TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Ein neues Ticket als erster Schritt", Ausgabe vom 1. Oktober2021 von Carmen Baumgartner-Pötz. | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Ein neues Ticket als erster Schritt“, Ausgabe vom 1. Oktober2021 von Carmen Baumgartner-Pötz.

0 358

Innsbruck (OTS) – Das Klimaticket ist der erste Achtungserfolg der Grünen in der Bundesregierung. Der nächste große Brocken wartet aber schon: die ökosoziale Steuerreform. Auch bei diesem Prestigeprojekt ist Hartnäckigkeit gefragt.

Wenn nach 15 Jahren Absichtserklärungen, Planungen und schlussendlich harten Verhandlungen ein konkretes Ergebnis herauskommt – das österreichweit gültige Klimaticket gibt es ab heute zu kaufen –, dann darf man sich als verantwortliche Ministerin aufrichtig freuen. Aber bei der neuen attraktiven Öffi-Flatrate geht es um viel mehr. Leonore Gewessler ist über Partei- und Bundeslandgrenzen hinweg ein Achtungserfolg gelungen, den die Grünen mittlerweile mehr als notwendig haben. Als Juniorpartner in die Regierung Kurz II eingetreten mit dem hehren Anspruch, das Land besser zu machen, mussten sie seit Jänner 2020 ordentlich Federn lassen. Überlagert von der alles bestimmenden Pandemie zeigten ihnen der selbstbewusste türkise Bundeskanzler und sein Team nicht nur beim Migrationsthema, wer der Chef ist. Was bleibt da für den kleinen Regierungspartner, in welchem Bereich kann er noch Glaubwürdigkeit zeigen und seine Wählerschaft bedienen?
Da ist einerseits die ökosoziale Steuerreform als grünes Prestigeprojekt, bei der die Partei erst liefern muss. Die Verhandlungen laufen noch, in die Karten will sich derzeit keiner schauen lassen. Beim grünen Kernthema Klimaschutz tritt nun zumindest am Nationalfeiertag – was für eine Symbolik! – das österreichweite Öffi-Ticket in Kraft. Für viele Pendler bringt dieses eine spürbare finanzielle Entlastung. Das Jubeln der Grüne­n vom Bregenzerwald bis zum Neusiedler See ist deshalb mehr als nachvollziehbar. Trotzdem lohnt es sich, beim Klimaticket genauer hinzuschauen.
Ab wie vielen verkauften Karten dieses als Erfolg gewertet kann, weil Menschen vom motorisierten Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, wollte die Ministerin gestern nicht beantworten. Natürlich ist jeder öffentlich gefahrene Kilometer gut für den Klimaschutz, wie Gewessler argumentiert. Doch man müsste auch messen wollen, ob der Umstieg tatsächlich gelingt. Dass sich für Pendler in der Ostregion und Viel-Fahrer aus Tirol oder Vorarlberg das Klimaticket rasch auszahlt, steht außer Zweifel. Doch nach wie vor gibt es viele Regionen, die mit Öffis unterirdisch schlecht erschlossen sind, wie das Südburgenland. Der Erfolg des Klimatickets wird also auch am Ausbau des Angebots zu messen sein. Und an weiteren Anreizen, sich klimafreundlich durch das Land zu bewegen. Ob sich die Grünen trauen, im Rahmen der Steuerreform die heilige Kuh Pendlerpauschale anzugreifen und das Dieselprivileg abzuschaffen? Das wären die nächsten logischen Schritte.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Tiroler Tageszeitung

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.