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Bundesrat: FPÖ kritisiert in Dringlicher Anfrage anhaltende Schulschließungen

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Wien (PK) – Die FPÖ hat heute im Bundesrat massive Kritik an den anhaltenden Schulschließungen geübt. In einer Dringlichen Anfrage an Bundeskanzler Sebastian Kurz warfen FPÖ-Fraktionsführer Christoph Steiner und seine ParteikollegInnen der Regierung vor, trotz des Rückgangs bei den Infektionszahlen und entgegen der Empfehlungen vieler ExpertInnen am Distance Learning festzuhalten. Steiner befürchtet dadurch massive negative Auswirkungen auf SchülerInnen, etwa was den Lernerfolg, psychische Folgen und spätere Einkommensverluste betrifft.

Für Bundeskanzler Kurz ist die Kritik allerdings nicht nachvollziehbar. Die Schulschließungen seien aus epidemiologischen Gründen notwendig, betonte er und versicherte, dass die Schulen in jedem Fall dabei sein werden, sobald es wieder erste Öffnungsschritte gibt. Kommenden Montag soll ihm zufolge erneut mit den Parteien beraten werden, wie es nach dem 7. Februar weitergeht. Die Lage sei wegen der neuen Mutationen schwierig, sagte der Kanzler, die Regierung sei aber bestrebt, alles zu öffnen, was nur irgendwie zu öffnen gehe, ohne dabei unverantwortlich zu handeln.

Keine Mehrheit erhielt ein im Rahmen der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag der FPÖ. Sie pochte auf eine Rückkehr zum regulären Präsenzunterricht für alle Schulstufen nach den Semesterferien, konnte dafür aber nur die NEOS gewinnen. Auch ein Entschließungsantrag der SPÖ betreffend die Priorisierung von PädagogInnen und Personal in Bildungseinrichtungen bei Impfungen wurde mehrheitlich abgelehnt.

Angenommen hat der Bundesrat hingegen einen Entschließungsantrag der SPÖ, der darauf abzielt, den Acht-Punkte-Plan für Digitalisierung auf Berufsschulen auszuweiten sowie den Fördertopf zum Aufholen coronabedingter Bildungsdefizite aufzustocken, um Förderangebote auch BerufsschülerInnen zugänglich zu machen. Man dürfe die Berufsschulen nicht vergessen, hatte SPÖ-Abgeordnete Doris Hahn die Initiative begründet.

Steiner hält Schulöffnungen für dringend notwendig

Konkret wies die FPÖ in der Dringlichen Anfrage darauf hin, dass die Zahl der mit Corona infizierten Personen nach dem ersten harten Lockdown im Herbst mit 50.000 rund zweieinhalbmal höher war als am 7. Jänner mit 21.000 Infizierten. Ähnliches gelte für die Zahl der im Krankenhaus befindlichen COVID-19-Erkrankten und der PatientInnen in Intensivstationen, machte sie geltend. Trotzdem seien die Schulen im Jänner, anders als im Dezember, geschlossen geblieben. Zudem sei der zuständige Bildungsminister Heinz Faßmann noch am 4. Jänner davon ausgegangen, dass die Schulen zumindest am 18. Jänner wieder öffnen würden. Schulen seien überdies selten Hotspots für COVID-19-Übertragungen, führte Steiner im Zuge der mündlichen Begründung der Anfrage aus.

Dass die Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Kurz gerichtet wurde, begründete Steiner mit der Vermutung, dass dieser die treibende Kraft hinter den anhaltenden Schulschließungen sei. Kurz besitze möglicherweise Informationen, die der Öffentlichkeit bis dato verschwiegen worden seien, meinte er zum 29 Punkte umfassenden Fragenkatalog. Nach Meinung von Steiner müsste der bei der Debatte ebenfalls anwesende Bildungsminister Heinz Faßmann eigentlich „den Hut nehmen“, nachdem die Schulpolitik „von einem Studienabbrecher diktiert“ werde.

Immer wieder appellierte Steiner im Rahmen der Begründung der Dringlichen Anfrage an die Regierung, die zum Teil seit 23. November geschlossenen Schulen wieder zu öffnen. Angesichts der Befunde von ExpertInnen müssten bei Kurz „die Alarmglocken schrillen“, erklärte er und warf diesem beispiellose „Empathielosigkeit und Herzlosigkeit“ vor. Kinder müssten unbeschwert spielen und Freunde treffen können, stattdessen würden sich mittlerweile sogar schon Zehnjährige um ihre Zukunft sorgen. Steiner zufolge erhält die FPÖ regelmäßig verzweifelte Hilferufe von Eltern und Kindern.

Generell warf Steiner Kurz bzw. der ÖVP vor, den Bundesrat immer wieder zu missachten. In diesem Zusammenhang drohte er an, Kurz in Zukunft öfter in die Länderkammer des Parlaments zu zitieren.

