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BDO Energy Talks: Merit Order, Markteingriffe und die Hemmschuhe der Energiewende

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Auf dem Energiemarkt herrscht eine noch nie dagewesene Situation: Volatile Preise, Gewinnabschöpfungen und Eingriffe in den Markt prägten die vergangenen Monate. Aufgrund des Preisdrucks ist das Thema Energie endgültig inmitten der Gesellschaft angekommen. Führende Energieexpert:innen diskutierten über die aktuellen Themen des Markts und die Herausforderungen der Energiewende. 

Bereits zum achten Mal lud Mag. Karl Newertal, Partner und Branchenexperte Alternative Energie bei BDO, namhafte Spezialist:innen der österreichischen und deutschen Energiebranche zu den Energy Talks. Zu Gast waren DI Karl Gruber, Geschäftsführer Wien Energie, Dr. Tobias Büttner, Geschäftsführer Energieagentur Rheinland-Pfalz, Dr. Ursula Nährer, Geschäftsführung Stv. IG Windkraft, und Dr. Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control.

In seiner Keynote widmete sich DI Karl Gruber, Geschäftsführer der Wien Energie, der Dekarbonisierungsstrategie für die österreichische Hauptstadt, die bis 2040 zu 100% abgeschlossen sein soll. Die wichtigsten Faktoren seien Energie, Mobilität, Wohnen und Abfall. Größte Herausforderung ist die Wärmeenergie, die möglichst nah am Ort des Verbrauchs erzeugt werden muss und in Wien noch in vielen Fällen aus Gas gespeist wird. Entscheidende Kriterien für eine erfolgreiche Umsetzung sind daher die Sanierung der Bausubstanz und der damit einhergehende sinkende Energiebedarf sowie der Ausbau des Fernwärmenetzes, das sukzessive auf grünen Wasserstoff und Geothermie umgestellt werden soll. Die Wien Energie betreibt bereits heute die größte städtische Photovoltaikanlage Österreichs und die größte Wärmepumpe Mitteleuropas – Technologien, die für ein Gelingen der Energiewende wesentlich sind. Fest steht für DI Karl Gruber: „Wien ist auf dem Weg zur Klimamusterstadt.“ 

Anschließend gewährte Dr. Tobias Büttner, Geschäftsführer der Energieagentur Rheinland-Pfalz, interessante Einblicke in das System der Flächenwidmung in Deutschland, mit dem die Bundesregierung den Ausbau von Windparks massiv fördert: Im Windenergieflächenausbaugesetz wurden im Falle Rheinland-Pfalz 2,2% der Landesfläche für Windparks vorgesehen. Die verbindlichen Flächenziele bis 2027 wurden auf Länder und Kommunen umgelegt und diese werden nun massiv beim Ausbau unterstützt, u.a. durch die von Dr. Büttner geleitete Energieagentur mit zwischenzeitig 120 Mitarbeiter:innen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wurde vonseiten des Gesetzgebers als von überragendem öffentlichen Interesse definiert und die bisherige Verwaltungspraxis sowie die Genehmigungsverfahren wurden vereinfacht. Das erklärte Ziel in Deutschland sei die Stromerzeugung zu 100% aus Erneuerbaren Energien bis 2035. Dr. Büttner relativierte und appellierte jedoch: „Zwar gibt es noch immer eine eklatante Umsetzungslücke, die nur durch fundamentales Umsteuern geschlossen werden kann.“ Aber dieses Umsteuern über die erforderlichen Flächenausweisungen werde nun angegangen, auch auf kommunaler Ebene. Ein wesentliches Hindernis sei auch im Nachbarland noch immer die lange Dauer von Genehmigungsprozessen. 

