TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom 15. Juli 2022, von Carmen Baumgartner-Pötz „Atempause für die Aufgeregten“
Innsbruck, Wien (OTS) – Von einer „smoking gun“ kann im Korruptions-U-Ausschuss bisher noch keine Rede sein. Dafür offenbart sich das Sittenbild eines politischen Selbstbedienungsladens, in dem keiner so richtig verantwortlich sein will.
Ich war nicht direkt involviert“ – das ist, in mehreren Varianten, der Standardsatz, der von Margarete Schramböcks Befragung am Donnerstag im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss übrig bleibt. Man kennt das schon von anderen Befragten bzw. Befragungen: „Dazu habe ich keine Wahrnehmung“ – „das ist mir nicht erinnerlich“: Wenn es darum geht, sich an etwas zu erinnern, für das man einmal (politisch) verantwortlich war, dann haben Gedächtnislücken Hauptsaison.
Bis September macht der U-Ausschuss jetzt Sommerpause, 27 Sitzungen gab es bisher. Vor allem die ÖVP wird für die Auszeit dankbar sein, denn wahnsinnig ruhmreich für sie ist es nicht, was dort seit Beginn ans Tageslicht gekommen ist. Da kann Fraktionsführer Andreas Hanger noch so oft versuchen, den Ausschuss als politisches Tribunal und Steuergeldverschwendung zu brandmarken. Ja, manche Abgeordneten verwechseln den Sitzungssaal gerne mit einer Showbühne, legen die Befragungen höchst angriffig an und verbeißen sich in kleinste Details, die für den Durchschnittsbürger nicht mehr nachvollziehbar sind. Eine nüchterne Aufarbeitung von Sachfragen, wie man sie aus vergleichbaren Untersuchungsausschüssen in Deutschland kennt, liegt eher nicht im Naturell österreichischer Parlamentarier. Sei’s drum: Gäbe es das Kontrollinstrument des Parlaments nicht, man müsste es erfinden bzw. es sich in einer aufgeklärten modernen Demokratie schlichtweg leisten wollen. Denn es kommen Dinge auf den Tisch, die man sonst vermutlich nie erfahren würde. Etwa, dass eine Pressekonferenz zur Präsentation der App „Digitales Amt“ 28.000 Euro kosten kann. Die wurde nicht in einer coolen Eventlocation abgehalten, sondern schnöde im Bundeskanzleramt, aber dafür waren externe Berater im Spiel. Dass man sich mit dem Geld-Ausgeben an vielen Stellen leichttat, zeigt außerdem das Beispiel des „Leitbildprozesses“, durchgeführt von der Meinungsforscherin und Ex-ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin – gute 125.000 Euro wurden dafür ausgegeben. Warum ihre Beliebtheitswerte während ihrer Amtszeit ganze 19 Mal abgefragt wurden, das konnte sich Schramböck übrigens auch nicht erklären. Was Verantwortung für Studien, Umfragen und Inserate in den türkisen Ministerien betrifft, zeigt der U-Ausschuss ein ernüchterndes Sittenbild: Die wird nämlich gerne hin- und hergeschoben, so manches dürfte einfach ein Selbstläufer gewesen sein, nach dem Motto: Machen wir halt einmal, dann sehen wir schon. Ein bisschen wenig Anspruch für die hohe Politik.
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