Russland-Sanktionen: Österreich hat bisher rund 200 Konten eingefroren | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Russland-Sanktionen: Österreich hat bisher rund 200 Konten eingefroren

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Die angespannte Personalsituation bei der Exekutive, die steigende Zahl von Asylanträgen, die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und das Thema Cyberkriminalität standen im Mittelpunkt einer aktuellen Aussprache mit Innenminister Gerhard Karner im Innenausschuss des Nationalrats. Laut Karner fehlt vor allem in Wien und im Westen Österreichs ausreichend Polizeinachwuchs. Noch ist überdies unklar, inwieweit die aktuelle Recruiting-Kampagne wirkt. Karner berichtete zudem, dass die Zahl der Asylschnellverfahren zuletzt stark gestiegen ist: Bis Ende August dieses Jahres habe es 11.500 negative Entscheidungen in derartigen Schnellverfahren für Personen aus sicheren Herkunftsländern gegeben. In der Grundversorgung befinden sich derzeit rund 90.000 Personen, davon 56.000 Ukrainer:innen.

Wegen Nichteinhaltung der Russland-Sanktionen wurden laut Staatsschutz-Direktor Omar Haijawi-Pirchner bisher drei Personen und sieben Unternehmen sanktioniert. Allerdings sei es oft schwierig, den wahren Sachverhalt zu eruieren, da Eigentumsverhältnisse oft verschleiert würden. Auf Österreich entfallen ihm zufolge außerdem 13% der bisher in der EU eingefrorenen Gelder russischer Herkunft. Dabei handle es sich mittlerweile um einen Betrag in Milliardenhöhe, wobei in Österreich nicht nur beinahe 200 Konten, sondern auch Immobilien und hochwertige Sachgüter wie Kfz betroffen seien. Was einen Bericht in der New York Times über Geldflüsse aus Russland an Parteien und Politiker in Europa betrifft, ist laut Haijawi-Pirchner Österreich vom genannten Dokument nicht betroffen.

Im Ausschuss zur Diskussion stand darüber hinaus ein Bericht des Innenministers über die Zusammenarbeit zwischen den österreichischen Sicherheitsbehörden und jenen der Vereinigten Staaten beim Austausch von Fingerabdruckdaten. Wie aus dem Bericht hervorgeht, hat sich der seit 2017 bestehende automatisierte Zugang zu den "daktyloskopischen" Dateien des jeweils anderen Staates bei der Bekämpfung schwerer Straftaten als "ausgesprochen erfolgreich" erwiesen: Dadurch hätten zahlreiche Täter, die unter Verwendung falscher Identitätsdaten in Österreich Verbrechen verübt haben, oder per internationalem Haftbefehl gesucht wurden, identifiziert werden können, heißt es im Bericht. Insbesondere im Bereich des organisierten Suchtgifthandels konnten demnach Ermittlungserfolge erzielt werden. Aber auch Personen, gegen die wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation ermittelt wurde, seien von den Behörden infolge des Datenaustauschs identifiziert worden. Beschwerden über die missbräuchliche Verwendung von Daten im Zusammenhang mit dem PCSC-Abkommen gab es laut Innenminister Karner im vom Bericht umfassten Zeitraum Mai 2021 bis April 2022 nicht.

Abgeordnete verweisen auf angespannte Personalsituation in der Exekutive

Die aktuelle Personalsituation in der Exekutive wurde unter anderem von den Abgeordneten Corinna Scharzenberger (ÖVP), Dietmar Keck (SPÖ) und Georg Bürstmayr (Grüne) angesprochen. Es gebe Polizeidienststellen mit einer Sollzahl von 26 Beamt:innen, die nur mit 12 Personen besetzt seien, sagte Keck. Die daraus entstehende Überlastung schlage sich mittlerweile in der Psyche der Polizist:innen nieder. Sein Fraktionskollege Maximilian Köllner wies vor allem auf die Situation im burgenländisch-ungarischen Grenzgebiet hin. Die dortigen Polizist:innen seien durch den kontinuierlichen Anstieg illegaler Grenzübertritte am Limit, konstatierte er.

Nurten Yilmaz (SPÖ) wollte vom Innenminister darüber hinaus wissen, in welcher Form das Ressort Vorwürfen in Bezug auf die Beteiligung österreichischer Polizisten an illegalen Pushbacks von Flüchtlingen im serbisch-ungarischen Grenzgebiet nachgehe. Ihr zufolge gibt es dazu auch Beweismaterial über die Aussage von Asylwerber:innen hinaus. Zudem sprach sie eklatante Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Erfüllung der Unterbringunsquote von Flüchtlingen an.

