Sozialausschuss: Debatte über höheres Arbeitslosengeld und Ausweitung der Pflegekarenz | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Sozialausschuss: Debatte über höheres Arbeitslosengeld und Ausweitung der Pflegekarenz

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Oppositionelle Forderungen wie etwa nach einer Ausweitung der Pflegekarenz, einem Rechtsanspruch auf Rehabilitationsfreistellung oder einer besseren Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen dominierten die weitere Debatte im heutigen Sozialausschuss. Angesichts der aktuellen Teuerung setzte sich die SPÖ auch erneut für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes ein. Bundesminister Martin Kocher bat um etwas Geduld, da die Verhandlungen über eine Reform des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe noch laufen würden. Von vornherein ausgeschlossen habe man aber eine zeitliche Befristung der Leistungen, stellte er in Richtung der Freiheitlichen fest. Nähere Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass die bereits beschlossenen direkten Hilfen wirken und die Teuerung bei den unteren Einkommensschichten im Durchschnitt ausgleichen würden.

Auf der Agenda standen weiters freiheitliche Initiativen, die unter anderem die Einbeziehung von Häftlingen in die gesetzliche Krankenversicherung und einen Ausbau der psychologischen Versorgung als Kassenleistung zum Inhalt hatten. Die NEOS wiederum traten im Rahmen eines Entschließungsantrags in Bezug auf die Ausgestaltung der Schulstartpakete dafür ein, dass statt der Verteilung von Gutscheinen, die im Einzelhandel eingelöst werden können, wieder auf Sachleistungen umgestellt werde.

Die Tatsache, dass alle Anträge mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt wurden, sorgte für besonderen Unmut bei SPÖ-Abgeordnetem Alois Stöger, der der Regierung Untätigkeit vorwarf.

SPÖ für Anhebung des Arbeitslosengeldes vor allem in Zeiten hoher Inflation

Angesichts der aktuellen Teuerung erneuern die Sozialdemokrat:innen die Forderung nach einem Unterstützungspaket für Arbeitslose, das unter anderem die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% des letzten Einkommens enthält (2846/A(E)). Der Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes müsse zudem näher an jenen Zeitpunkt rücken, zu dem die Leistung tatsächlich beansprucht werde, da derzeit letzte Gehaltserhöhungen vor der Beschäftigungslosigkeit nicht berücksichtigt würden. Notwendig sei auch eine jährliche Valorisierung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sowie eine Verdreifachung des Familienzuschlags, der seit Einführung des Euro nicht mehr erhöht worden sei, hielt SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger kritisch fest. Alois Muchitsch (SPÖ) erinnerte nochmals daran, dass es sich beim Arbeitslosengeld um eine Versicherungsleistung handle, die durchschnittlich knapp 30 € pro Tag betrage. Der Familienzuschlag liege sogar unter einem Euro pro Tag. Während die Sozialleistungen valorisiert wurden, gebe es in diesem Bereich noch immer keine Fortschritte.

Bettina Zopf (ÖVP) verwies zunächst auf die guten Zahlen am Arbeitsmarkt. Die Verhandlungen zur Reform seien am Laufen, man müsse nun die Ergebnisse abwarten.

Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) lehnte den Vorschlag der SPÖ ab und bezeichnete ihn als zu großzügig und zu unausgewogen. Außerdem sollte man bedenken, dass Österreich das einzige Land in der EU sei, wo Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht zeitlich begrenzt seien.

Eine andere Position vertrat Dagmar Belakowitsch (FPÖ), die Verschlechterungen und eine Reduktion der Leistungen befürchtete. Ihrer Einschätzung nach werde die Arbeitslosenrate bald wieder massiv ansteigen, zumal die Politik der Regierung dazu führe, dass die "Wirtschaft an die Wand gefahren" werde. Die Bemessung des Arbeitslosengeldes sei auch eine Frage der Menschenwürde, zumal die ärmeren Menschen in Zeiten einer Inflationsrate von 11% besonders betroffen seien.

