#MehralseinKreuzerl: Wie es nach der Wahl am 29. September weitergeht
Am 29. September sind die Österreicherinnen und Österreicher dazu aufgerufen, einen neuen Nationalrat zu wählen. Mit dessen konstituierender Sitzung – voraussichtlich am 24. Oktober – wird die mittlerweile 28. Gesetzgebungsperiode (GP) eingeläutet, 23 waren es bisher in der Zweiten Republik. Fünf Jahre lang werden die neu gewählten Abgeordneten dann Zeit haben, ihre politischen Ziele in Form von Gesetzesbeschlüssen umzusetzen, sofern der Nationalrat nicht seine vorzeitige Auflösung beschließt oder er vom Bundespräsidenten vorzeitig aufgelöst wird. Was passiert aber zwischen dem 29. September und dem 24. Oktober? Und wie startet das Hohe Haus in eine neue Legislaturperiode? Darüber geben unter anderem die Bundesverfassung und die Geschäftsordnung des Nationalrats Auskunft.
Eines gleich vorweg: Eine Zeit ohne funktionsfähigen Nationalrat gibt es in der Regel nicht. Nur wenn der Bundespräsident – oder eine Bundespräsidentin – den Nationalrat auf Vorschlag der Bundesregierung vorzeitig auflösen oder eine Initiative des Nationalrats zur Absetzung des Staatsoberhaupts per Volksabstimmung scheitern würde, entstünde ein kurzzeitiges Vakuum. Beide Fälle sind in der Zweiten Republik allerdings noch nie vorgekommen. Vielmehr schließen die Gesetzgebungsperioden nahtlos aneinander an. Auch dieses Mal wird es nicht anders sein: Die aktuellen Abgeordneten bleiben bis zum erstmaligen Zusammentreten des neu gewählten Nationalrats im Amt. Sie werden auch nach dem 29. September zu Sitzungen zusammentreten, parlamentarische Anfragen stellen und Beschlüsse fassen können.
In der politischen Praxis sind Sitzungen des alten Nationalrats nach einem Wahltermin allerdings – auch aus Respekt vor der Entscheidung der Wähler:innen – nicht üblich. In Notfällen könnten die Abgeordneten aber rasch reagieren. Das war etwa im Jahr 2008 der Fall, als infolge der weltweiten Krise der Finanzmärkte drei Wochen nach der Wahl und acht Tage vor dem erstmaligen Zusammentreten des neu gewählten Nationalrats einhellig ein Bankenrettungspaket verabschiedet wurde.
Lange ist die Zeitspanne zwischen Wahl und konstituierender Sitzung ohnehin nicht. Laut Verfassung ist der Bundespräsident verpflichtet, den neu gewählten Nationalrat innerhalb von dreißig Tagen nach der Wahl einzuberufen. Da die 27. Gesetzgebungsperiode regulär am 23. Oktober endet, kommt heuer als konkreter Termin rechtlich gesehen außerdem nur der 24. Oktober in Betracht. Mit diesem Tag beginnt dann auch die ordentliche Tagung 2024/25.
Nötig ist eine gewisse Zeitspanne zwischen Wahl und konstituierender Sitzung nicht zuletzt deshalb, weil es rund zwei Wochen dauert, bis die endgültigen Landes- und Bundeswahlergebnisse feststehen. Überdies müssen sich Abgeordnete, die auf verschiedenen Wahlebenen (zum Beispiel sowohl in ihrem Regionalwahlkreis als auch über die Bundesliste) ein Mandat errungen haben, entscheiden, welches davon sie annehmen. Davon hängt ab, wer für sie in den Nationalrat nachrückt. Trifft der bzw. die Doppeltgewählte innerhalb von 48 Stunden nach Bekanntgabe des endgültigen Bundeswahlergebnisses keine Entscheidung, entscheidet die Bundeswahlbehörde.