Kritik an einem geplanten neuen Asylquartier in Kindberg übte FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer. Das Gebäude sei riesengroß und baufällig und nicht für diesen Zweck geeignet, meinte er. Zudem warf er dem Innenminister vor, über die Gemeinde "drübergefahren" zu sein.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper sprach unter anderem Geldflüsse aus Russland an mehrere politische Parteien und Politiker:innen in Europa an, über die die New York Times berichtet hat. Zudem hinterfragten sie und Grünen-Abgeordneter David Stögmüller Auftragsvergaben des Innenministeriums im sicherheitssensiblen IT-Bereich. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) urgierte unter anderem eine Unterstützung der Ukraine bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen.

Polizeinachwuchs fehlt vor allem in Wien und in Westösterreich

Innenminister Gerhard Karner hielt zur Personalsituation bei der Exekutive fest, vor allem in Wien, Tirol und Vorarlberg würde mehr Polizeinachwuchs benötigt. Zum einen gebe es zu wenig Bewerber:innen für die Aufnahme an die Polizeischule, zum anderen würden viele den Aufnahmetest körperlich bzw. sprachlich nicht schaffen. Deshalb habe man gemeinsam mit Wien eine Recruiting-Kampagne gestartet, die auch auf den Westen ausgerollt werden soll. Karner appellierte aber auch an die Abgeordneten, für den "interessanten und abwechslungsreichen Beruf" zu werben. Auch Quereinsteiger:innen seien willkommen.

Ob die Kampagne erfolgreich sein wird, wird sich laut einem Vertreter des Innenministeriums allerdings erst im ersten Quartal nächsten Jahres zeigen. Das Recruiting sei momentan sehr schwierig, weil viele andere Dienststellen und Unternehmen "im gleichen Bereich fischen". Derzeit sind ihm zufolge österreichweit 3.064 Polizeischüler:innen in Grundausbildung, 822 sind für Wien aufgenommen. Allein heuer würden aber 395 Polizist:innen in Wien in den Ruhestand treten.

Fortschritte zu verzeichnen sind nach Auskunft des Innenministeriums bei der Rekrutierung von IT-Fachkräften zur gezielten Bekämpfung von Cyberkriminalität. Hier seien nach einer Einigung mit dem Beamtenministerium über spezielle Sonderverträge 17 Interessentensuchen im Laufen, erklärte ein Vertreter. Innenminister Karner sprach in diesem Zusammenhang von einer "Cyber-Cobra", wobei er insbesondere vier Hauptbereiche bei der Internet-Kriminalität ausmacht. An der Spitze steht demnach nach wie vor klassischer Internet-Betrug mit einer Steigerung von 30% bei den Delikten im Vorjahr. Dazu kämen die Komplexe "Fake News" inklusive "Deep Fake", Hass im Netz sowie Hackerattacken.

Von der seit Juli geltenden neuen Geschäftseinteilung im Innenministerium sind laut Informationen aus dem Ressort 1.900 Arbeitsplätze betroffen. Fünf Gruppenleiter und 21 Abteilungsleiter seien neu besetzt worden. Abgeschlossen werden soll die Reform demnach bis Jahresende.

Asyl: Karner sieht Anti-Marketingkampagne als ein Rädchen von vielen

Um Personen aus Ländern wie Indien oder Tunesien von einer Flucht nach Österreich bzw. Europa abzuhalten, setzt Karner unter anderem auf Anti-Marketingkampagnen vor Ort. Man müsse den falschen Behauptungen von Schleppern etwas entgegensetzen und den Flüchtlingen klar machen, dass sie keine Chance auf Asyl haben, sondern ihnen auf der Flucht vielmehr der Tod drohe, bekräftigte er. Allerdings könnten solche Kampagnen nur ein Rädchen von vielen notwendigen Maßnahmen sein, räumte er ein.

Zur Frage nach der Verteilung der Asylwerber:innen in Österreich meinte Karner, er halte nichts von kleinlichen Prozentrechnungen. Sämtliche Bundesländer würden sich "sehr bemühen", Quartiere zu schaffen, damit alle Asylwerber:innen ein Dach über den Kopf hätten. Derzeit befinden sich ihm zufolge 90.000 Flüchtlinge und Vertriebene in der Grundversorgung, davon 56.000 Ukrainer:innen. Mit genauen Zahlen half NEOS-Abgeordnete Krisper aus: Demnach liegt Wien mit einer Unterbringungsquote von mehr als 177% an der Spitze der Bundesländer, während Kärnten seine Quote als Schlusslicht nur zu 62% erfüllt.