Diese jahrelange Verfahrensdauer – in Österreich im Schnitt ganze acht Jahre – zählt laut Dr. Ursula Nährer, Geschäftsführung Stv. IG Windkraft, zu den größten Hemmschuhen der erfolgreichen Energiewende. Die Expertin betonte, dass sie sich eine ähnliche Entschlossenheit und einen Durchgriff in der Planung sowie eine Anhebung der Ausbauziele wie in Deutschland wünschen würde. „Wir benötigen ein klares Bekenntnis zu Erneuerbarer Energie und Windenergie auf Ebene der Länder sowie eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren“, betonte Dr. Ursula Nährer. Letzteres sei vor allem durch einen Personalausbau bei den Genehmigungsbehörden zu erreichen. Eine Ausweisung der Flächen sei ebenso nötig wie der Fokus auf eine naturverträgliche Energiewende im Hinblick auf den Populationsschutz. Eine leider noch immer offene Frage sei die der Kostenübernahme für Netzanschluss und Netzausbau. Dr. Ursula Nährer betonte: „Die Energiewende ist eine Herkulesaufgabe. Mit vereinten Kräften ist sie jedoch machbar.“ Grundsätzlich hätte sich die Debatte im vergangenen Jahr dynamisiert, was zu begrüßen sei. 

Dr. Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control, wies darauf hin, dass die Abhängigkeit vom russischen Gas und die enormen Verwerfungen auf den Energiemärkten die Akzeptanz der Erneuerbaren Energien gestärkt hätten. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien könne die Abhängigkeit vom Gas reduziert und gleichzeitig ein preisdämpfender Effekt erreicht werden. Zum derzeitigen Strommarktmodell führte er aus, dass es sich zwar in Friedenszeiten bewährt hätte, nicht jedoch in der Krise. Die seit Februar 2022 herrschende Kriegssituation und die damit einhergehende künstliche Verknappung von Erdgas stelle für alle Marktteilnehmer und Kund:innen eine enorme Herausforderung dar und erfordert staatliche Eingriffe. „Grundsätzlich sind Markteingriffe jedoch auf das Notwendigste zu beschränken und vor allem auch zeitlich zu befristen“, erklärte der Fachmann. „Es ist positiv zu bewerten, dass es etwa zur Gewinnabschöpfung eine einheitliche Regulierung vonseiten der EU gegeben hat.“ So bald wie möglich sollte wieder zu einem wettbewerbsorientierten Markt zurückgekehrt werden, auch um den Erneuerbaren Ausbau zu unterstützen: „Wir sollten nicht vergessen, dass gerade die Liberalisierung des Markts und der diskriminierungsfreie Netzzugang wichtige Voraussetzungen zum Gelingen der Energiewende sind.“

Abschießend bat Mag. Karl Newertal alle Teilnehmer:innen mit der Frage „Haben wir die Energiewende geschafft?“ einen vorsichtigen Blick in das Jahr 2030 zu werfen. „Wir sind auf einem guten Weg“, zog Dr. Ursula Nährer Bilanz. Und sie rechnete vor: Wenn wir nur 2% der Fläche Österreichs für Windparks nutzen würden – was sowohl in Bezug auf Anrainer:innenverträglichkeit als auch in Bezug auf Naturschutz möglich wäre – könnten wir bereits mehr Strom erzeugen als momentan verbraucht wird. 
Dr. Tobias Büttner zeigte sich optimistisch, dass die Energiewende bis 2030 gelingen kann, auch wenn dieses Ziel ambitioniert sei. Er betonte: „Die Energiewende ist zentral für den Klimaschutz, auch weil wir damit im internationalen Kontext zeigen, dass ein rein auf Erneuerbaren basierendes Energiesystem machbar ist, wenn wir es mit aller Kraft angehen.
DI Karl Gruber erklärte: „Erneuerbare Energiequellen erzeugen Resilienz und Unabhängigkeit – diese wiederum sind entscheidende Faktoren für Preisstabilität und Leistbarkeit. Wir müssen die Energiewende nur rasch durchführen, damit auch die Klimawende gelingen kann.“
Dr. Wolfgang Urbantschitsch war sich sicher, dass das Jahr 2022 rückblickend als Wendepunkt gesehen wird: „Das vergangene Jahr hat ein Umdenken und wesentlich mehr Akzeptanz für die Erneuerbaren gebracht und damit einhergehend vor allem eine enorme Beschleunigung des Ausbaus.“ Er ging davon aus, dass die Energiewende bis zum Jahr 2030 gelingen kann. 

Die Veranstaltungsreihe „Energy Talks“ bietet allen Interessierten ein Forum, bei dem sich Vertreter:innen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Energiebranche austauschen können.

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