Funktionsfähiger Nationalrat auch ohne neue Regierung
Ein wesentlicher Tagesordnungspunkt der konstituierenden Sitzung ist die Angelobung der 183 Abgeordneten. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass der neu gewählte Nationalrat aktiv werden kann. Außerdem werden die drei Präsident:innen des Nationalrats, die Schriftführer:innen und Ordner:innen sowie neben dem Hauptausschuss zumeist auch weitere erste Ausschüsse gewählt. Damit ist sichergestellt, dass der neue Nationalrat sofort funktionsfähig ist, unabhängig davon, wie lange die Regierungsverhandlungen dauern sollten. Zuletzt waren es immerhin 100 Tage – und damit mehr als drei Monate -, bis nach diversen Sondierungsgesprächen und nachfolgenden Verhandlungen das türkis-grüne Kabinett endgültig stand und von Bundespräsident Alexander Van der Bellen vereidigt wurde.
Erfahrungsgemäß hält sich die Zahl der Gesetzesbeschlüsse bis zur Bildung einer neuen Regierung allerdings in Grenzen. So haben die Abgeordneten beispielsweise nach der Wahl 2019 bis zur Fixierung der türkis-grünen Koalition am 7. Jänner 2020 lediglich sechs Gesetze verabschiedet. Sie betrafen u.a. die Befreiung einzelner Autobahnabschnitte von der Vignettenpflicht zur Vermeidung von Umgehungsverkehr, die Einführung neuer Straftatbestände zur Ahndung von Betrug mit EU-Geldern, die vorübergehende finanzielle Absicherung des Vereins für Konsumenteninformation und einen vorübergehenden Abschiebestopp für abgewiesene Asylwerber:innen, die eine Lehre absolvieren. Findet die Nationalratswahl im Herbst statt, verzögert sich in der Regel auch der Budgetbeschluss: In den ersten Monaten des neuen Jahres kommt dann entweder das automatische oder, sofern beschlossen, ein gesetzliches Budgetprovisorium zum Tragen.
Unerledigte Gesetzentwürfe müssen neu eingebracht werden
Nicht erledigte Verhandlungsgegenstände – zum Beispiel nicht beschlossene Regierungsvorlagen oder Gesetzesanträge von Abgeordneten – verfallen mit Ablauf einer Gesetzgebungsperiode. Sie müssen neu eingebracht werden und der Gesetzgebungsprozess beginnt wieder von vorne zu Laufen. Allerdings gibt es auch einige Ausnahmen vom sogenannten Diskontinuitätsprinzip: So bleiben Volksbegehren, Bürgerinitiativen, Berichte des Rechnungshofes, der Bundesrechnungsabschluss und Berichte der Volksanwaltschaft automatisch Verhandlungsgegenstände. Das heißt in diesen Fällen schließt der neue Nationalrat an die Arbeit des früheren Nationalrats an. Schriftliche Anfragen von Abgeordneten an Regierungsmitglieder sind bei einem Wechsel der Gesetzgebungsperiode weiterhin zu beantworten, sie können vom neuen Nationalrat aber nicht in Form von Anfragebesprechungen thematisiert werden.
Zahl der Ausschüsse variabel
Welche Fachausschüsse der Nationalrat zur Vorberatung von Verhandlungsgegenständen einrichtet, obliegt der Mehrheit der Abgeordneten. Fix vorgeschrieben sind nur wenige Ausschüsse wie etwa der Budgetausschuss und der Hauptausschuss. Das heißt, die Zahl der Ausschüsse kann von Legislaturperiode zu Legislaturperiode variieren. Für die laufende Gesetzgebungsperiode hat der Nationalrat inklusive Hauptausschuss, Immunitätsausschuss und Unvereinbarkeitsausschuss 31 Ausschüsse – und damit gleich viel wie in den vergangenen Perioden – gewählt. Dazu kommen ein gemeinsamer Ausschuss mit dem Bundesrat gemäß Finanzverfassungsgesetz und mehrere Unterausschüsse. Verhältnismäßig neu sind zum Beispiel der Tourismusausschuss und der Konsumentenschutzausschuss, während es früher etwa neben dem Wirtschaftsausschuss einen eigenen Industrieausschuss gab. Auch die Größe der Ausschüsse ist variabel, da sich die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat in den Ausschüssen widerspiegeln müssen.