Bekräftigt wurde die Kritik Steiners von seinen ParteikollegInnen Andrea Michaela Schartel, Marlies Steiner-Wieser, Andreas Arthur Spanring und Michael Schilchegger. Sie glaube Kurz zwar, dass auch dieser mit Schulschließungen keine Freude habe, sagte Schartel, für sie ist aber offensichtlich, dass die Schulen deshalb geschlossen wurden, damit die Wirtschaft wieder früher öffnen könne. Sie glaubt außerdem, dass Kurz keine Ahnung habe, was die Schulschließungen für betroffene Eltern und SchülerInnen bedeuten.

Kurz: Auch in Schulen gibt es Ansteckungen

Im Rahmen der Beantwortung der Dringlichen Anfrage zeigte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz irritiert darüber, dass Steiner in seiner Wortmeldung das Wort Pandemie kein einziges Mal in den Mund genommen habe. Die Situation sei in fast allen europäischen Ländern eine vergleichbare, egal welcher politischen Richtung die Regierungsverantwortlichen angehörten, machte er geltend. Durch die Pandemie ausgelöste Lockdowns gebe es quer durch Europa. Als ehemaliger Regierungspartner müsste die FPÖ außerdem wissen, dass es niemandem Freude mache, Geschäfte, Lokale oder Schulen zu schließen, sagte Kurz.

Der Kanzler gab darüber hinaus zu bedenken, dass das Argument, dass es in ihrem Bereich keine bzw. nur wenige Ansteckungen gebe, von vielen Seiten komme, so auch von der Gastronomie und Unternehmen. Tatsache sei aber, dass es umso mehr Ansteckungen gebe, je weniger geschlossen sei. Zudem sei die These, dass Kinder sich nur selten ansteckten, längst widerlegt. So habe eine vor Weihnachten durchgeführte Studie gezeigt, dass rund 1,4% der Kinder und Jugendlichen infiziert gewesen seien und damit nicht wesentlich weniger als in der Gesamtbevölkerung. Zudem gelte es zu berücksichtigen, dass SchülerInnen auch ihre Eltern und Großeltern anstecken würden.

Kinder sollten unbeschwert aufwachsen, stimmte Kurz Steiner zu. Er bezweifelt aber, dass Kinder eine unbeschwerte Zeit hätten, würde man auf Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verzichten. Schließlich gehe es auch darum, dass „möglichst viele Opas und Omas dieses Jahr überleben“. Der Prozentsatz jener, die nach einer COVID-19-Infektion sterben, sei bei Menschen über 80 „dramatisch hoch“.

Kurz versicherte allerdings, dass die Schulen bei ersten Öffnungsschritten dabei sein werden. Am Montag soll es ihm zufolge erneut Beratungen mit den Parteien darüber geben, wie es nach dem 7. Februar weitergehen könnte. Er erwartet aufgrund der Mutationen eine schwierige Entscheidung, betonte aber, dass man alles öffnen wolle, was nur irgendwie zu öffnen gehe, ohne dabei unverantwortlich zu handeln.

Ausdrückliches Lob zollte Kurz Bildungsminister Heinz Faßmann. Dieser habe alles daran gesetzt, dass Distance Learning bestmöglich funktioniere, und dafür gesorgt, dass es künftig breite Testmöglichkeiten an den Schulen geben werde. Zudem verwies der Kanzler auf das Schulförderungspaket. Er sei auch froh, dass die Schulen für jene offen sind, die Betreuung bräuchten, sagte er.

ÖVP verweist auf Förderpaket in der Höhe von 200 Mio. €

Ähnlich wie Kurz argumentierte die niederösterreichische ÖVP-Bundesrätin Doris Berger-Grabner (ÖVP/N). So wies sie etwa auf eine Studie hin, aus der klar hervorgehe, dass Schulschließungen maßgeblich zu einer Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen würden. Es brauche Vorkehrungen, damit Schülerinnen und Schüler sich nicht in der Schule mit dem Coronavirus ansteckten und dieses nach Hause tragen. Grundsätzlich habe die Rückkehr zum Präsenzunterricht aber auch für die ÖVP Priorität, betonte die Bundesrätin.

Als wesentlich erachtet es Berger-Grabner, durch den Lockdown bewirkte Lernlücken und Bildungsverluste entgegenzuwirken. In diesem Sinn begrüßte sie das angekündigte Förderpaket im Ausmaß von 200 Mio. €. Dieses ermögliche bis zu drei Millionen zusätzliche Förderstunden bis Februar 2022.

SPÖ plädiert für Kosten-Nutzen-Abwägung

Wie die FPÖ beurteilte auch die niederösterreichische SPÖ-Bundesrätin Doris Hahn die Schulschließungen kritisch. Es brauche eine „sichere“ Öffnung der Schulen, meinte sie und urgierte in diesem Zusammenhang unter anderem ausreichende Testmöglichkeiten für SchülerInnen und das Lehrpersonal sowie eine Priorisierung der LehrerInnen bei COVID-19-Impfungen. Im Grunde gehe es um eine Kosten-Nutzen-Abwägung, sagte Hahn, zumal zahlreiche negative Folgen der Schulschließungen mittlerweile evident seien und sich zudem gezeigt habe, dass SchülerInnen keine „Superspreader“ und die Infektionen durch Schulschließungen nicht maßgeblich zurückgegangen seien.

