Resolution des ORF-Publikumsrats
Wien (OTS) – Der ORF-Publikumsrat hat in seiner Plenarsitzung vom Donnerstag, dem 9. März 2023, unter dem Vorsitz von Mag. Walter Marschitz, folgende Resolution angenommen:
Resolution des ORF-Publikumsrats zur aktuellen Debatte um den ORF
Der Publikumsrat appelliert an die Verantwortlichen in Regierung und Parlament, rasch sicherzustellen, dass der ORF auf Basis des Verfassungsgerichtshofurteils auch weiterhin über jene finanzielle Mittel verfügt, um seinem Programmauftrag umfassend und qualitativ hochwertig nachkommen zu können, und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der ORF sein Angebot im digitalen Raum weiterentwickeln kann.
Entwicklungen wie die zunehmende Verbreitung von Fake News legen gerade jetzt nahe, die demokratiepolitisch bedeutsame Funktion des ORF als verlässliche und vielfältige Informationsquelle weiterzuentwickeln. Die empirischen Untersuchungen im Auftrag des Publikumsrats liefern dazu konkrete Orientierungen.
Auch die Leistungen des ORF in den Bereichen Unterhaltung, Kultur und Sport zur Erfüllung seiner Kernaufträge sowie die Behandlung von Themen wie Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft, Volksgruppen, Jugend- und Erwachsenenbildung, Vermittlung von Wissenschaft, Gesundheit- und Umweltschutz, Kirchen und Religionsgesellschaften sowie die Förderung sozialer und humanitärer Aktivitäten sorgen dafür, dass der ORF in der österreichischen Medienlandschaft eine einzigartige und unverzichtbare Rolle spielt.
Nachhaltige Finanzierung sichern
Bei der Wahl der Finanzierungsform sollten aus unserer Sicht folgende Punkte berücksichtigt werden:
- An der Finanzierung des ORF sollten grundsätzlich alle unabhängig von ihren Nutzungskanälen beteiligt sein, wobei auf einkommensschwache Menschen bzw. berücksichtigungswürdige Situationen durch Ausnahmen oder Beitragsreduktionen Bedacht zu nehmen ist.
- Wie in anderen Ländern soll die Verbreiterung der Finanzierungsbasis mit einer Senkung des Entgelts für die einzelne Nutzerin bzw. den einzelnen Nutzer verbunden sein.
- Das Modell muss eine nachhaltige Finanzierung der Aufgaben des ORF sicherstellen.
- Das neue Finanzierungsmodell soll den ORF nicht in direkte politische oder wirtschaftliche Abhängigkeit bringen, sondern die Unabhängigkeit des ORF – als Grundlage für objektive Berichterstattung – stärken.
- Die Festlegung des Programmentgelts soll weiterhin auf Antrag der Geschäftsführung in den Gremien des ORF erfolgen.
- Das Programmentgelt soll im Sinne der Transparenz von anderen Gebühren und Abgaben entkoppelt werden.
- Das Modell muss so rechtzeitig beschlossen werden, dass dem ORF
eine fristgerechte Umsetzung bis 1.1.2024 möglich ist.
Um jene, die künftig unter Umständen erstmals auch als Beitragszahlerinnen und Beitragszahler herangezogen werden, vom sinnvollen Einsatz ihrer Beiträge zu überzeugen, braucht der ORF zudem mehr Möglichkeiten, attraktives Programm auch für Zielgruppen anzubieten, die er bisher zu wenig erreicht hat (etwa Jugendliche, migrantische Haushalte u. v. m). Mit der Verbreiterung der Finanzierungsbasis stellt sich für den ORF mehr denn je die Herausforderung, „Rundfunk für alle“ zu sein.
Angebot für das Publikum durch Digitalisierung erweitern
Die Neuordnung der Finanzierung muss aus unserer Sicht mit der ebenfalls seit Jahren in Diskussion stehenden „Digitalnovelle“ verbunden werden. Damit soll der ORF die notwendigen Möglichkeiten zur Versorgung seines Publikums in der digitalen Welt erhalten. Die damit verbundenen Möglichkeiten, öffentlich-rechtliche Inhalte effizient und zielgruppenorientiert zu produzieren und zu vertreiben, würden das Angebot für das Publikum erweitern und müssen daher im Interesse des Publikums offensiv genutzt werden.
Der Publikumsrat tritt seit Jahren dafür ein, dass der gesetzliche „Versorgungsauftrag“ des ORF im Onlinebereich zeitgemäß weiterentwickelt wird. Unzeitgemäße Beschränkungen des Onlineangebotes widersprechen den Publikumsinteressen und sind aufzuheben. Der ORF muss etwa die Inhalte der TVthek seinen Nutzerinnen und Nutzern länger bereitstellen können (unlimitiert oder bis zu einem Jahr durch Aufgabe der Sieben-Tages-Befristung). Außerdem ist seine Gestaltungsfreiheit in Bezug auf das Onlineangebot sicherzustellen („online first“ und „online only“ statt der Einschränkung auf sendungsbegleitende Inhalte).
Mit Blick auf die Digitalisierung und Onlineplattformen, die Hauptkonkurrenten des linearen Fernsehens sind, kann der ORF seinen Kernauftrag, sein Publikum mit öffentlich-rechtlichem Programmangebot zu versorgen, auch nur dann umfassend erfüllen, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen an die digitale Medienwelt angepasst werden.
Der „Preis“ einer nachhaltigen Finanzierung und einer Digitalreform für den ORF darf aber keinesfalls darin bestehen, dass seine Gestaltungsmöglichkeiten an anderer Stelle beschnitten werden, ohne dass daraus ein erkennbarer Vorteil für den Medienstandort Österreich erwächst. Manche der bisherigen Vorschläge zu gesetzlichen Beschränkungen für den ORF lassen befürchten, dass in erster Linie die großen Onlineplattformen (GAFAs) profitieren würden und letztlich eine Schwächung der österreichischen Medienlandschaft die Folge wäre.
Sorgsames Wirtschaften fürs Programm
Der Publikumsrat bekennt sich zum Grundsatz sparsamen Wirtschaftens bei der Programmgestaltung, Technik und Verwaltung des ORF im Sinn eines bestmöglichen Preis-Leistungs-Verhältnisses für das Publikum. Die Inflationsentwicklung, strukturelle Mehrkosten und die Transformation in die digitale Welt machen es für den ORF unabhängig von der aktuellen Finanzierungsentscheidung notwendig, bestehende Angebote und Strukturen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls Umschichtungen vorzunehmen.
Sorgsames Wirtschaften und effizienter Einsatz von Ressourcen müssen dem Grundsatz „Sparen fürs Programm“ und nicht „Sparen am Programm“ folgen und den gesetzlichen Auftragsprioritäten entsprechen. Sollte der lineare Sender SPORT + aus wirtschaftlichen Gründen nicht aufrechtzuerhalten sein, muss dessen aktuelles inhaltliches Angebot jedenfalls auf anderen Ausspielkanälen (ORF 1, Online) bereitgestellt werden. Programmliche Leistungen des RSO sollen für das Publikum gesichert sein. Der ORF soll nach Maßgabe seiner Möglichkeiten Beiträge zur kulturpolitisch gebotenen Fortführung des RSO leisten.
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