Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 3. Juni 2023. Von MICHAEL SPRENGER. "Kampfabstimmung, ein Glücksfall". | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 3. Juni 2023. Von MICHAEL SPRENGER. „Kampfabstimmung, ein Glücksfall“.

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Babler gegen Doskozil. Heute entscheidet sich also der rote Machtkampf. Die SPÖ befindet sich nicht erst seit gestern in einer Krise. Als Chance bietet sich diese jedenfalls nicht an. Außer, es gibt noch so etwas wie Vernunft in der Partei.

Im Design Center in Linz wurde 2017 Sebastian Kurz als neuer ÖVP-Obmann gefeiert. 2008 bot es den Rahmen für die Inthronisierung Werner Faymanns als SPÖ-Vorsitzender. Wenn man so will, ein guter Boden für spätere Kanzler. Beide, Kurz und Faymann, konnten auf das Schild gehoben werden, weil zuvor eine anhaltende parteiinterne Intrige gegen ihre jeweiligen Vorgänger Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Alfred Gusenbauer (SPÖ) von Erfolg gekrönt war.
Damit sind aber auch schon die Parallelen zum heutigen Parteitag der SPÖ im Design Center gezogen worden. Kurz und Faymann waren seinerzeit als logische Nachfolger aufgebaut worden. Weder Andreas Babler noch Hans Peter Doskozil können das für sich behaupten. Die scheidende Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner wollte nämlich nicht kampflos das Feld räumen. Also musste der Machtkampf bis an sein Ende gebracht werden. Zuerst in einer mehr als nur verkorksten Mitgliederbefragung, bei der Rendi-Wagner knapp auf der Strecke blieb. Heute nun die Kampfabstimmung. Und zwar deshalb, weil der Traiskirchner Bürgermeister aufgrund des knappen Ergebnisses bei der Urabstimmung nicht klein beigeben wollte. 
Damit sorgte Babler für einen Glücksfall für die Partei. Es stimmt, eine Kampfabstimmung ist kein Ausdruck von Harmonie. Das Gegenteil ist der Fall. Doch das von der Partei gewählte und nicht zu Ende gedachte Procedere der Vorsitzwahl hätte nur eine andere Lösung des Konflikts bereitgestellt, und diese wäre für die Partei zum Fiasko geworden. Die andere Lösung hätte bedeutet, dass nach der Mitgliederbefragung nicht nur Rendi-Wagner, sondern auch der Zweitplatzierte das Handtuch geworfen hätten. Doskozil hätte sich also heute allein der Delegiertenwahl stellen dürfen. Nein, müssen! Die Abstimmung hätte nach den Verletzungen mit Sicherheit zu einer Streichorgie geführt. Der Landeshauptmann hätte als gebrochener Parteivorsitzender Linz verlassen müssen. Die Partei wäre schwer angeschlagen am Boden gelegen. 
Egal also, wie knapp oder eindeutig die Abstimmung ausgehen wird – erst Babler hat dafür gesorgt, dass die SPÖ die Chance bekommt, einen Neuanfang zu versuchen. Dafür müssten die Genossinnen und Genossen trotz aller Widersprüche aufeinander zugehen. Die Politisierung und Demokratisierung der Partei müsste  fortgeschrieben, der vorhandene Nachwuchs in wichtige Positionen befördert werden.
Alles nicht einfach. Die SPÖ kann naturgemäß auch anders und weiter auf Selbstzerstörung setzen. Freundschaft!

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