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Nationalrat: EU-Zukunftskonferenz muss Resultate bringen

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Wien (PK) – Auf Initiative des EU-Unterausschusses wurden heute die Ergebnisse der 2021 gestarteten „Konferenz zur Zukunft Europas“ bei der Plenarsitzung des Nationalrats diskutiert. Im Rahmen dieser Zukunftskonferenz, die formal bis 9. Mai 2022 dauerte, suchten Unionsbürger:innen gemeinsam mit den EU-Institutionen und den nationalen Parlamenten Lösungen für die internen und externen Herausforderungen der EU. „Das ist gelebte Demokratie“, verdeutlichte EU-Ministerin Karoline Edtstadler. Trotz pandemiebedingter Einschränkungen und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine seien Themen wie die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie, der Klimawandel, die Digitalisierung oder Fragen der Rechtsstaatlichkeit sowie der künftigen Ausgestaltung der EU intensiv debattiert worden. Der Bericht des EU-Ausschusses zur EU-Zukunftskonferenz wurde vom Nationalrat einstimmig angenommen.

Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler hob hervor, ein Fünftel der Bürger:innenempfehlungen der Zukunftskonferenz behandelten Klima und Umwelt. „Das ist ein ermutigendes Zeichen“. ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS teilten weitgehend die positive Sichtweise auf die Konferenz, die EU-Kommissionpräsidentin Ursula Von der Leyen schon vor drei Jahren angekündigt hatte. Die Politik sei den Bürger:innen nun verpflichtet, die Empfehlungen sinnvoll umzusetzen, so der Tenor. Besonders der Vorschlag, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Außenpolitik durch Abstimmungsmehrheiten zu ersetzen, fand bei genannten Fraktionen Zuspruch. In Hinblick auf die EU-Perspektive für die Westbalkanstaaten sei es wichtig, Hindernisse durch einzelstaatliche Blockaden auszuräumen. Die FPÖ wiederum befürchtete, falls der Forderungskatalog der EU-Zukunftskonferenz in tatsächliche Regelungen fließe, fördere dies den Zentralismus in der EU und entrechte die Nationalstaaten.

Edtstadler und Gewessler: Weiterentwicklung der EU ist Österreicher:innen ein Anliegen

„Österreich war von Anfang an ein Unterstützer dieser Zukunftskonferenz“, unterstrich Ministerin Edtstadler, schon ab Juni 2020 habe sie mit Stakerholder:innen, Bürger:innen und Jugendlichen in allen Bundesländern an Ideen zur Weiterentwicklung der EU gearbeitet. Auf der multilingualen Internet-Plattform zur Konferenz seien aus Österreich 121 Beiträge eingemeldet worden, zudem habe es fast jeden zweiten Tag Diskussionen über Konferenzinhalte gegeben.

Angesichts des aktuellen Kriegs auf europäischem Boden pocht Edtstadler noch mehr darauf, die EU müsse geeint für den Erhalt ihrer Werte wie Demokratie und Menschenrechte eintreten und dabei die eigenen geopolitischen Interessen voranstellen. Konkret nannte sie dazu einen funktionierenden Außengrenzschutz und die Westbalkan-Erweiterung. Weiters solle die EU ihre Wirtschaftsmacht nutzen, um Investitionen und damit Wohlstand zu fördern, trat die EU-Ministerin für die Vollendung des Binnenmarkts mit einem modernen Wettbewerbsrecht ein. Modernisierungen brauche es auch bei EU-Rechtsstaatlichkeitsfragen, sprach sich Edtstadler für den Konditionalitätsmechanismus bei entsprechenden Verfahren aus.

Aus dem Fundus an Bürger:innenempfehlungen der Zukunftskonferenz griff Energieministerin Gewessler neben jenen aus ihrem Zuständigkeitsbereich – beispielsweise Förderung von Biodiversität und alternativen Energieformen – auch die Bestrebungen nach Demokratiestärkung in der EU heraus. Die Bürger:innen hätten viele Änderungen bei entscheidenden Problemstellungen wie der Schadstoffeindämmung oder der Abfallbewirtschaftung eingefordert, resümierte Gewessler. Von der Politik werde nun erwartet, sich intensiv damit auseinanderzusetzen. Das stärke letztlich auch das Vertrauen in die Demokratie.

Umsetzung der Empfehlungen

Aufgrund der Pandemie verlief der Dialog zu den Fragen der Zukunftskonferenz vor allem in Online-Formaten, in denen europäische Bürger:innen ihre Ideen einbringen konnten. Das Ergebnis waren eine Vielzahl politischer Empfehlungen in den Bereichen Gesundheit, Demokratie, Migration, Wirtschaft und Beschäftigung, Sicherheit, Klimawandel, Bildung und Jugend, Werte und Rechtsstaatlichkeit sowie Digitalisierung und Kultur. Die Bürger:innenempfehlungen werden nun von den EU-Institutionen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.

Reinhold Lopatka (ÖVP), der als Obmann des EU-Unterausschusses die österreichische Parlamentarierdelegation bei der Konferenz zur Zukunft Europas leitete, brachte den gemeinsam mit Eva Maria Holzleitner (SPÖ), Michel Reimon (Grüne) und Nikolais Scherak (NEOS) verfassten Entschließungsantrag an die Regierung ein, den Bürger:innenempfehlungen rasch mit konkreten Reform- und Gesetzinitiativen nachzukommen. Außerdem solle die Regierung im Folgeprozess zu den Ergebnissen der Zukunftskonferenz am EU-Konvent darüber mitwirken. Der Antrag fand bei allen Fraktionen außer der FPÖ Unterstützung. „Die Zukunft der Europäischen Union ist unsere gemeinsame Zukunft“, sagte Lopatka. Am 24. Juni 2022 werde die Umsetzung der Konferenzergebnisse mit EU-ParlamentarierInnen und RegierungsvertreterInnen im Nationalratsplenum erneut diskutiert.

