„Die Königin und der Wächter der Nacht“: „dokFilm“ mit neuer Ausgabe der Reihe „Österreichs Originale“
Sie sind weltberühmt in Österreich – zumindest aber in ihrem Bezirk, ihrem Grätzel oder ihrer „Bubble“. Sie sind „Österreichs Originale“. Filmemacherin Jennifer Rezny stellt in der gleichnamigen ORF-Doku-Reihe Menschen einander gegenüber, die aus dem Raster dessen fallen, was landläufig als „normal“ bezeichnet wird – Menschen, die von Leidenschaft und der Lust an der Grenzüberschreitung getrieben sind. In der jüngsten, von Ivana Vlasich koinszenierten Ausgabe stehen „Die Königin und der Wächter der Nacht“ – zu sehen im „dokFilm“ am Sonntag, dem 25. August 2024, um 22.15 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON – im Mittelpunkt.
Marianne Kohn ist Wiens „Königin der Nacht“ – so auch der Titel einer Biografie. In den 1980ern wurde sie als Barfrau im legendären Club U4 zur Institution. Die Opernfanatikerin leitet heute die architektonisch wohl schönste Bar Wiens – die Loos Bar. Den „Wächter der Nacht“ kennt man in Graz nur als Isi. Er ist Schleusenwärter, bestimmt darüber, wer hineindarf und wer draußen bleiben muss – und sorgt so für die Sicherheit der Gäste in Nobelclubs sowie bei Großveranstaltungen. Sich selbst bezeichnet er als Empfangschef.
In der anschließenden, 2004 produzierten Ausgabe der Kultreihe „Alltagsgeschichte“ (23.00 Uhr) fragt Elizabeth T. Spira, was es heißt, „Tätowiert“ zu sein – und erhält sehr unterschiedliche Antworten.
Mehr zum Inhalt von „Österreichs Originale – Die Königin und der Wächter der Nacht“ (22.15 Uhr)
Würde man Marianne Kohn mit einem Wein vergleichen, käme man zu dem Fazit: Sie ist zur Vollendung gereift – von der Note her keinesfalls lieblich, mehr schon herb oder jedenfalls sehr trocken. In den 1980er Jahren wurde Kohn von einer Zeitgeist-Postille zu Wiens grantigster Barfrau gekürt und trägt diese Ehrenbekundung immer noch mit Stolz. Immerhin wurde sie stets mit dem meisten Trinkgeld bedacht. So wie sie selbst, ist das Lokal, das sie seit 30 Jahren leitet, eine Institution: die Wiener Loos American Bar – ein architektonisches Schmuckkästchen, allnächtlich vollgestopft mit Zelebritäten und solchen, die es gerne wären. Erfolg und Ruhm könnten ihr freilich gleichgültiger nicht sein. Als sie einmal in dem Herrn, der vor dem Tresen lungerte, Mick Jagger erkannte, kostete sie das nur ein Schulterzucken. Nüchtern ist auch ihr Verhältnis zur eigenen Familie: Das Schicksal der Verwandtschaft war tragisch – viele wurden von den Nazis ermordet -, das Verhältnis zur lieblosen Mutter traumatisch. Mit 16 Jahren büchste die gebürtige Wienerin nach Rom aus, heuerte in der Cinecittà an und wurde prompt als Schnitt-Assistentin engagiert. Dass sie dabei auch Pier Paolo Pasolini kennenlernte, ließ sie ebenso ungerührt. Dennoch ist Kohn eine Frau mit Leidenschaften: zum einen für die Oper, zum anderen für ihre Stofftiersammlung.
Auch Isi Kolcu ist in erster Linie Nachtarbeiter – wobei das mit der exakten Berufsbezeichnung keine so einfache Sache ist: Zunächst sei er hauptberuflich „Arschloch“ gewesen, sagt er, denn diese Bezeichnung musste er sich oft gefallen lassen, wenn er jemandem den Zutritt zu einer Lokalität verwehrte. Heute fungiert Isi als Security Supervisor oder einfach als „Mädchen für alles“. Wie ein Kuschelbär sieht er nicht eben aus, doch vom martialischen Äußeren – Ergebnis harten Trainings an den Fitnessgeräten – sollte man sich nicht abschrecken lassen. Auch die Ausbildung an der türkischen Militärakademie hat seinen Körper gestählt. Dorthin hat ihn der Vater in jungen Jahren gesteckt, die frühe Jugend hatte Isi bei der Mutter in den USA verbracht. Das Training mit der Waffe habe nur einem Zweck gedient: Töten zu lernen. Das nagt bis heute an ihm. Kriegerische Machenschaften betreffend hat Isi Läuterung erfahren, die deutlich wird, wenn er sich etwa zu dem blutigen Konflikt zwischen der kurdischen Minderheit und der Türkei äußert: Er sei bestürzt über den Hass, habe viele kurdische Freunde und könne die Feindschaft nicht verstehen.
Seine seelischen Blessuren sind in seine Haut eingebrannt – in Form von Tattoos, die an die Toten in seinem Leben erinnern. Der Liebe wegen ging er nach Österreich und wurde deshalb unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen. Die Lehre aus all den Jahren? Probleme ohne Gewalt zu lösen. Und das kommt ihm in seinem jetzigen Beruf und seinen Gästen sehr zugute.
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