Internationale Konferenz im Parlament beschäftigt sich mit aktuellen Entwicklungen und Bedrohungen des Antisemitismus
Die erste internationale parlamentarische Antisemitismuskonferenz mit dem Titel „Never again? Democracy cannot tolerate antisemitism“ behandelte heute im Hohen Haus im ersten Panel das Thema „Antisemitismus und die Bedrohung der Demokratie durch Judenhass“. In ihrer Keynote ging Monika Schwarz-Friesel, Professorin an der TU Berlin, auf geschichtliche Hintergründe und Definitionen von Antisemitismus sowie wissenschaftliche Forschungsergebnisse ein. Antisemitismusforscher Marc Neugröschel thematisierte verdeckte Hassreden und die damit erzielte Manipulation des demokratischen Diskurses. Assita Kanko, belgische Journalistin und EU-Parlamentarierin, betonte in ihrem Impulsstatement, dass Antisemitismus ein ernstes Problem in Europa sei. Im Anschluss fand dazu eine Debatte der Delegierten statt.
Schwarz-Friesel: Judenhass über Jahrhunderte hinweg derselbe geblieben
Die Diagnose ihrer Forschung könnte nicht niederschmetternder sein, sagte Kognitionswissenschaftlerin und Antisemitismusforscherin Monika Schwarz-Friesel in ihrer Keynote. Judenhass sei über die Jahrhunderte hinweg im Wesentlichen derselbe geblieben. Der heutige Antizionismus und Anti-Israelismus setze den alten Hass fort und werde dabei meist missverstanden, unterschätzt und trivialisiert, denn er sei in der „Mitte der gebildeten Gesellschaft“ angekommen, in der es „chic geworden“ sei, Israel zu kritisieren. Die gegenwärtige Lage sei bedrückend und schwer, betonte die Forscherin. Seit dem Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 sei Antisemitismus nicht nur auf der Straße, sondern auch an Unis, Akademien und bei Kunstveranstaltungen allgegenwärtig. Um Antisemitismus effektiv bekämpfen zu können, sei es wichtig zu verstehen, dass es sich bei Antisemitismus nicht um Vorurteile, sondern um ein schwarz-weißes Weltbild handle, das Jüdinnen und Juden als die Verkörperung des Bösen darstelle. Es sei kein Randphänomen der Extreme, sondern uralter Hass, der seit 2000 Jahren am Leben gehalten werde.
Neugröschel: Beim Kampf gegen Antisemitismus optimistisch bleiben
Antisemitismusforscher Marc Neugröschel teilte den Befund, dass Antisemitismus im Mainstream salonfähig geworden sei, es handle sich um ein „Problem aus der Mitte“. Mit verdeckten Hassreden werde versucht, Prinzipien umzukehren. So werde mit Lügen über Israel und die Juden ein „Kampf gegen Ungerechtigkeit“ dargestellt und die Existenz Israels mit dem Übel gleichgesetzt, so Neugröschel. Die antidemokratische Natur dieses Diskurses stelle eine Hauptbedrohung für unsere Demokratie dar. Die Herausforderung liege darin, zu verhindern, dass die Demokratie im Namen des Antisemitismus gekapert werde, sagte der Forscher. Er sprach sich dafür aus, optimistisch zu bleiben, dass es gelingen werde, dagegen vorzugehen und in diesem Kampf die Oberhand zu gewinnen.
Kanko: Wir alle teilen dieselbe Menschlichkeit
Der heutige Tag – der 11. September – sei kein gewöhnlicher Tag, dieses Datum sei uns allen in Erinnerung, sagte die belgische Journalistin und EU-Parlamentarierin Assita Kanko in ihrem Impulsstatement. Der 11. September 2001 liege inzwischen viele Jahre zurück, dennoch gebe es immer noch denselben Kampf, da oft vergessen werde, dass wir – egal welcher Herkunft und Religion – alle Menschen sind und dieselbe Menschlichkeit teilen. Antisemitismus spreche Jüdinnen und Juden diese Menschlichkeit ab und sei daher ein ernstes Problem in Europa, betonte Kanko. Wenn ein Kind danach frage, wie es mit Hass umgehen solle, könne die Antwort nur lauten, Liebe zu schenken. Wichtig sei, stets die europäischen Werte zu verteidigen und darauf zu achten, was der nächsten Generation weitergegeben werde, sagte die EU-Abgeordnete.