Bundesminister Martin Kocher betonte erneut, dass eine Laufzeitbeschränkung nie zur Diskussion gestanden sei. Im Sinne einer redlichen Debatte sollte man auch nicht vergessen, dass es sehr unterschiedliche Gruppen gebe und nicht alle Bezieher:innen von Arbeitslosengeld von Armut betroffen seien. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass eine Reform der Arbeitslosenversicherung die Teuerung nicht vollständig ausgleichen könne, dafür gebe es andere Instrumente.

SPÖ für Ausweitung der Pflegekarenz, Rehabilitationsfreistellung für Eltern und früheres Inkrafttreten des Pflegestipendiums

Die SPÖ sprach sich zudem für Änderungen im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz in Bezug auf die Möglichkeit für Pflegekarenz, Pflegeteilzeit bzw. Sterbebegleitung aus. Zeitgemäß wäre laut SPÖ-Abgeordneter Petra Wimmer eine Regelung, die auch die Betreuung von Eltern eines eingetragenen Partners bzw. einer eingetragenen Partnerin sowie von Eltern eines Lebensgefährten bzw. einer Lebensgefährtin sowie von leiblichen Kindern eines eingetragenen Partners bzw. einer eingetragenen Partnerin ermöglicht (2735/A). Der Gesetzgeber müsse sich den modernen Familienkonstellationen anpassen und sollte die bestehenden Ungerechtigkeiten bzw. Diskriminierungen beseitigen. Bedrana Ribo (Grüne) schloss sich dem Anliegen inhaltlich an und zeigte sich an einer Lösung interessiert.

Außerdem wollen die Sozialdemokrat:innen im Gesetz einen Rechtsanspruch auf Rehabilitationsfreistellung für Eltern inklusive einem erhöhten Kündigungs- und Entlassungsschutz einführen (2127/A). Damit Eltern stationäre Reha-Maßnahmen für Kinder und Jugendliche leichter in Anspruch nehmen können, sollen Arbeitnehmer:innen, deren erkranktem Kind ein Reha-Aufenthalt bewilligt wird, eine Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts von bis zu vier Wochen erhalten. Für "familienorientierte Reha" des Kindes solle es für jeden Elternteil einen eigenen Anspruch auf Freistellung von maximal vier Wochen geben. Während Norbert Sieber (ÖVP) von überschießenden Forderungen sprach und einen Vertagungsantrag stellte, drängte Alois Stöger (SPÖ) auf eine rasche und vernünftige Lösung. Es hätte schon genug Gespräche auf Sozialpartnerebene gegeben, eine Vertagung könne er daher nicht nachvollziehen. Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP) meinte wiederum, sie kenne keinen Arbeitgeber, der für solche Situationen kein Verständnis habe.

Erneut behandelt wurde der bereits dreimal vertagte Antrag der SPÖ auf frühere Einführung des Pflegestipendiums in der Höhe von monatlich 1.400 €. Diesen Betrag sollen  Personen erhalten, die sich via AMS zu einer Pflegefachkraft umschulen lassen (2505/A(E)). ÖVP-Mandatarin Elisabeth Scheucher-Pichler machte darauf aufmerksam, dass das Stipendium bereits im nächsten Jahr umgesetzt werde. Außerdem sei die Pflegereform voll in Gang, es würden sukzessive wichtige Fortschritte erzielt.

Alle drei Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

FPÖ für psychologische Versorgung als Kassenleistung, FPÖ für Einbeziehung von Häftlingen in die gesetzliche Krankenversicherung

Die Freiheitlichen unterstützen die Forderungen der Petition "Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich" und treten für eine deutliche Ausweitung des Angebots in Form von Kassenleistungen ein (1839/A(E)). Dies soll auch im Sozialversicherungsrecht festgeschrieben werden. Auch die NEOS und die SPÖ erachten "echte Reformen" in diesem Bereich für notwendig. Fiona Fiedler (NEOS) gab etwa zu bedenken, dass bereits 40% der Frühpensionen mit psychischen Erkrankungen in Zusammenhang stehen.