Noch einmal verschärft hat die Pandemie Hahn zufolge den Umstand, dass Österreich ein „ungerechtes Schulsystem“ habe. Nicht alle Kinder hätten gleichermaßen elterliche Unterstützung und technische Infrastruktur. Zudem zeigte sich Hahn „fassungslos“, dass es bis heute keine direkte Kommunikation der Regierung mit Betroffenen wie DirektorInnen oder LehrerInnen gebe. Irritiert ist sie auch über vermehrte Berichte über Schilehrer-Cluster. Offenbar habe „die Seilbahnlobby“ Vorrang vor Bildung und SchiliftbetreiberInnen Vorrang vor SchülerInnen.

Das vorgestellte Förderpaket und die Digitalisierungsoffensive hält die SPÖ für unzureichend. Das bekräftigen auch Hahns FraktionskollegInnen Daniela Gruber-Pruner und David Egger. Egger regte etwa die Ausgabe von Nachhilfegutscheinen an. Abseits des Themas Schulschließungen übte Hahn scharfe Kritik an der heutigen Abschiebung von zwei bestens integrierten SchülerInnen. Was habe Kurz daran gehindert, Innenminister Nehammer „zurückzupfeifen“, fragte sie.

NEOS für Öffnung der Schulen nach den Semesterferien

Der Wiener NEOS-Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky kündigte an, den Entschließungsantrag der FPÖ zu unterstützen, auch wenn er diesen als unpräzise bewertete. Es sei aber auch ihm ein Anliegen, dass nach den Semesterferien – unter entsprechenden Rahmenbedingungen – wieder Präsenzunterricht stattfinde, sagte er.

Was diese Rahmenbedingungen betrifft, hält es Arlamovsky für notwendig, nach Schultypen zu differenzieren. Schließlich habe es sich gezeigt, dass etwa an Volksschulen kaum Cluster von SchülerInnen, sondern hauptsächlich von LehrerInnen ausgegangen seien. Regelmäßige Frischluftzufuhr, wöchentliche Testungen und Maskenpflicht sind für ihn jedenfalls Maßnahmen, die ihm grundsätzlich gangbar erscheinen. Allgemein mahnte Arlamovsky eine präzisere Diskussion ein und betonte, dass jüngsten Studien zufolge die Infektionsgefahr bei Kindern und Jugendlichen geringer als bei Erwachsenen sei.

Grüne: Schulen sind nicht geschlossen

Seitens der Grünen verwahrte sich der Steirer Andreas Lackner gegen die Behauptung, dass die Schulen geschlossen seien. Das stimme nicht, sagte er. Anders als in vielen anderen Ländern seien die Schulen in Österreich nicht nur zur Betreuung offen. Alle, die es wollten und brauchen, könnten in die Schule kommen. Klar ist für ihn aber auch, dass die Schulen keine Inseln seien und damit „Teil des allgemeinen Infektionsgeschehens“.

Für wichtig erachtet es Lackner, alles zu unternehmen, damit Kindern Bildungschancen nicht genommen würden. Er verwies in diesem Sinn auf das Förderpaket, das auch einen Ausbau der Sommerschule beinhalte. Zudem würden sich die Grünen massiv dafür einsetzen, dass die Schulen als erstes dabei seien, wenn es zu Öffnungsschritten komme. Scharfe Kritik übte Lackner an der FPÖ – es sei „ein Skandal“, ein demokratisches Instrument wie eine Dringliche Anfrage dafür zu nutzen, „alle zu beleidigen“.

Faßmann: Schulen sind besondere, aber keine isolierten Orte

Bildungsminister Heinz Faßmann machte geltend, dass es mangels Erfahrungen kein einfaches Rezept für den richtigen Umgang mit der Corona-Pandemie gebe. Bildungseinrichtungen seien ganz besondere Orte, betonte er, allerdings seien es keine isolierten Orte, die frei von Ansteckungen sind. Bei einer Öffnung der Bildungseinrichtungen und Hochschulen würden 1,2 Millionen SchülerInnen und 300.000 Studierende im öffentlichen Raum unterwegs sein. Faßmann hofft allerdings mit Begleitmaßnahmen wie Schichtbetrieb, regelmäßigem Lüften sowie niederschwelligem und kostenfreiem Testen zum Präsenzunterricht zurückkehren zu können.

Trotz der schwierigen Zeiten, sei außerdem viel gelungen, hob Faßmann mit Hinweis auf die Digitalisierungsoffensive und den Förderplan hervor. Man solle die 200 Mio. € nicht kleinreden, erklärte er. In Richtung FPÖ merkte Faßmann an, ein Ignorieren des Virus sei kein Weg, der zu Normalität zurückführe. (Fortsetzung Bundesrat) gs

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