Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 11. August 2022. Von MICHAEL SPRENGER. "Wenn der Kompass des Anstands fehlt". | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 11. August 2022. Von MICHAEL SPRENGER. „Wenn der Kompass des Anstands fehlt“.

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Innsbruck (OTS) – Der Rechnungshof durchleuchtete die Corona-Hilfsagentur Cofag. Die Prüfer listeten ein enormes Sündenregister der „Koste es, was es wolle“-Politik auf. Und wieder einmal zeigte sich, wie schamlos Krisen ausgenützt werden können.

Am Anfang der Pandemie und des zu Recht breit aufgespannten Rettungsschirms für heimische Unternehmen stand ein Spruch des auf politisches Marketing spezialisierten ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz:
„Koste es, was es wolle.“ Kurz hat die politische Bühne längst verlassen, die Prüfer des Rechnungshofs haben sich nun mit den Maßnahmen, die hinter diesem Spruch stehen, auseinandergesetzt – also mit der Corona-Hilfsagentur Cofag.
Was sie in ihrem Rohbericht auflisteten, steht im krassen Gegensatz zu dem Macher-Image. Denn ein solches wurde dem Kabinett Kurz II am Beginn der Pandemie zugeschrieben.
Der Rohbericht gleicht einem Sündenregister. Ja, es stimmt. Die Regierung fuhr das Land herunter. Da war staatliche Hilfe in Milliardenhöhe notwendig, um die Unternehmen zu retten – und Arbeitsplätze zu sichern. Das ist nicht das Thema. Es geht vielmehr darum, wie schlampig die Regierung ihre Hilfsmaßnahmen aufgesetzt hat – und wer davon letzten Endes profitierte.
Die Antworten, die hierzu der Rechnungshof liefert, sind einmal mehr beschämend. Dass Betriebe Corona-Wirtschaftshilfe bezogen haben, war ihr gutes Recht. Aber was von Anfang an fehlte, war ein Kompass des Anstands. Denn wie sich bereits gezeigt hat, kam es zum Teil zu massiven Überförderungen von Betrieben. Doch im Gegensatz etwa zur Schweiz wurde hierzulande verabsäumt, eine Rückforderungsklausel einzubauen.
Wie sich nunmehr zeigt, gab es schon bei der Konstruktion der alles andere als transparenten Hilfsagentur Fehlleistungen, die landläufig auf Freunderlwirtschaft hinauslaufen sollten. Großzügig wurden Wirtschaftsprüfer und Anwälte mit Beraterhonoraren belohnt. Zudem wurde der ÖVP-nahe Bernhard Perner als Cofag-Geschäftsführer eingesetzt. Er war zu der Zeit bereits Geschäftsführer der Bankenabbaugesellschaft Abbag. Obwohl er laut Arbeitsvertrag mit der Abbag Dienste bei Töchtern wie eben der Cofag ohne zusätzliches Entgelt leisten müsste, wurde er zusätzlich von der Cofag großzügig entlohnt. Allein für den Cofag-Aufsichtsrat wurden im ersten Jahr 400.000 Euro bezahlt. Zahlen eh alles die Bürger.
Die Überförderungen wird man nicht zurückverlangen können, denn diese wurden durch den gesetzlichen Konstruktionsfehler rechtskonform gemacht. Aber wo Geld zurückverlangt werden kann, sollte es versucht werden. Was allemal notwendig ist, ist eine lückenlose Aufarbeitung des einst so gelobten Corona-Managements. Der Rohbericht ist ein Anfang. Diese „Koste es, was es wolle“–Politik hat ausgedient.

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