Ein weiteres Anliegen der FPÖ zielt auf die Einbeziehung der Insass:innen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung ab (222/A(E)). Der Bund trage derzeit die Kosten für ärztliche Betreuung und medizinische Behandlungen direkt, wobei Ärzt:innen und Krankenanstalten dem Justizministerium den teuren Tarif für unversicherte Privatpatient:innen verrechnen würden. Auch der Rechnungshof sehe das kritisch, argumentierte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch, die für eine Abschaffung des bestehenden "Privilegs" eintrat. Auch Fiona Fiedler (NEOS) ortete ein Einsparungspotential und sah keine Notwendigkeit dafür, dass Häftlinge in teuren Privatspitälern behandelt werden müssen. Die Debatte über diese kleine Gruppe von Versicherten zeige, dass es einen grundsätzlichen Risikostrukturausgleich zwischen den Trägern brauche, argumentierte Gerald Loacker (NEOS). Dies wurde auch von mehreren Studien bestätigt.

Nach Ansicht des Abgeordneten Alois Stöger habe der Staat für die Gesundheitsversorgung der Insassen Sorge zu tragen. Der Vorschlag der FPÖ sei abzulehnen, da er eine Umverteilung zu Lasten der Kasse der Arbeitnehmer:innen mit sich bringen würde. 

Außerdem ist der FPÖ das System des "fiktiven Ausgedinges" für Altbauern bzw. Altbäuerinnen, die den Hof an die nächste Generation übergeben oder diesen verpachtet haben, seit längerem ein Dorn im Auge. Die nicht mehr zeitgemäße Regelung sei  ersatzlos aus dem Sozialversicherungsrecht zu streichen (781/A(E)). ÖVP-Vertreter Norbert Sieber war gegen eine gänzliche Streichung der Bestimmung, zumal sie weiterhin  praktische Bedeutung habe.

Alle drei FPÖ-Entschließungen wurden vertagt.

NEOS wollen Neugestaltung der Schulstartpakete und sprachliche Anpassungen in den Sozialgesetzen

Die NEOS kritisieren die neuen Schulstartpakete des Sozialministeriums für einkommensschwache Familien. Sie fordern, das System bis zum Schuljahr 2023 von Gutscheinen zur Einlösung im Einzelhandel wieder auf den Bezug von Sachleistungen umzustellen (2691/A(E)). Die Antragsteller:innen weisen darauf hin, dass das Ministerium als Einkäufer für Schulstartpakete weitaus bessere Preise aushandeln könne, als im Einzelhandel verlangt würden. Zudem werde bezweifelt, dass eine Ausgabe von Gutscheinen für privatwirtschaftliche Unternehmen EU-rechtskonform sei.

Bundesminister Johannes Rauch war überzeugt davon, dass die Maßnahme bei den Betroffenen und vor allem den Kindern ankomme, da 90% der Gutscheine in Anspruch genommen wurden.

Die NEOS erachten zudem eine sprachliche Überarbeitung von Gesetzen im Zuständigkeitsbereich des Sozial- und Gesundheitsministers für nötig, um unangemessene Begriffe wie etwa "Findling", "Irre" oder "Kretins" durch zeitgemäße Begriffe zu ersetzen. (2848/A(E)). Damit stießen sie auf großes Verständnis auch bei den anderen Fraktionen. Als Beispiel führte NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler das Reichssanitätsgesetz aus dem Jahr 1870 an, das ihrer Meinung nach auf jeden Fall überarbeitet werden müsse. Heike Grebien (Grüne) sprach von einem wichtigen Anliegen, dass jedoch nicht sofort umgesetzt werden könne. Falls ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen zustande komme, würde er sich sehr freuen, merkte Bundesminister Johannes Rauch an.

Beide Initiativen wurden vertagt. (Fortsetzung Sozialausschuss) sue


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