden, wobei sie nicht mit absoluter Gewissheit wisse, wer die Punktation geleakt habe, die Umstände für sie im Nachhinein aber nur einen gültigen Schluss zulassen würden, wer es gewesen sein könnte, da sie jetzt ganz klar ein Muster erkenne. Es sei ein Shitstorm gefolgt, ähnlich wie ihn Lena Schilling nun erlebe, das sei der Anfang vom Ende Bißmanns bei der Liste Pilz gewesen.

Nach Bißmanns Darstellung wird im Artikel weiter auf den Tierschützer Martin Baluch eingegangen. Dieser würde kein gutes Haar an Bohrn Mena lassen, er habe dessen Methoden in zahlreichen Blog-Einträgen kritisiert, wobei folgendes Zitat eingefügt ist: „Weil dieser Mensch so dubios vorgeht, einmal das und einmal das Gegenteil sagt und niemandem in seine Finanzgebarung Einsicht gibt, ist es besonders auffällig, dass er ständig Kritiker/innen mit Klagen droht. Mir wurden sehr viele solche Geschichten zugetragen.“ Daran anschließend heißt es im vorletzten Absatz, dass der Tierschützer der Krone gegenüber noch weiter gehe: „Ein Tierschutzvolksbegehren ins Leben zu rufen und dann mit der Tierindustrie zu kooperieren empfinde ich als Verrat.“ Bohrn Mena sei bei allen NGOs unten durch.

Der Artikel endet damit, dass Bohrn Mena die Vorwürfe Baluchs schon mehrfach in den Medien bestritten habe, und dass auch Greenpeace-Chef Alexander Egit schildere, dass die Bohrn Menas viel an Vertrauen in der Szene verspielt hätten.

Veronika und Sebastian Bohrn Mena wandten sich an den Presserat und kritisierten, dass im oben genannten Artikel von Martha Bißmann eine Reihe schwerwiegender und auch falscher Beschuldigungen aufgestellt werde, ohne dass ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden sei.

Zunächst weist der Senat darauf hin, dass Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten und Kommentaren oberste Verpflichtung von Journalistinnen und Journalisten sind (siehe Punkt 2.1 des Ehrenkodex). Diese Vorgabe schließt u.a. mit ein, Informationen umfassend aufzuarbeiten und im erforderlichen Kontext wiederzugeben.

Eine Recherche ist jedenfalls dann als gewissenhaft und korrekt anzusehen, wenn auch Auskünfte von jenen Personen oder Institutionen eingeholt werden, die vom Artikel betroffen sind. Wird in einem Artikel eine Beschuldigung erhoben, muss die Autorin bzw. der Autor sogar nachweisen, dass sie bzw. er es zumindest versucht hat, eine Stellungnahme der oder des Beschuldigten einzuholen (Punkt 2.3 des Ehrenkodex).

Nach Ansicht des Senats ist es für die Allgemeinheit relevant, wie sich Sebastian Bohrn Mena als persönlicher Referent der Abgeordneten Martha Bißmann verhalten hat. Zudem kommt im Artikel auch weitere Kritik am Betroffenen vor, der als Aktivist und Kommentator am politischen Geschehen teilnimmt und damit in der Öffentlichkeit steht. Grundsätzlich besteht daher ein öffentliches Interesse daran, die Person Sebastian Bohrn Mena näher zu beleuchten und auch kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen.

Aus diesem öffentlichen Interesse ergibt sich jedoch nicht, dass bei Beschuldigungen von der Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme abgesehen werden darf. Als Betroffener einer Beschuldigung iSd. Punkt 2.3 des Ehrenkodex ist grundsätzlich derjenige anzusehen, gegen den sich die im Artikel erhobenen Vorwürfe richten, sohin im vorliegenden Fall Sebastian Bohrn Mena und auch dessen Frau. Der von Martha Bißmann erhobene Vorwurf, Bohrn Mena habe ihr quasi eine Falle gestellt und sei ihr in den Rücken gefallen, indem er ihr eine gefälschte Webseite zu einem angeblichen Auftritt von Peter Pilz in der ZIB 2 gezeigt habe, um sie zu einem vorschnellen Handeln zu bewegen, das sie schließlich die politische Karriere gekostet habe, ist durchaus schwerwiegend.

Nach Ansicht des Senats hätte die Autorin des Artikels Bohrn Mena mit der Beschuldigung Bißmanns konfrontieren müssen. Für die Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme spricht auch, dass sich die Autorin ausschließlich mit dem etwaigen Fehlverhalten des Betroffenen und seiner Frau befasst, bereits in der Überschrift auf deren strittigen Ruf hingewiesen wird und der Artikel auch mit einem großen Bild der Betroffenen versehen wurde.

Während die Autorin nach der Kritik des Tierschützers Martin Balluch an dem Betroffenen auf dessen Dementis hingewiesen hat, wurde hinsichtlich des offenbar erstmals öffentlich erhobenen Vorwurfs Bißmanns der Standpunkt des Betroffenen dazu nicht berücksichtigt.

Im Übrigen darf von der Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme ausnahmsweise bloß bei einer entsprechend klaren Sachlage abgesehen werden; dies ist etwa dann der Fall, wenn gegen die Beschuldigten bereits Anklage erhoben wurde oder aus einer besonders vertrauenswürdigen Quelle zitiert wird, z.B. einer behördlichen Entscheidung. Auf den Vorwurf Bißmanns treffen diese Umstände nicht zu.

Der Senat stellt den Verstoß gegen Punkt 2.3 des Ehrenkodex fest und fordert die Medieninhaberin auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen oder bekanntzugeben.

 

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG VON ZWEI BETROFFENEN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung von zwei Betroffenen ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

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