Sozialunion: Unterschiedliche Zugänge

Grundsätzlich legten ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS das einhellige Bekenntnis für eine geeinte und gestärkte EU ab. Während Lopatka (ÖVP) in einigen Bereichen wie der Sozial- und Familienpolitik allerdings die Abgabe nationaler Kompetenzen an die EU kritisch sah, befürworteten Holzleitner und ihr Parteikollege Jörg Leichtfried die Herausbildung einer Sozialunion mit Mindeststandards gegen Lohndumping. Immerhin habe die EU bereits erfolgreich gegen die österreichische Indexierung der Familienbeihilfe prozessiert, merkte Holzleitner an. „Man will, dass Europa sozialer und gerechter wird“, verwies Reimon (Grüne) auf die Bürger:innenanliegen im Sozialbereich, niemand wolle einen Wettbewerb um niedrigere Löhne. Daher sprach er sich ebenfalls für die Bildung einer Sozialunion in einem gestärkten Binnenmarkt aus.

Beteiligung der Jugend

Der Jugendbeteiligung an der Zukunftskonferenz hat das österreichische Parlament in der Demokratiewerkstatt eigenen Raum gegeben. Lopatka begrüßte dabei, alle Fraktionen hätten sich an den Diskussionen zu EU-Themen mit jungen Menschen beteiligt und Holzleitner meinte, die Workshops der Demokratiewerkstatt hätten „die richtige Stoßrichtung“ gehabt. Die Politik müsse nun weiter offen sein für Anstöße der Bürger:innen und deren Anregungen tatsächlich aufnehmen, appellierte die Sozialdemokratin: „Arbeiten wir gemeinsam daran“. Bei den in diesen Workshops debattierten großen Fragen der EU wie Migration, Bekämpfung des Klimawandels und Digitalisierung brauche man eine stärkere EU, betonte Lopatka. Einzelstaatliche Lösungen griffen dabei zu kurz. Jugendliche vom Westbalkan habe das österreichische ebenso wie das französische Parlament genauso in die Debatte über diese Themen miteinbezogen. Carina Reiter (ÖVP) würdigte die Jugendbeteiligung an der Konferenz auf verschiedenen Ebenen in Österreich, von der kleinen Gemeinde bis ins Parlament.

FPÖ gegen Ausweitung von EU-Kompetenzen

Laut Petra Steger (FPÖ) ist die Zukunftskonferenz in Österreich beinahe unbeachtet von der Bevölkerung vorübergegangen. „Die ganze Zukunftskonferenz war von Beginn an schon organisatorisch eine Farce“. Nur 0,01% der EU-Bevölkerung habe auf Online-Foren an den Debatten teilnehmen können, attestierte sie der Konferenz, lediglich „Show „gewesen zu sein. Letztlich sei es nur um eine Ausweitung der EU-Kompetenzen und einer Legitimierung einer zentralistischen EU gegangen, wogegen sich die FPÖ klar ausspreche. Immerhin beträfen die Forderungen innerstaatliche Politikfelder wie das Gesundheitssystem, propagiert werde darin dauerhaftes Schuldenmachen seitens der EU und die Zwangsverteilung von Flüchtlingen an die EU-Staaten. Die Zukunftskonferenz ziele auf eine „Entmündigung der Mitgliedstaaten“ ab, warnte Steger, die sich aus diesem Grund auch mit einem eigenen Entschließungsantrag gegen die Umsetzung des Forderungskatalogs aussprach. Der FPÖ-Antrag blieb jedoch in der Minderheit, auch wenn Axel Kassegger (FPÖ) kein gutes Haar an gemeinsamen EU-Initiativen wie den Sanktionen gegen Russland oder der Währungspolitik der Europäischen Zentralbank ließ.

Nikolaus Scherak (NEOS) räumte ein, die „große Vision“ der Konferenz sei ausgeblieben, sicher auch wegen der Corona-Pandemie. Dennoch wies er die Darstellung der FPÖ strikt zurück. Demokratie lebe von Partizipation, hielt der NEOS-Mandatar fest. Wenn freiheitliche Vertreter:innen und Wähler:innen sich nicht an den Gesprächen beteiligten, könnten die Ergebnisse nicht den FPÖ-Vorstellungen entsprechen, sprach er den Freiheitlichen das Interesse an einer konstruktiven Diskussion ab. Grundsätzlich habe die Konferenz gezeigt, dass die großen Herausforderungen Europas nicht einzelstaatlich gelöst werden können, fasste Scherak zusammen. Daher brauche es eine Beendigung des Einstimmigkeitsprinzips, von Sanktionen bis Maßnahmen gegen die Klimakrise. Ansonsten werde die EU von den aufstrebenden Ländern in der Welt überholt. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Helmut Brandsätter (NEOS) gingen in diesem Zusammenhang näher auf die russische Aggression in der Ukraine ein, wobei Ernst-Dziedzic festhielt: „Es wird keinen Frieden auf diesem Kontinent geben, wenn es keinen Frieden in der Ukraine gibt“. (Fortsetzung Nationalrat) rei

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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