Pensionen: Aliquotierung der ersten Pensionserhöhung wird für zwei Jahre ausgesetzt | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Pensionen: Aliquotierung der ersten Pensionserhöhung wird für zwei Jahre ausgesetzt

0 227

Nur einen Tag nach der Ankündigung der Regierungsparteien, die Aliquotierung der ersten Pensionserhöhung für zwei Jahre auszusetzen, hat der Nationalrat einen entsprechenden Beschluss gefasst. Die Abgeordneten nutzten eine auf der Tagesordnung stehende Sozialversicherungsnovelle dazu, um das Vorhaben rasch auf den Weg zu bringen. Durch die hohe Inflation habe die Aliquotierungsregel besonders negative Auswirkungen auf die Pensionshöhe, wird der Schritt von ÖVP und Grünen begründet. Ein weitergehender Abänderungsantrag der SPÖ und ein Entschließungsantrag der FPÖ fanden hingegen keine Mehrheit.

Ursprünglich war die Sozialversicherungsnovelle von den Koalitionsparteien eingebracht worden, um einen Gesetzesbeschluss vom Herbst vergangenen Jahres zu reparieren. Rund 200.000 Mindestpensionist:innen werden demnach im Juni eine Nachzahlung zum im März überwiesenen Teuerungsausgleich erhalten. Konkret wird die Einmalzahlung auf insgesamt 333 € aufgestockt. Massive Kritik an der Novelle kommt von den NEOS: Nach Meinung von Abgeordnetem Gerald Loacker wird im Pensionssystem zu wenig auf eine notwendige Balance zwischen Leistungsbezieher:innen und Beitragszahler:innen geachtet.

Verabschiedet hat der Nationalrat darüber hinaus eine Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz. Sie sieht zum einen vor, vertriebenen Ukrainer:innen einen uneingeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu gewähren. Zum anderen geht es um Nachbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Demnach müssen Stammsaisonniers künftig nur noch Deutschkenntnisse in A1 – statt wie bisher in A2 – nachweisen. Bei Schlüsselkräften, Fachkräften in Mangelberufen und Start-up-Gründer:innen werden nunmehr auch gute Sprachkenntnisse in den Sprachen Französisch, Spanisch und Bosnisch-Kroatisch-Serbisch (BKS) im Punktekatalog berücksichtigt.

Pensionsaliquotierung wird ausgesetzt, Ausgleichszulagenbezieher:innen erhalten Nachzahlung

Anlass für die Einbringung der Sozialversicherungsnovelle war der Umstand, dass Bezieher:innen einer Ausgleichzulage im März nur einen gekürzten Teuerungsausgleich erhalten haben. Als Berechnungsgrundlage für die im Herbst beschlossene Einmalzahlung im Ausmaß von 30 % der Gesamtpension wurde nämlich nicht die Höhe der Mindestpension von 1.110 €, sondern die geringere Eigenpension herangezogen. Nun soll die Differenz auf 333 € Ende Juni nachgezahlt werden. Man wolle ein Versehen beseitigen, das so nicht beabsichtigt gewesen sei, betonten Michael Hammer (ÖVP) und Markus Koza (Grüne) in der Debatte. Koza entschuldigte sich bei allen Betroffenen, für die es durch den Fehler zu Unsicherheiten gekommen sei.

Die Bestimmungen zum Aussetzen der Pensionsaliquotierung wurden mittels Abänderungsantrag in die Novelle eingebaut. Demnach ist die Aliquotierungsregel in den Kalenderjahren 2024 und 2025 nicht anzuwenden. Wer heuer bzw. im nächsten Jahr in Pension geht, wird damit unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Pensionsantritts schon im darauffolgenden Jahr die volle Inflationsabgeltung erhalten. Nach den geltenden Bestimmungen hängt das Ausmaß der ersten Pensionserhöhung davon ab, in welchem Monat man im Jahr zuvor die Pension angetreten hat.

Für Grünen-Sozialsprecher Koza handelt es sich um eine "notwendige und pragmatische Lösung". Was nach den zwei Jahren komme, sei Sache der folgenden Koalition. ÖVP-Abgeordneter Hammer erläuterte, dass rund 100.000 Pensionsbezieher:innen von der Maßnahme profitieren werden. Man werde die Pensionist:innen nicht im Stich lassen, so Hammer.