Klubbildung nur zu Beginn einer Gesetzgebungsperiode möglich
Ein Faktor für die Größe der Ausschüsse wird sein, wie viele Parteien den Sprung in den Nationalrat schaffen. Derzeit sind fünf Parteien – und damit auch fünf Klubs – im Hohen Haus vertreten. Zweimal waren es in der Zweiten Republik aber auch schon sechs Fraktionen: zum einen nach der Abspaltung des Team Stronach vom BZÖ im Jahr 2012, zum anderen nach dem erstmaligen Einzug der NEOS ins Parlament im Jahr 2013.
Voraussetzung für die Gründung eines Klubs ist es, dass die Partei über mindestens fünf Abgeordnete verfügt, wobei die Klubbildung spätestens einen Monat nach der konstituierenden Sitzung bekanntgegeben werden muss und pro wahlwerbender Partei nur ein Klub gegründet werden darf. Abspaltungen bzw. Neugründungen von Klubs während einer laufenden Gesetzgebungsperiode, wie seinerzeit bei der Gründung des Liberalen Forums, des BZÖ und des Team Stronach geschehen, sind seit 2013 nicht mehr möglich. Abgeordnete können aber weiterhin aus einem Klub austreten (und als sogenannte „wilde“ Abgeordnete weiterarbeiten) oder sich einem anderen Klub anschließen.
Den Klubs kommt im parlamentarischen Betrieb eine besondere Rolle zu. So können nur Klubs Mitglieder für die vorberatenden Ausschüsse nominieren und bekommen eine besondere Förderung. Auch weitere Rechte – etwa das Recht von Klubs mit weniger als 20 Abgeordneten, einmal im Jahr eine Sondersitzung des Nationalrates zu verlangen – knüpfen an den Klubstatus an.
Sesselrücken in der Präsidialkonferenz
Eine wesentliche Bedeutung haben die Klubs außerdem bei der Zusammensetzung der Präsidialkonferenz, die als beratendes Organ für den Nationalratspräsidenten bzw. die Nationalratspräsidentin unter anderem in die Erstellung der Tagesordnungen der Nationalratssitzungen und in die Festlegung von Redezeiten eingebunden ist. Ihr gehören neben den drei Nationalratspräsident:innen auch die Klubobleute der Nationalratsfraktionen an. Auch sie wird demnach nach jeder Wahl neu gebildet.
Eine Konstante stellen hingegen die Mitarbeiter:innen der Parlamentsdirektion – und in einem großen Ausmaß auch jene der Klubs – dar. Die Parlamentsverwaltung mit dem Parlamentsdirektor an der Spitze unterstützt die neuen und wiedergewählten Abgeordneten unter anderem mit einem Servicecenter und stellt Betriebsmittel wie Laptops sowie Büroarbeitsplätze bereit. In diesem Sinn schafft sie die Rahmenbedingungen dafür, dass der Nationalrat ungehindert seiner Tätigkeit nachkommen kann.
Den Ablauf der ersten Sitzung des neu gewählten Nationalrats legt in der Regel übrigens noch die „alte“ Präsidialkonferenz fest. Sie berät auch über den Sitzplan und weitere organisatorische Fragen, wobei neue Parlamentsparteien grundsätzlich eingebunden werden.
Keine Auswirkung hat die Nationalratswahl auf den permanent tagenden Bundesrat: Er erneuert sich jeweils partiell nach Landtagswahlen und kennt keine Gesetzgebungsperioden. (Schluss) gs
HINWEIS: Mehr Informationen zum Wahljahr 2024 finden Sie unter www.parlament.gv.at/mehralseinkreuzerl. Vor kurzem wurde außerdem ein Fachdossier des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes der Parlamentsdirektion zum Thema „Was passiert am Anfang einer Gesetzgebungsperiode?“ auf der Parlamentswebsite veröffentlicht.
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