TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Samstag, 18. September 2021, von Peter Nindler: "Noch wenig Licht am Ende des Tunnels" | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Samstag, 18. September 2021, von Peter Nindler: „Noch wenig Licht am Ende des Tunnels“

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Innsbruck (OTS) – Der Brennerbasistunnel soll ein „Game-Changer“ sein. Doch zu viele Fragezeichen begleiten den Vortrieb: Wann wird er fertig, werden sich die Baukosten weiter verteuern und meint es die EU wirklich ernst mit der Verlagerung auf die Schiene?

Für den Bau des Brennerbasistunnels gibt es nur eine Gleichung: Er muss so schnell wie möglich fertiggebaut werden, damit die Gesamtbaukosten in den nächsten Jahren nicht noch weiter steigen. Andererseits benötigt es nicht nur ein klares Bekenntnis zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene, sondern dafür auch verpflichtende Rahmenbedingungen. Schließlich soll die knapp zehn Milliarden teure Bahninfrastruktur durch das Brennermassiv ein „Game-Changer“ in der Verkehrspolitik sein. Ein geflügeltes Wort, das bereits in der Corona-Pandemie für Debatten sorgt. Bei Covid wartet man immer noch sehnsüchtig auf einen durchschlagenden Effekt. Umso wichtiger wäre es, wenn Mitte der 2030er-Jahre tatsächlich die Bevölkerung entlang der Brennerachse vom Schwerverkehr entlastet wird. Wie bei Corona sind in der Verkehrspolitik Rückschläge an der Tagesordnung. Auch hausgemachte. Denn zuletzt holperte es gewaltig im Basistunnel, das größte Baulos wurde gestoppt und der Porr der 966-Millionen-Euro-Auftrag entzogen. Technische Probleme haben darüber hinaus den Vortrieb gebremst, zugleich zogen sich die Verantwortlichen der Tunnelgesellschaft in ihr Schneckenhaus zurück. Kommunikation ist nicht die Stärke der BBT SE. Deshalb steht die Politik gegenüber Brüssel des Öfteren mit heruntergelassenen Hosen da, wenn plötzlich wieder einmal der Fertigstellungstermin nach hinten verschoben werden muss.
Die (Landes-)Politik wandelt ohnehin auf einem schmalen Grat, denn die EU sowie Österreichs Nachbarstaaten Deutschland und Italien haben eigentlich kein Interesse an einer nachhaltigen und ökologischen Verkehrspolitik. So wird man das Gefühl nicht los, der Brennertunnel erfüllt lediglich den Zweck eines grünen Mascherls, inhaltlich bewegt sich nämlich nichts. Die völlig vermurkste Wegekostenrichtlinie symbolisiert unmissverständlich den flächendeckenden Unwillen, den Transitverkehr einzuschränken und zu verteuern. Tirol wird weiterhin überrollt, obwohl Brüssel den Basistunnel mit rund drei Milliarden Euro fördert.
Außerdem kann die Gesprächsbasis zu EU-Verkehrskommissarin Adina Valean seit ihrem Tirol-Besuch im Februar 2020 als kaum vorhanden bezeichnet werden, und der öffentlichkeitswirksam verkündete Berliner Zehn-Punkte-Plan nach dem Transitgipfel im Sommer 2019 ist, gegenseitigen Beteuerunge­n zum Trotz, Schall und Rauch.
Teurer wird der Brennerbasistunnel ohnehin, später fertig ebenfalls. Und sollte es nicht bald einen wirklichen „Game-Changer“ in der europäischen Verkehrspolitik geben, droht er in einem Milliardengrab zu versinken. Leider.

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