SPÖ und FPÖ halten Aussetzen der Aliquotierungsregelung für unzureichend

Das sieht SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch anders. Man lasse mit der vorliegenden Regelung alle Personen im Stich, die im Jahr 2022 in Pension gegangen seien. Auch sie würden unter der Teuerung leiden. Muchitsch kritisierte zudem, dass die Aliquotierung nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt wird. Um der Koalition "die Chance zu geben", diesen "Fehler" auszubessern, brachte Muchitsch einen Abänderungsantrag ein, der bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit fand. Er hätte vorgesehen, die Aliquotierungsregelung rückwirkend mit 1. Jänner 2022 und dauerhaft außer Kraft zu setzen.

Verena Nussbaum (SPÖ) ging insbesondere auf die Situation der Frauen ein, die besonders armutsbetroffen seien. Durch die beschlossene Anhebung des Frauenpensionsalters würden die Pensionsantritte von Frauen in den kommenden Jahren vermehrt in die zweite Jahreshälfte fallen. Das verstärke die Ungerechtigkeit mit Blick auf die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung, so Nussbaum. Sie will daher an der von der SPÖ angekündigten Klage beim Verfassungsgerichtshof festhalten.

Seitens der FPÖ äußerte Peter Wurm Zustimmung zum Koalitionsvorschlag, die Aliquotierung der Pensionsanpassung für zwei Jahre auszusetzen. Die Änderung sei für die betroffenen Pensionist:innen "besser als nichts". Man könne in Zeiten hoher Inflation nicht einfach zuschauen. Wurm bezeichnete die Regelung aber auch als "stümperhaft" und forderte in einem Entschließungsantrag weitergehende Maßnahmen. So drängten die Freiheitlichen etwa darauf, für bisher von der Aliquotierung betroffene Pensionsbezieher:innen einen finanziellen Ausgleich zu schaffen sowie Pensionskonten umgehend an die Inflation anzupassen. Die verzögerte Wertsicherung des Pensionskontos führe zu signifikanten finanziellen Einbußen bei Personen, die heuer oder im nächsten Jahr ihre Pension antreten, argumentiert Wurm. FPÖ-Abgeordneter Werner Herbert wertete es als positiv, dass im Koalitionsantrag nun auch die Beamt:innen mit berücksichtigt seien.

NEOS gegen weitere Verbesserungen für Pensionist:innen

Gegen Verbesserungen für Pensionst:innen sprach sich NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker aus. Seine Fraktion sei die einzige mit dem wenig populären Standpunkt, dass es jetzt nicht an der Zeit für Verbesserungen sei. Es gelte, auf die Balance zwischen Leistungsbezieher:innen und Beitragszahler:innen zu achten. Den falschen Anreiz, früher in Pension zu gehen, hätten die Regierungsparteien mit der Aliquotierung der Pensionsanpassung selbst beschlossen. Nun würden sie bloß noch mehr Geld auf das Problem werfen. Loacker vermutete hinter der Maßnahme einen Zusammenhang damit, dass Pensionist:innen die größte Wähler:innengruppe seien.

Rauch: Maßnahme ist "fair und gerechtfertigt"

In Zeiten hoher Inflation käme es zu einer massiven Benachteiligung, wenn die erste Pensionsanpassung nach Eintritt in die Pension nur aliquotiert erfolge, sagte Sozialminister Johannes Rauch. Diese Benachteiligung beseitige man jetzt, indem man die Aliquotierung für zwei Jahre aussetze. Rauch bezeichnete die Maßnahme als "fair und gerechtfertigt".

ÖVP-Grünen-NEOS-Mehrheit für Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz

Mit der Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz wollen ÖVP und Grüne die Integration jener vertriebenen Ukrainer:innen, die einen dauerhaften Verbleib am österreichischen Arbeitsmarkt anstreben, beschleunigen. Da diese Personengruppe für die Aufnahme einer Beschäftigung künftig keine Bewilligung mehr braucht, wird auch die bestehende Vorab-Prüfung von Lohn- und Arbeitsbedingungen entfallen. Derzeit sind laut ÖVP-Abgeordneter Tanja Graf hierzulande bereits rund 8.000 Ukrainer:innen "in den Arbeitsprozess eingebettet". Als "echt schäbige" Unterstellung qualifizierte sie Befürchtungen, dass Unternehmen Ukrainer:innen künftig ausnutzen könnten.

