TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 21. März 2023 von Max Strozzi "Versprochen, gebrochen?" | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 21. März 2023 von Max Strozzi „Versprochen, gebrochen?“

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Dass eine Bank eine Finanzkrise auslösen kann, sollte seit 2008 eigentlich nicht mehr möglich sein. Der Fall Credit Suisse wirft die Frage auf: Wie sicher ist ein Bankensystem, das über Nacht mit Hunderten Milliarden stabilisiert werden muss?

Eines lässt sich nach der Notrettung der Schweizerischen Großbank Credit Suisse festhalten: „Too big to fail“ gibt es immer noch. Wir erinnern uns. Nach der Finanzkrise 2008 sollten Banken eigentlich nie mehr derart groß und systemrelevant sein, dass sie notfalls gerettet werden müssen, weil andernfalls das ganze Finanzsystem ins Wanken gerät. So wurden beispielsweise zusätzliche Kapitalanforderungen eingeführt, eine strengere Aufsicht, im Fall der Fälle sollte ein solches Institut geordnet abgewickelt werden. Die Botschaft: Niemand sollte mehr zittern müssen, selbst wenn ein großes Geldhaus in Schieflage gerät. Wir haben vorgesorgt.  
Von einem geordneten Abwickeln kann im Fall der Credit Suisse kaum die Rede sein. Beruhigungspillen wie eine 50 Mrd. Euro schwere Kreditlinie der Schweizerischen Notenbank konnten den Strudel nicht bremsen. Über das Wochenende wurde daher ein Notfall-Rettungsplan gezimmert mit Geldsummen, die jede Vorstellungskraft sprengen. Konkurrent UBS wird zur Übernahme der Credit Suisse zwangsverpflichtet, die Schweizerische Nationalbank steuert Finanzspritzen von umgerechnet rund 100 Mrd. Euro bei, zudem übernimmt der Staat die Haftung für weitere Darlehen im Ausmaß von bis zu umgerechnet 100 Mrd. Euro. Dass der ganze Plan zudem aus mehreren Gründen rechtswidrig sein könnte – egal, es musste offenbar schnell gehen.
Jede andere Lösung, betonte die Schweizer Finanzministerin, hätte eine Finanzkrise ausgelöst, ein Konkurs der Bank wäre mit unabsehbaren Folgen für das globale Finanzsystem verbunden gewesen. Das dürfte nach 2008 eigentlich nicht mehr der Fall sein. Doch offenbar ist eine einzige Bank immer noch imstande, eine globale Krise auszulösen. So also steht es derzeit um die Sicherheit des Finanzsystems, 15 Jahre nach Lehman. 
Es klingt deshalb schon ziemlich zynisch, wenn Notenbanken ausrücken, um die Stabilität des Systems hervorzuheben und die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors zu betonen. Wie sicher ist denn ein System, das über Nacht mit Hunderten Milliarden an Finanzspritzen und Staatshaftungen stabilisiert werden muss, um nicht zu kollabieren? Nicht zu vergessen: Auch die USA mussten nach der Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank rasch ausrücken und alle Einlagen garantieren – und zwar über das bestehende Limit von 250.000 Dollar hinaus.
Mit der Übernahme der „Zombie-Bank“ Credit Suisse wird nun die UBS zur „Monster-Bank“, wie die Neue Zürcher Zeitung treffend schrieb. Wehe, wenn das „Monster“ einmal taumeln sollte.

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