Ausdrückliches Lob äußerte Karner auch für die burgenländische Polizei, die, wie er sagte, gemeinsam mit dem Bundesheer an der Grenze "hervorragende Arbeit" leiste. Wie hoch die Belastung ist, ergibt sich ihm zufolge aus den Zahlen: Demnach sind heuer 40.000 Asylanträge in nur zwei Bezirken gestellt worden. Auch jene rund 50 österreichischen Polizist:innen, die an der ungarisch-serbischen Grenze im Einsatz sind, würden "einen exzellenten und schwierigen Dienst" leisten. Sollte es Anhaltspunkte für die Beteiligung an illegalen Pushbacks geben, sollten entsprechende Hinweise und Belege den österreichischen Behörden übergeben werden, forderte er Abgeordnete Yilmaz auf.

Zur besseren Abstimmung zwischen Serbien, Österreich und Ungarn in Flüchtlingsfragen soll es laut Karner diese Woche noch ein weiteres Treffen in Serbien geben. Deutlich zugenommen haben ihm zufolge beschleunigte Asylverfahren.

Zum neuen Asylquartier in Kindberg merkte Karner an, es sei ihm bewusst, dass die Schaffung neuer Einrichtungen ein sensibles Unterfangen sei. Die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen BBU versuche aber, in enger Abstimmung mit den Gemeinden vorzugehen. Laut einer Vertreterin des Innenministeriums ist die Eröffnung des Quartiers für Anfang 2023 geplant, wobei dort vorrangig Personen mit besonderem medizinischen Betreuungsbedarf untergebracht werden sollen. Man rechne mit maximal 250 Personen.

Von SPÖ-Abgeordneter Yilmaz auf den Umgang Österreichs mit russischen Flüchtlingen angesprochen, hielt Karner fest, eine pauschale Regelung wie für Ukrainer:innen sei nicht angedacht. Vielmehr halte er das bestehende System der Einzelfallprüfung für "sehr sinnvoll".

OMV: Kein Hinweis auf Sabotageakt

Detaillierter auf verschiedene Fragen zum Russland-Komplex ging der Direktor des Staatschutzes DSN Omar Haijawi-Pirchner ein. So informierte er die Abgeordneten etwa darüber, dass Österreich im Dokument zu Geldflüssen aus Russland an europäische Parteien und Politiker:innen, über das die New York Times berichtet hat, nicht genannt werde.

Haijawi-Pirchner bekräftigte zudem frühere Aussagen, wonach in Bezug auf den OMV-Raffinerieunfall in Schwechat keinerlei Hinweise auf eine Vorsatztat vorliegen. Es gebe in diesem Zusammenhang daher auch keine laufenden Ermittlungen. Man sei in Bezug auf mögliche Sabotageakte auf die heimische Energieinfrastruktur aber sensibilisiert, die Risikoeinstufung sei auf "hoch" gesetzt. So werde die Verteiler- und Verdichterstation Baumgarten derzeit ständig überwacht. Bei anderen Objekten seien die Streifendienste erhöht worden.

Zur Überwachung der Einhaltung der Russland-Sanktionen ist laut Haijawi-Pirchner eine Task Force im Innenministerium eingerichtet worden. Bisher wurden ihm zufolge drei Personen und sieben Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen die von der EU beschlossenen Vorgaben sanktioniert. Auf Österreich entfallen ihm zufolge außerdem 13% der insgesamt in der EU eingefrorenen Gelder russischer Herkunft. Der Betrag habe mittlerweile eine Milliardenhöhe erreicht. So seien allein in Österreich beinahe 200 Konten eingefroren, dazu kämen Immobilien und hochwertige Sachgüter wie Kraftfahrzeuge.

Um die Ukraine bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen zu unterstützen, waren laut Innenminister Karner zuletzt 10 Experten aus der Ukraine im Bundekriminalamt in Schulung. Keine Auskunft bekam FPÖ-Abgeordnete Amesbauer auf die Frage nach der Entwicklung der Gesamtkriminalität im 1. Halbjahr 2022: Laut Karner gibt es keine Halbjahres- und Monatsstatistiken mehr.

Was das PCSC-Abkommen betrifft, präzisierte BKA-Direktor Andreas Holzer im Ausschuss, dass Österreich seit der technischen Einrichtung im Jahr 2017 rund 27.000 Datenabgleiche zu Fingerabdrücken durchgeführt habe. Dabei seien 277 Treffer erzielt worden. Im gleichen Zeitraum habe die USA 1.180 Abfragen getätigt. Der von Innenminister Karner vorgelegte Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Innenausschuss) gs


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