Die Nachbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte begründen die Koalitionsparteien unter anderem damit, dass Stammsaisonniers, die zuvor ausschließlich im Tourismus oder in der Landwirtschaft beschäftigt waren, oftmals keine selbstständige Sprachverwendung aufbauen hätten können. Man könne die Sprache gut im Job mitlernen, ist Graf überzeugt. Auch von den vorgesehenen Zusatzpunkten für bestimmte Fremdsprachen würde der Tourismus profitieren.

Seitens der Grünen hob Barbara Neßler hervor, dass mit der Gesetzesnovelle unnötige bürokratische Hürden abgebaut würden. Der Krieg in der Ukraine werde noch länger anhalten, es brauche Perspektiven für jene, die nach Österreich geflüchtet seien. Zudem werden ihr zufolge mit der Novelle die geforderten Sprachkenntnisse an Arbeitsrealitäten angepasst. Neßler sprach sich überdies dafür aus, auch Asylwerber:innen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Mitgetragen wurde der Gesetzesbeschluss von den NEOS. Angesichts des Arbeitskräftemangels in manchen Bereichen wie der Forstwirtschaft sei es wichtig, nicht zu strenge Sprachanforderungen zu stellen, hielt Abgeordneter Gerald Loacker fest. Das hätte durch sinkende Preise auch positive Auswirkungen für Konsument:innen. Insgesamt vermisst Loacker jedoch eine große Reform im Bereich der Rot-Weiß-Rot-Karte.

SPÖ und FPÖ kritisieren Gesetzentwurf

Scharfe Kritik am Gesetzentwurf übte hingegen SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger. Mit der Novelle verschlechtere sich der Schutz vor Ausbeutung am Arbeitsmarkt, beklagte er. Man hätte mit der SPÖ über Verbesserungen für Ukrainer:innen reden können, die Bewilligungspflicht und damit auch die Vorabprüfung von Lohn- und Arbeitsbedingungen zur Gänze abzuschaffen, ist seiner Meinung nach aber der falsche Weg. Stöger hält es außerdem für schwierig, Mitarbeiter:innen, die nicht ordentlich Deutsch können, in ein Unternehmen zu integrieren. Auch ist für ihn nicht einsichtig, dass bestimmte Fremdsprachen wie Spanisch gegenüber Türkisch, Russisch oder Chinesisch bevorzugt werden.

Ähnlich argumentierte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. Mit dem Antrag werde "Ausbeuterei salonfähig gemacht", meinte sie. Gleichzeitig werde Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Man wolle nichts als billige Arbeitskräfte haben, ist sie überzeugt. Auch die Änderungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte sieht Belakowitsch kritisch. Für sie ist es essenziell, dass Arbeitnehmer:innen, die in Österreich arbeiten, Deutsch können. Zudem sei Deutsch die Grundvoraussetzung für Integration. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, drängte ihr Fraktionskollege Peter Wurm auf eine Verbesserung des Bildungssystems und eine Forcierung der Lehre.

Kraus-Winkler: Novelle ist wichtiges Signal für internationale Fachkräfte

Von der Regierungsbank meldete sich Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler zu Wort. Sie verwies auf den europaweit verbreiteten Fachkräftemangel, der sich ihr zufolge nicht mit Einzelmaßnahmen lösen lasse. Man müsse immer wieder neue Impulse setzen. Die vorliegende Novelle bringt ihr zufolge gerade für den Bereich des Tourismus wichtige Verbesserungen. Die Änderungen seien ein wichtiges Signal an internationale Fachkräfte.

Für den Ausdruck "machtversessener Haufen" in Richtung ÖVP erhielt NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker vom vorsitzführenden Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer einen Ordnungsruf. (Fortsetzung Nationalrat) gs/kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.