Krawalle, Integration und das doppelte Spiel der ÖVP
Wien (OTS) – Wenige Tage vor Ende der Begutachtungsfrist für die Novelle des Schulorganisationsgesetzes legen die Krawalle in Favoriten das doppelte Spiel der ÖVP bloß und lassen ernsthafte Bedenken bezüglich der bevorstehenden Übertragung der Primärverantwortung für die Wertevermittlung und Integration in Österreichs Schulen auf die Religionsgemeinschaften aufkommen. „Die Gewaltexzesse der letzten Tage sind einerseits ein offensichtliches punktuelles Ereignis, das strafrechtliche und womöglich auch diplomatische Folgen haben könnte. Anderseits wurde in Favoriten aber auch ein tiefes Bildungs- und Integrationsproblem sichtbar. Die jahrelang verfolgte Strategie einer schulischen ‚Integration mittels Religion‘ muss spätestens jetzt überdacht werden“, meint Eytan Reif, Sprecher des Volksbegehrens „Ethik für ALLE“. Reif gibt zu bedenken, dass die geplante diskriminierende Einführung eines Ethikunterrichtes die falsche Antwort auf brennende Probleme liefern wird: in den Oberstufen wird der Religionsunterricht – auch der islamische – von einem Freifach zu einem Ersatzpflichtfach aufgewertet werden, während in den Volksschulen und Unterstufen nach wie vor die Bühne ausschließlich dem Religionsunterricht überlassen bleiben wird. Die jeweiligen Religionsgemeinschaften werden folglich die primäre Verantwortung für die Wertevermittlung in Österreichs Schulen behalten bzw. ausbauen können. „Sebastian Kurz ist in diesem Zusammenhang eine Absurdität der Extraklasse gelungen: auf der einen Seite beschuldigt er die Türkei, Unfrieden zu säen, während er auf der anderen Seite die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), die enge Beziehungen nicht nur zum Erdoğan-Regime, sondern auch zu Vereinen der ultranationalistischen Türkischen Föderation (MHP) pflegt, als Hauptverantwortliche für die Werteerziehung zehntausender österreichischer SchülerInnen ernennt. Das diskriminierende Ethikunterrichtsmodell der ÖVP, das auf Wunsch der Katholischen Kirche implementiert werden wird, hat es in sich: dem Besuch eines integrierenden Ethikunterrichtes wird man sich entziehen können, wenn man den islamischen Religionsunterricht besucht. Das ist nicht nur absurd, das ist auch verantwortungslos. Toleranz Andersdenkenden gegenüber oder die Ablehnung von Gewalt fallen nämlich weder vom Himmel noch werden sie jedem Kind in die Wiege gelegt und der konfessionelle Religionsunterricht ist nicht der am besten geeignete Rahmen für notwendige Korrekturmaßnahmen. So etwas ist eher die Aufgabe eines gemeinsamen Ethikunterrichtes, der aber gerade jenen SchülerInnen verwehrt wird, die ihn am meisten benötigen werden,“ meint Reif.
Susanne Wiesinger, die auf eine jahrelange Erfahrung als Lehrerin an Brennpunktschulen in Favoriten zurückblicken kann und als Ombudsfrau für Wertefragen diente, sieht es ähnlich: „Ich erlebe seit Jahren, wie sehr ethnische und religiöse Konflikte unter unseren SchülerInnen zunehmen. Nicht selten enden diese in körperlichen Auseinandersetzungen. Darüber hinaus bemerke ich eine große Abneigung gegenüber ‚Nicht- Religiösen‘ bei vielen Kindern und Jugendlichen. Manche sprechen Atheisten gar ihre Existenz ab. Mit Hilfe eines Ethikunterrichts für ALLE SchülerInnen ab der Volksschule kann der Horizont von ‚radikalisierten‘ SchülerInnen erweitert werden. Er kann zur Erkenntnis beitragen, dass Österreich ein Land ist, in dem jeder Mensch seine Religion haben, aber auch religionsfrei leben darf. Der Religionsunterricht teilt Kinder und Jugendliche in Gläubige und Ungläubige – genauso wie auch ihre Communities es tun. Wir brauchen ein Unterrichtsfach, das diesen Teufelskreis durchbricht und unsere SchülerInnen zusammenführt“.
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