Debatte über den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus
Antisemitismus sei auch in Kanada traurige und erschreckende Realität, so Greg Fergus, Sprecher des kanadischen Unterhauses, der sich dafür einsetzte, gemeinsam gegen Antisemitismus und alle anderen Formen des Hasses vorzugehen. Antisemitismus empfand er als amoralisch und sah darin eine Gefahr für die Demokratie. Es sei eine Verpflichtung, die Bürger:innen zu schützen. Das Problem müsse ernst genommen werden, warnte er.
Sara Kelany, Mitglied des italienischen Parlaments, schilderte den starken Anstieg der antisemitischen Vorgehen in Italien, insbesondere seit dem Angriff der Hamas auf Israel. Sie sprach über negative Folgen für die Sicherheit des ganzen Landes. Antisemitismus sei eine Bedrohung für Demokratien, hielt sie fest und berichtete kritisch über eine neue Kleinpartei, die Neue Kommunistische Partei Italien.
Antisemitismus habe in der Schweiz keinen Platz, unterstrich die Vizepräsidentin des Schweizer Nationalrats Maja Riniker. Sie bezeichnete Antisemitismus als Gift, das die Grundfesten der demokratischen Gesellschaft gefährde. Antisemitismus verstand sie als Angriff auf die Werte der Gesellschaft.
Parlamentarier:innen für rechtliche und gesellschaftliche Maßnahmen
Nulltoleranz, Prävention durch Bildung und Aufklärung, öffentlicher Diskurs und rechtliches Vorgehen seien Ungarns Wege, um Antisemitismus entgegenzutreten, informierte János Fónagy, Vorsitzender der Ungarisch-Israelischen Freundschaftsgruppe. Er sprach über Antisemitismus als Bedrohung nicht nur für Jüdinnen und Juden sondern für Europa. Ungarn habe einen umfassenden Rechtsrahmen geschaffen, der Schutz vor Hassverbrechen biete, zeigte er sich überzeugt. Antisemitismus sei konsequent mit null Toleranz zu begegnen.
Für ein Umdenken setzte sich Edurne Uriarte Bengoechea, Mitglied des spanischen Parlaments, ein. Sie berichtete über Spaniens Kampf gegen Antisemitismus angesichts des Anstiegs der antisemitischen Angriffe in der ganzen Welt. Um sich gegen Hassreden zu stellen und die Angriffe auf Juden im Land zu bekämpfen, rufe Spanien im Kongress einen Ausschuss mit verschiedenen Parteien ins Leben. Der Ausschuss soll gegen alle Formen von Hassreden vorgehen, berichtete sie. Aus Bengoecheas Sicht könne das Parlament durch Gesetzgebung zu einem Umdenken beitragen.
Auch Chrisis Pantelides, Mitglied des zypriotischen Parlaments, sah Antisemitismus als direkte Bedrohung an. Die Politik dürfe Antisemitismus zum Schutz der Demokratie nicht tolerieren. Es bedürfe Schritte gegen den Antisemitismus, setzte er sich dafür ein, den Kampf aufzunehmen und Antisemitismus zu „eliminieren“. (Fortsetzung Antisemitismuskonferenz) bea/gla
HINWEISE: Fotos von der Antisemitismuskonferenz finden Sie im Webportal des Parlaments.
Eine Aufzeichnung finden Sie nach Ende der Konferenz in der Mediathek des Parlaments.
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