Versorgung von Schwerverletzten in Österreich droht Kollaps
„Wenn die Versorgung von Schwerverletzten nicht mehr funktioniert, werden Menschenleben aufs Spiel gesetzt“, bringt es der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie, Primarius Vinzenz Smekal, auf den Punkt. Menschen, deren Überleben nach Verkehrsunfällen, Sportunfällen oder Freizeitunfällen auf hochspezialisierte und erfahrene Unfallchirurg:innen angewiesen sind, treffen auf kaum mehr haltbare Zustände in den Spitälern.
Dramatische Personalprobleme in den Spitälern: Bundesländer und Spitalserhalter sind zur raschen Lösung aufgerufen
Über den Personalmangel in der Pflege wird in allen Medien berichtet. Parallel dazu besteht jedoch ebenso ein enormer Mangel an Fachärzt:innen, etwa bei Anästhesist:innen und Unfallchirurg:innen. Darüber hinaus wurden in den Spitälern in den letzten Jahren Bettenkapazitäten reduziert beziehungsweise umgeschichtet. „Das Resultat ist eine drastische Reduktion der OP-Kapazitäten in der Unfallchirurgie. Mindestens ein Drittel aller österreichischen Spitäler ist davon betroffen“, berichtet ÖGU-Präsident Priv.-Doz. Dr. Vinzenz Smekal.
Der Beruf des Spitalsarztes braucht weiters dringend einer Attraktivierung. Kritische Personalstände, hoher Druck und das strenge Arbeitszeitgesetz drängen Ärzt:innen immer mehr in den niedergelassenen Bereich, da ein Job in Ordinationen als einfacher und die Bezahlung als deutlich lukrativer empfunden wird. Dies trifft speziell auf Ärzt:innen aus dem neuen Sonderfach Orthopädie und Traumatologie zu, die sich vermehrt selbständig machen und den Spitälern fehlen.
Ausbildungsdefizite in der Unfallchirurgie führen zu massiven Nachwuchsproblemen
Bei der Einführung des neuen Sonderfaches „Orthopädie und Traumatologie“ wurden unfallchirurgische Ausbildungsinhalte gekürzt und damit vor allem die Schwerstverletztenversorgung nicht ausreichend abgebildet. Die ungenügende Entlohnung der extrem herausfordernden Arbeit rund um die Uhr in den Akutspitälern gepaart mit schlechten Arbeitsbedingungen und einer Überlastung durch Personalknappheit führen unweigerlich zu schwerwiegenden Engpässen in der Schwerstverletzten-Versorgung. Eine Vertiefung der unfallchirurgischen Ausbildung und adäquate Entlohnungs- und Dienstmodelle für die Akutversorgung schwerstverletzter Patient:innen könnten Abhilfe schaffen. „Unfallchirurgie muss für junge Kolleg:innen vertieft erlernbar und mit lohnenden Perspektiven ausgestattet werden“, fordert ÖGU-Prä-Präsident Assoc.-Prof. PD. Dr. Kambiz Sarahrudi.
In der Ausbildung zum Facharzt / zur Fachärztin für Orthopädie und Traumatologie fehlen zentrale Elemente wie Polytrauma, Bauch- und Brustkorbtrauma oder das Schädel-Hirn Trauma: Wissen, das in den Schockräumen Österreichs auch in Zukunft täglich gebraucht wird, um Menschenleben zu retten. „Ein konzeptioneller Vorschlag der ÖGU hinsichtlich einer Ausbildungsvertiefung in der Unfallchirurgie im Rahmen des neuen Sonderfaches Orthopädie und Traumatologie wurde bis heute weder von der Ärztekammer noch von der Politik aufgegriffen“, berichtet Fachgruppenobmann Dr. Richard Maier über mühsam ablaufende Diskussionen.
Umsetzung von bundesländerübergreifenden Traumanetzwerken noch immer nicht erledigt: Großteil der Bundesländer untätig
Im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) 2017 wurde die Grundstruktur der Trauma-Versorgung Österreichs im Rahmen von bundesländerübergreifenden Traumanetzwerken festgelegt. Nur vereinzelte Projekte konnten bisher realisiert werden. Allerdings fehlt nach wie vor eine übergeordnete, österreichweite politische Anstrengung zur flächendeckenden Umsetzung, abseits von Bundesländergrenzen.
Bei Traumanetzwerken werden durch die Abstimmung verschiedener Unfallabteilungen beziehungsweise Unfallkrankenhäuser entsprechend ihrer jeweiligen Kompetenzen Aufgabenbereiche zugeordnet und damit sichergestellt, dass jede verunfallte Patientin, jeder verunfallte Patient in der für die Behandlung ihrer bzw. seiner Verletzung optimal geeigneten Krankenanstalt versorgt wird. Durch die Abstufung der Aufgaben ist von der Basisversorgung bis hin zur Schwerstverletztenbehandlung die optimale Nutzung von fachlicher Kompetenz, vorgehaltenem Personal, Ressourcen- und Kostenoptimierung sichergestellt. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass die Überlebensrate von Schwerstverletzten durch die Sicherstellung der Versorgung im bestgeeigneten Zentrum wesentlich steigt“, erklärt ÖGU-Generalsekretär Dr. Andreas Hartmann: „Als Arzt kann ich daher überhaupt nicht verstehen, warum die bundesländerübergreifenden Traumanetzwerke nicht längst flächendeckend Realität sind.“
Daher fordert die Österreichische Gesellschaft für Unfallchirurgie (ÖGU):
(1) Länder in der Pflicht: Die Landespolitik ist aufgerufen, korrigierend in die Entwicklungen in ihren Spitälern betreffend Personalaufstockung, OP-Kapazitäten und Attraktivierung des Spitalsarzt-Berufes einzugreifen. Die Unfallversorgung darf nicht kaputtgespart werden!
(2) Bundesminister Johannes Rauch ist zur Unterstützung aufgerufen: die Voraussetzungen für die rasche Umsetzung einer Ausbildung in „Vertiefender Unfallchirurgie“, insbesondere der Schwerstverletztenversorgung, sind im Rahmen des Sonderfaches Orthopädie und Traumatologie zu schaffen.
(3) ÖSG 2017 endlich umsetzen: im Sinne einer optimalen Patientenversorgung sind die bereits seit sechs Jahren bestehenden verbindlichen Vorgaben der bundesländerübergreifenden Traumanetzwerke umgehend zu erfüllen.
(4) Gefahr im Verzug: Die Politik ist aufgerufen, die unfallchirurgische Versorgung der Österreicher:innen auf höchstem Niveau auch in Zukunft sicherzustellen.
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